
Besuch beim OPC Race Camp | 26.07.2009
Per aspera ad Astra
Motorline.cc durfte beim aktuellen OPC Race Camp von Opel hinter die Kulissen schauen, in Teil 1 plaudern wir mit Juror Christian Riegler.
Johannes.Gauglica@motorline.cc; Fotos: Florian T. Mrazek; Opel
Zwanzigmal Hoffnung am Nürburgring: die Grand-Prix-Strecke war Schauplatz des „Semifinales“ von Opels großem Rennfahrer-Casting, dem OPC Race Camp. Nach dem Erfolg der ersten Staffel im Jahr 2007/2009 geht dieses Konzept heuer in seine zweite Ausgabe.
Die Grundidee: Opel sucht aus der Masse der AutofahrerInnen im deutschsprachigen Raum acht bis zehn talentierte Piloten für das Werksteam beim 24-Stunden-Rennen am Nürburgring 2010. Unabhängig von ihrer "Vorbildung" werden diese Talente an die Aufgabe herangeführt, auf der vielleicht schwierigsten Strecke der Welt ein hochkarätiges Rennfahrzeug zu bewegen.
Voriges Jahr kam nur eine Vierer-Mannschaft wirklich ins Rennen; der zweite Opel Astra OPC war nach einem High-Speed-Unfall im Training (gottseidank ohne schwere Verletzungen) ein Totalschaden. Das verbliebene Auto schlug sich zur Überraschung des Publikums und auch vieler Insider fabelhaft, die Technik sagte nach 13 beeindruckenden Stunden leider "adieu".
An sich war nach dem Rennen die Aktion beendet; Opel selbst hat ja derzeit kein weiterführendes Rennprogramm anzubieten. Zwei Fahrer aus dem Race Camp sind im Geschäft geblieben und arbeiten weiter an der Profikarriere:
Der Steirer Martin Karlhofer hat den Sprung in den Werkskader von Volkswagen geschafft, heuer hat er bei den 24 Stunden seine Klasse gewonnen. Und Alex Plenagl aus Deutschland hat ein Cockpit in der Seat Leon Supercopa im Rahmen der DTM.
Der zweite Österreicher, der im Rennen ebenfalls überzeugt hat, konnte bislang – und wir hoffen, dass sich das noch ändert - diesen Schritt noch nicht vollziehen: Stefan Leitner ist derzeit immerhin in der Formula Student der Fahrer für das Team der TU Graz.
Aus diesem Umfeld kam auch der letzte verbliebene österreichische Teilnehmer im Race Camp 2009, der aus einem Bewerberfeld von insgesamt circa 22.500 Personen (!) den Sprung in die Top 20 schaffte. Leider war dort für Martin Matzer Endstation.
Ein Richter namens Riegler
Völlig ohne Rot-Weiß-rot geht's dennoch nicht: einer der gestrengen Juroren ist aus der heimischen Rallyeszene bekannt. Chef des Race Camp ist Manuel Reuter, ehemals DTM-Champion und Sieger der 24 Stunden in Le Mans und am Nürburgring. Ihm zur Seite stehen echte Routiniers:Joachim Winkelhock hat zweimal am Ring und einmal in Le Mans die 24-Stunden-Rennen gewonnen, außerdem war er britischer Tourenwagenmeister. Sascha Bert ist vor allem aus der Sportwagen- und GT-Szene bekannt. Klaus Panchyrz war in der Formel 3000 unterwegs. Sie alle sind auch erfahrene Instruktoren, genau wie Felix Schmitt und unser Beitrag zum OPC-Kompetenzzentrum, Christian Riegler aus Niederösterreich.
"Ich habe einmal was Ehrliches gelernt!", betont der ehemalige ARC-Champion; nach einigen Jahren im ehrlichem (aber vielleicht nicht ganz so spaßigem) Beruf kam für ihn dann der Wechsel zum Fahrinstruktor:
"Ich habe mich immer mit dem Motorsport beschäftigt. Mein Vater Fritz Riegler ist lange gefahren, war in den 1990ern einmal Vizestaatsmeister; er ist leider schon früh verstorben. Ich fahre selbst noch aktiv, 2001 habe ich die Challenge gewonnen. Und ich habe das Glück, dass ich mein Hobby zum Beruf gemacht habe – wenn man das tun kann, ist es natürlich ein Traum".
