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Teams lehnen das Funkverbot ab

Während einige Fahrer dem Funkverbot etwas abgewinnen können, herrscht bei den Rennställen selbst Frust - steigt jetzt die Unfallgefahr?

Die Formel 1 wird noch leiser – nicht nur von den Motoren kommt in Singapur kaum Sound mehr, auch am Funk wird es für die Piloten nun deutlich ruhiger werden. Mit sofortiger Wirkung wurden von der FIA alle Funksprüche verboten, die den Fahrern in einem Grand Prix dabei helfen, das Auto zu fahren. Zwar dürfen gewisse Ansagen immer noch gemacht werden, doch die Zeit der Anweisungen zu Benzinverbrauch, Motoreneinstellung oder gar Fahrweise ist vorbei.

Für die Piloten bedeutet das, dass sie wieder vermehrt auf sich alleine gestellt sind und vieles selbst im Blick haben müssen. Bei den meisten stößt das auf Gegenliebe: "Ich denke, es ist der richtige Weg: Pures Racing", sagt beispielsweise Nico Rosberg. "Es kann sehr interessant werden. Zuletzt hatten wir 100 Prozent Kommunikation, jetzt dürfen sie mir nur noch 20 Prozent davon mitteilen. Es ist also ein großer Unterschied." Die neuen Regeln verbieten unter anderem auch verschlüsselte Botschaften oder detaillierte Informationen über die Sektorenzeiten der Konkurrenz.

Rosbergs Teamkollege Lewis Hamilton fühlt sich beim Gedanken an weniger Funkverkehr ebenfalls wohl. "Ich mag es, dass wir uns wieder selbst überlassen sind, wie zu alten Kart-Tagen. Es ist also der Schritt zurück, es wieder auf die altmodische Art zu machen", zeigt er sich beim britischen Sender Sky Sport News erfreut. Wer letztlich im Mercedes-Titelduell davon profitiert, dass nicht mehr jede Kleinigkeit von der Box aus gehandhabt wird, wird sich erst zeigen.

R·B·R-Pilot Daniel Ricciardo, mit 166 Punkten einziger Verfolger von Rosberg (238) und Hamilton (216), nimmt die ganze Geschichte auf die von ihm gewohnt lockere Art: "Wir werden alle falsch abbiegen und in die Mauer krachen", lacht er auf die Unterschiede angesprochen. Doch wirklich einig sind sich die Fahrer wie in der Formel 1 üblich wieder einmal nicht. Besonders Felipe Massa findet, dass Singapur einer der denkbar ungeeignetsten Orte für eine solche Novelle ist.

Massa: "Riskiere einen Unfall"

"Ich muss die wichtigsten Sachen lernen, aber manche Dinge sind so kompliziert, dass du dir unmöglich alles merken kannst", wird der Williams-Pilot von auto motor und sport zitiert. Der Brasilianer sieht in Singapur neue Risiken auf die Piloten zukommen: "Was passiert, wenn die hinteren Bremsen zu heiß werden? Bisher bekam ich von der Box die Warnung, dass ich die Bremsbalance nach vorne justieren soll. Jetzt riskiere ich einen Unfall, weil ich keine Information darüber bekomme."

Ähnlich viel Unverständnis schlägt der FIA von der anderen Seite der Boxenmauer entgegen. Viele Verantwortliche sind nicht begeistert darüber, dass sie ihren Fahrern nichts mehr über den Zustand des Autos berichten dürfen – was durchaus gewisse Risiken mit sich bringen könnte: "Bislang haben wir den Fahrern drei bis vier Mal pro Runde Motoreinstellungen durchgegeben. Wenn diese komplizierten Antriebseinheiten zur falschen Zeit im falschen Modus laufen, kann leicht ein Schaden entstehen", wirft etwa Lotus-Einsatzleiter Alan Permane gegenüber auto motor und sport ein.

Und auch Williams-Technikchef Pat Symonds hält die Regel nicht für gut durchdacht und erklärt es anhand eines Beispiels: "Der Fahrer muss in der Auslaufrunde nach dem Rennen die Batterie in einen bestimmten Ladezustand bringen, damit sie transportfähig ist. Ist der Ladezustand zu hoch oder zu niedrig, reduziert das die Lebensdauer der Batterie. Wir haben bisher den Fahrer daran erinnert. Vergisst er es, müssen wir die Batterie ausbauen und extern laden. Das dauert Stunden. Wenn wir innerhalb von sieben Tagen zwei Rennen haben, verpassen wir den Transport."

Größere Displays im Vorteil

Die einzige Chance: Den Piloten Informationen auf dem Lenkrad-Display mitteilen, doch das birgt seine eigenen Gefahren, wie Sauber-Teammanager Beat Zehnder weiß. "Das könnte ihn ablenken. Der eine oder andere Fahrer ist damit vielleicht überfordert und landet in der Mauer", sagt er. Hinzu kommt, dass einige Team keine großen Displays auf dem Lenkrad haben - so wie Force India, Lotus, Red Bull Racing oder Williams. Bei ihnen gibt es lediglich kleine Digitalanzeigen.

"Wir haben diese Anzeigen so programmiert, dass die wichtigsten Dinge wie Benzinverbrauch oder Ladezustand dort aufscheinen. Aber der Fahrer muss selber durchscrollen, das lenkt ab", kritisiert Symonds. Nachrüsten will sein Team aber vor der Saison 2015 nicht mehr. Erst dann könnten Felipe Massa und Valtteri Bottas auf ein größeres Display zurückgreifen. Deswegen ärgert den Briten auch der Zeitpunkt des Funkverbots: "Wir hätten damit wenigstens bis 2015 warten können, dann hätten sich alle in Ruhe darauf vorbereiten können."

Am Donnerstag stand für 16 Uhr Ortszeit ein Meeting mit Renndirektor Charlie Whiting auf dem Programm, um über die neue Regelung zu diskutieren. Erfolg versprachen sich die Teamverantwortlichen davon aber nicht: "Es sieht ganz danach aus, als wollten sie das durchziehen. Ich glaube nicht, dass sich Charlie auf lange Diskussionen einlassen wird", sagt Force Indias Teammanger Andy Stevenson.

Profitiert Rosberg im WM-Kampf?

Somit werden die Fahrer in Singapur noch mehr auf ihren Renninstinkt vertrauen müssen. Nico Rosberg sieht sich dadurch im WM-Kampf gegen Hamilton wieder im Vorteil, weil er über strategische Elemente nun alleine entscheiden muss: "Es gab zum Beispiel dieses Rennen in Barcelona. Immer, wenn ich meinem Motor mehr Boost gegeben habe, haben Lewis' Ingenieure ihm gesagt, er soll dasselbe tun. Deshalb hatte ich kaum eine Chance ihn zu schnappen. Das war schade, weil es nicht allein in meiner Hand lag."

Jetzt hätte Hamilton diese taktische Möglichkeit nicht mehr, was allerdings andersherum auch für Rosberg gilt. Doch auch Ex-Designer Gary Anderson ist der Meinung, dass Hamilton stärker vom Verbot betroffen ist. "Lewis hat bislang um mehr Ratschläge via Boxenfunk gebeten", erklärt der nunmehrige TV-Experte, "während Nico im Auto selbstständiger wirkt und mehr mitdenkt." Doch der WM-Zweite macht sich keine Sorgen: "Es wird jetzt zwar etwas schwieriger, was die Strategien angeht. Im Kart hatten wir aber auch keine Daten – und ich war trotzdem schnell." Die endgültigen Auswirkungen des Funkverbots wird man wohl erst in der Praxis sehen.

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