KTM 2005 | 14.02.2005
Fahreindrücke I
Der Vergleich mit dem Vorjahresmodell fällt ein wenig schwer, aufgrund der zuvor genannten Umstände. Auf Schnee hat uns bei der 2004er-300er die Spurtreue und Traktion beeindruckt. Heuer wurde auf Matsch mit teilweise eisigem Untergrund getestet.
Wer einfallsreich über das Testen moderner Enduros berichten will und dies schon ein bisschen länger tut, hat es mittlerweile ein wenig schwer. Es ist unmöglich, über grundsätzlich Neues zu berichten. Von Jahr zu Jahr werden die Motorräder ein wenig besser und haben ein Niveau erreicht, welches Shane Watts in Amerika auf schlecht gewarteten Serienmotorrädern die Meisterschaft gewinnen lässt. Seit dem Modelljahr 2000 ist von allen Marken ein Standard erreicht, bei welchem Aussagen über die Fahreindrücke eines Enduromotorrades im Prinzip die Abstimmung von Motor und Fahrwerk beurteilen. Ist es gut abgestimmt, gibt's nix zu kritisieren, ist es schlecht abgestimmt: abstimmen.
Beide KTMs lassen sich ihrer Klasse entsprechend leicht handeln, laufen stabil geradeaus und zeigen kaum die Tendenz, Spurrillen zu folgen. Die Motoren verfügen über einen ausreichend breiten Leistungsbereich, es steht immer genug und nur selten zu viel Kraft zur Verfügung. Die 300er hat eine exzellente Leistungscharakteristik, welche so in alle Fahrwerke und Klassen gehört, egal ob Motocross oder Enduro. All jene, die mehr Spitze oder Kraft benötigen sind bereits Werksfahrer und zählen somit nicht zur Zielgruppe dieses Artikels. Im unteren Drehzahlbereich glasklare Gasannahme und dann ohne plötzliche Explosion endloses Drehvermögen. Der beste „Viertaktmotor“ am Markt.
Der echte Viertakter der 400er ist ebenfalls ein tadelloses Aggregat, jedoch in vielen Bereichen etwas zäh, was uns jedoch allemal lieber ist als sinnlose Leistungsorgien. Es ist immer genug Schmalz vorhanden. Sensibel reagiert sie auf gewaltsame Verjüngung des Krümmerquerschnittes. Ein Highsider mit anschließender Baumberührung kostet in etwa 5 PS. Diese durch Tuningmaßnahmen zu finden etwa 1.000,- Euro.
Kupplung und Bremsen funktionieren wie man das im 21.Jahrhundert erhofft: Es gibt keine Ausreden, nicht mit Einfingerkupplung zu fahren. Das gilt auch für die Bremse. Nach vierzehn schweren Testtagen kann die Verarbeitung der Fahrzeuge gewürdigt werden. Es ist kein Plastik gebrochen, keine weissen Flecken an Knickstellen aufgetreten, und ein Hebel an der Sollbruchstelle weiterhin gebrauchsfähig abgerissen. Ein großes Lob an die Erstbereifung. Mit dem Pirelli Scorpion hat die KTM den mit Abstand besten Reifen für Schlamm, Schnee und Eis als Erstausrüstung.
Nach so viel Lob gibt es dann doch die eine oder andere Kleinigkeit zu Tadeln. Das Startverhalten der Viertakter! Solange die Batterie, von KTM bei den Neuerungen als „Racing“ angeführt, Saft hat, scheint die Sonne exklusiv für jeden Viertaktfahrer. Jedoch wehe wenn. Ab dem fünften Tag wollte diese nicht mehr so recht. Schlagartig wurde allen Testern klar, warum sie Ende der 80er Jahre auf Japaner umgestiegen sind.