Die Mühlviertel-Rallye musste Riegler wegen eines Motorschadens an seinem Lancia Delta Integrale auslassen, "und die Teile für ein solches Auto muss man schon mit Gold zahlen! Ich mache pro Jahr nur mehr zwei oder drei Rallyes, da haben sich die Prioritäten etwas verschoben."
Von Opel speziell für das OPC Race Camp engagiert: "Vor einigen Jahren habe ich bei einer Veranstaltung den Manuel Reuter kennengelernt, über diese Bekanntschaft bin zum Team gekommen. Und wir harmonieren sehr gut. Die anderen sagen, ich bin der Quoten-Ösi; ich sag', ich bin der Entwicklungshelfer..."
Rascher Themawechsel, und eine offene Einschätzung der österreichischen Teilnehmer beim heurigen Race Camp: „Drei oder vier Österreicher waren noch im zweiten Level dabei, richtige ‚Brenner’ von der Art, wie wir sie voriges Mal gehabt haben, waren aber heuer leider nicht darunter."
"Stefan Leitner hat das Problem, dass er in Österreich daheim ist und keine Sponsoren kriegt – denn vom Speed her ist er ganz hoch einzuschätzen", meint Christian Riegler und ergänzt: "Wäre ich für ein Werksteam zuständig, ich hätte alle vier Fahrer des Vorjahresteams sofort engagiert."
Wir trafen uns am Ende des ersten von drei Tagen am Nürburgring, an denen die TeilnehmerInnen erste Bekanntschaft mit dem "richtigen" Rennauto machten, dem Astra OPC mit über 300 PS – bis dahin hatten sie es mit serienmäßigen oder leicht verbesserten Autos zu tun.
Und dazu die ersten Runden auf der Rennstrecke, eine Menge neuer Input also für die Neulinge:
"Es kommt oft vor, wenn man auf eine richtige Rennstrecke geht und das Tempo höher wird, dass die Jüngeren dann ein Riesenproblem mit der Orientierung bekommen. Mit Rennauto, Helm, Overall sind es einfach zu viele Eindrücke. Dazu kommen die höheren Anforderungen an die Fitness.“
Happy Camping?
An einem schönen Tag im Frühling stehen also 22.000 Menschen vor der Opel-Türe und wollen gern Rennfahrer werden – oder wie hat man sich die erste Phase im OPC Race Camp vorzustellen?
"Von den 22.500 Bewerbern haben es ungefähr 10.000 durch eine Vorauswahl mit sämtlichen Kriterien geschafft. Die hat sich der Manuel Reuter dann aber wirklich alle angeschaut. Dann wurden 750 Personen ausgesucht, die man dann tatsächlich eingeladen hat.“
Demographie: "Bei den 750 waren circa 150 Mädels. Um die fünfzig Kandidaten waren aus der Schweiz, ungefähr genausoviele aus Österreich. Jeden Tag sind vierzig drangekommen, in einem Zug durch. Nach einer kurzen Begrüßung war die erste Übung ein relativ schneller Slalom, jeder einzeln im Auto. Wir haben gleich nach der ersten oder zweiten Aufwärmrunde entschieden: können wir uns vorstellen, dass der- oder diejenige jemals mit einem Auto schnell fährt?"
Dabei spielten schon Dinge wie die Sitzposition im Auto eine Rolle. Auch in den ersten Folgen der TV-Serie, die Ende des Jahres zu sehen sein wird, spielt dieser Aspekt unter anderem eine Rolle... - die ersten fertig produzierten Folgen waren als "sneak preview" am Nürburgring zu sehen. Wir sagen nur: Schadenfreude ist die beste Freude!
750 Teilnehmer waren von den sechs Juroren zu beurteilen: "Es war richtig viel Arbeit, jeden Tag. Begonnen haben wir um 7 Uhr früh und durchgearbeitet bis Halb 9 in der Nacht. Es waren drei Wochen ohne Pause, auch Samstag, Sonntag volle Attacke. Wir haben ihnen erklärt, was sie machen sollen, und auch die Umsetzung. Wie sitzt man im Auto, wie fährt man schnell, wie lenkt man? Wer gelenkt hat wie ein Stier, war weg! Dann gab's einen schnellen Spurwechsel: wer ist imstand', das ausbrechende Auto abzufangen?"
Die Ausfälle waren hier bereits zahlreich: "Am Tag sind zehn bis fünfzehn Teilnehmer übrig geblieben, die in einem Astra mit Käfig und Slicks einen Kurs auf Zeit gefahren sind. Da haben wir am Tag selbst nie eine Entscheidung getroffen. Nur mitgeschrieben und alles mit Fotos protokolliert."
Diese Phase dauerte drei Wochen: "Am Ende haben wir uns zusammengesetzt, jedes Protokoll hergenommen und ausgewählt."
Strenge Rechnung & gute Freunde
In den letzten drei Tagen der drei Wochen wurde von 150 auf ca. 120 Kandidaten reduziert: "Da ist es schneller geworden, wir haben sie allein fahren lassen, immer das Level erhöht. Dann sieht man: ein jeder hat seinen Horizont. Irgendwo steht ein jeder an. Das zu erkennen, ist unsere Aufgabe. Deswegen ist es wichtig, dass wir mit den Teilnehmern einen guten Kontakt haben."Innerhalb kurzer Zeit ist es schwierig, den Rohdiamanten zu finden: "Ich sag' wertfrei, vielleicht ist uns der eine oder andere durch die Lappen gegangen. Wenn er oder sie einen schlechten Tag gehabt hat, kann das schon sein. Im Großen und Ganzen bleiben, wie beim vorigen Mal, zwanzig über, von denen wir sagen können, die sind's! Bis jetzt sind von den Zwanzig schon wieder sechs weggebrochen."
Auch bei unserem kurzen Besuch wurde ein Teilnehmer quasi „Live“ vor den Kameras aus dem Camp verabschiedet. Sechs bis acht FahrerInnen bilden dann tatsächlich das OPC-Team und arbeiten auf das 24-Stunden-Rennen 2010 hin:
"Dort ist es unser Ziel, mit einer Top-3-Platzierung anzukommen. Um zu zeigen, dass es möglich ist, mit guter Ausbildung sowas zu überstehen. Wir reden dann ja doch von 250 Autos und tausend verrückten Menschen in diesem Rennen. Und unsere Piloten sind offizielle Werksfahrer von Opel!"
In der ersten Phase war ein Kennenlernen nicht möglich, aber mittlerweile hat sich mit den Verbliebenen die Bekanntschaft vertieft. Fürs Fernsehen wird in dieser ersten Phase recht stark auf Elemente der Casting-Show gesetzt, mit Urteilsverkündung der gestrengen Jury und frontalem Kamerablick ins Gesicht des unglücklichen Kandidaten. Wie geht der Juror damit persönlich um?
"Spätestens bei diesen Zwanzig ist es sehr, sehr schwierig. Denn jeder, mit dem man einige Tage bereits eng zusammengearbeitet hat, ist ein persönlicher Verlust. Manchmal gibt es bei den Kandidaten doch Tränen, und da müssen wir dann auch kämpfen. Es ist oft sehr knapp, aber es bleiben halt nur acht über. Dass die Jungs da eine Riesenchance sehen, ist klar. Ich würde auch ausflippen, wenn man mir sagt: das war's."
Große Hoffnungen
Die Fernsehkameras als Psychotest: "Es kann immer was passieren, aber wir müssen uns sicher sein, dass alle imstand sind, das zu schaffen. Und die Urteilsverkündungen sind schon Belastungsproben, ein Stresstest. Wer da zusammenbricht, hat sowieso keine Chance, denn Stress ist 'part of the game'."
Die Premiere 2008 hat einige Überraschungen gebracht: "Wir wollten der Welt beweisen, dass ein solches Vorhaben möglich ist. Nur haben wir nie damit gerechnet, dass da Menschen kommen, die wir auf so ein Niveau bringen können. Das klingt jetzt überheblich, aber wir haben nie damit gerechnet. Wir sind draufgekommen, dass das richtige Brenner sind!"
Gibt es ähnliche Stars auch in der jetzigen Truppe? "Es ist noch zu früh, dazu etwas zu sagen. Wir haben wieder einige sehr Junge dabei. Die träumen sicher von einer Motorsportkarriere."
Und kommen bereits gut vorbereitet zum Casting: "Sie haben es in Zeiten des WWW ja einfach: sie haben sich einfach sämtliche Folgen von den anderen angeschaut! Und nach dem ersten Tag sind die Blogs explodiert, da hat es Skizzen und Zeichnungen gegeben, wie die Übungen ablaufen... - teilweise ist das richtig nach hinten losgegangen; die haben sich gegenseitig so nervös gemacht, dass sie am Tag X dann nichts mehr zusammengebracht haben. Das Grundniveau war professioneller als voriges Mal."
Und die reinen Spaßfahrer wurden ebenfalls gleich am Anfang aussortiert: "Auch wir wachsen mit der Aufgabe!"
Acht Einsatzpiloten und zwei Ersatzfahrer werden selektiert: "Es wäre auch möglich, die Fahrzeuge mit je drei Fahrern zu besetzen. Acht plus zwei sind geplant – und die nimmt man bis zum Schluss mit."
Big Brothers
Große Namen wie Camp-Chef Manuel Reuter und Joachim Winkelhock sind nicht nur reine Galionsfiguren, sondern hackeln genauso emsig wie alle anderen: "Manuel ist die treibende Kraft, es ist ja sein Projekt. Er gibt nicht nur den Namen her, in Wahrheit rennt alles über ihn; er ist vor uns da und fährt nach uns heim. Wir sitzen auch jeden Tag beisammen. Der Jockel kommt zu den Veranstaltungen, ist dann aber ebenfalls voll eingebunden. Heute macht er den ganzen Tag Journalistenfahrten und passt auf die Jungs auf."Die Kandidaten werden von den „Big Brothers" permanent beobachtet:
"Sie bewegen sich keinen Schritt, ohne dass einer von uns auf sie aufpasst. Wir fahren hier die kurze Anbindung; mein Kollege und ich sind in der Mercedes-Arena gestanden. Damit sehen wir achtzig Prozent der Kurven. Der Jockel Winkelhock war fast den ganzen Tag in der Schikane. Wir sind alle über Funk verbunden. Vier Leute sind permanent in der Box und passen auf, wie nervös die Jungs sind, wenn sie ins Auto einsteigen, und wie sie ausschauen, wenn sie aussteigen. Mittlerweile überwachen wir mit Puls- und Blutdruckmessern. Auch das spielt eine Rolle. Im Fahrzeug haben wir Datalogging wie in der Formel 1, können uns jeden Schaltpunkt anschauen. Die Jungs sind in Wahrheit völlig gläsern."
Nichtsdestoweniger wird auch die Kunst der Ausrede bereits auf hohem Niveau trainiert: "Reifen schlecht, Auto geht ned, undsoweiter - so gesehen sind alle schon Profis!"
Nächster Halt: Nordschleife
Alle TeilnehmerInnen haben einen Fitnesstest hinter sich, für einige war am Ergometer Endstation. Das Training passiert nach genauen Vorgaben, aber individuell:
"Manuel Reuter ist selbst Triathlet, das ist natürlich eine riesige Vorgabe. Und sie stehen alle im Berufsleben; wer hat die Zeit, mit uns drei Wochen auf Trainingslager zu gehen? Jeder hat einen Ernährungs- und Fitnessplan. Diese Pläne werden extern überwacht. Wer weiter zum Burger greift, hat ein Problem!"
"Fürs Rennen haben wir zwei komplett neu entwickelte Autos, die werden nagelneu aufgebaut, mit mehr Leistung. Im Oktober gehen wir auf die Nordschleife trainieren, wir haben die Strecke zwei oder drei Tage exklusiv. Da werden wir Runden fahren, bis sie uns aus den Autos aussefallen!"
2008 hat Manuel Reuter auf der Nordschleife einen Klassenrekord mit dem Opel Astra von 8:35 aufgestellt, "und der Schnellste von uns war keine zehn Sekunden langsamer - trotz zwei Schikanen. Und sie waren alle innerhalb von 16 Sekunden. So dünn wird da oben die Luft!" - Dazu kommen heuer noch echte Renneinsätze.
Hätte Christian Riegler selbst Freude an einem Renneinsatz bei den 24 Stunden? "Ich würde lügen, wenn ich sage, es macht keinen Spaß; überhaupt auf diesem Top-Niveau. Wie reden ja von Werksautos. Angeblich haben wir einen 25-Stunden-Test, wer den fährt, werden wir sehen. Primär ist unsere Aufgabe, die Teilnehmer schnell zu machen. Ich steh' genauso gern heraußen, wie ich im Auto sitze!"