
LMS: Spa-Francorchamps | 09.05.2010
Wasser und Strom
Unterbrechung wegen totalem Stromausfall - Alex Wurz auf Platz 4 gesamt - Lietz siegt in der GT2, Kraihamer Zweiter in der Formula Le Mans.
Johannes Gauglica
Wir erinnern uns: Dieses Rennen war für die zwei großen Werksteams lediglich eine Vorbereitung auf Le Mans. Es ging nicht umd Gewinnen, nur um das Sammeln von Daten. So betonten es sämtliche Beteiligten nach dem Training. Und dennoch war niemand überrascht, als Audi und Peugeot sich mit Gusto in ein hart umkämpftes Rennen schmissen.
Die erste Überraschung gab es unmittelbar vor dem Start: In der Formationsrunde begann es zu regnen. Erstes „Opfer“ war der Audi Nr. 8 mit Andre Lotterer am Steuer: Dreher und Einschlag in die Barriere, das gab eine zeitaufwändige Reparatur.
Der Oreca-Peugeot von Olivier Panis absolvierte eine harmlosere Pirouette, es sollte für das Team noch schlimmer kommen.
In Runde 4 genügte eine leichte Berührung des Rebellion-Lola von Jean Christophe Boullion, und der privat eingesetzte 908 HDi beendete sein Rennen in der Barriere bei Raidillon. Private Peugeot-Einsätze bringen ihren Teams kein Glück, siehe auch Pescarolo in Le Mans 2009.
Licht aus!
Eine Schrecksekunde gab es am Ende der ersten Stunde mit einem heftigen Crash (dem Vernehmen nach ein Einschlag mit 7G Fliehkraft!) von Thor-Christian Ebbesvik mit dem Bruichladdich-Ginetta LMP2 nach einer Rempelei mit einem GT-Auto. Das brachte das Safety-Car wieder auf die Strecke. Die Audi-Crew Nr. 7 spielte die taktischen Karten am cleversten, alsbald hatte Allan McNish im R15 TDI einen satten Vorsprung von fast einer halben Runde.Wirklich verblüffend wurde die Situation in Spa dann, als rund um die Strecke – und in der gesamten Region - die Lichter ausgingen. Das Backup der Zeitnehmung ist auf zwanzig Minuten ausgelegt, danach musste das Rennen mit roter Flagge unterbrochen werden: Stromausfall! Der Peugeot Nr. 2 hatte just in diesem Moment eine Kollision mit einem LMP2 bei Blanchimont und kam an die Box, während die andere Autos auf der Zielgeraden unter Parc-Fermé-Bedingungen geparkt wurden.
Das belgische E-Werk tat sein Bestes, und alsbald ging das Rennen wieder los; es ging sich dann sogar die gesamte Distanz noch rechtzeitig bis zur „Sperrstunde“ um 18 Uhr aus. Audi war aerodynamisch mit dem Le-Mans-Setup unterwegs, gab also einiges an Downforce zugunsten höherer Top-Speeds auf; Peugeot hatte durch die Kurven einen größeren Vorteil.
Tolles Finish, Ergebnis mit Fragezeichen
Währned einer SC-Phase wurde der Audi Nr. 9 mit den "Leihfahrern" von Porsche aus der Entscheidung genommen; er kam zu einem unglücklich getimten Stop an die Box und wurde dann dort bei gesperrter Boxenausfahrt festgehalten - nur Platz 5.Und in der letzten halben Stunde gab es wieder großes Drama, denn es begann erneut zu regnen. Zunächst verzeichnete Tom Kristensen im zweitplatzierten Audi einen Rutscher, dann segelte Marc Gené im drittplatzierten Peugeot Nr. 1 ins Kiesbett – von dort konnte er sich wieder befreien, aber der Podiumsplatz war weg.
Kristensen machte sich dann nach einem Reifenwechsel (auf handgeschnittene Slicks) auf eine fulminante Aufholjagd. An der Spitze mühte sich Simon Pagenaud mit den Bedingungen ab; Bei Raidillon knallte er den Peugeot Nr. 3 mit Schwung von der Strecke, kam aber mit großer Kaltschnäuzigkeit und/oder Riesenglück flott wieder zurück auf die Strecke. Die letzten 20 Minuten standen im Zeichen der Jagd von Kristensen auf den führenden Peugeot, und von der Jagd des drittplatzierten Stephane Sarrazin auf den Audi.
Fünf Minuten vor Schluss komplettierte Sarrazin das Überholmanöver, damit gab es den Doppelsieg für Peugeot.
Fragezeichen über dem Ergebnis: Hat Pagenaud beim Überrunden zweimal gelbe Flaggen übersehen? Dazu droht Peugeot mit einem Protest gegen Audi wegen eines angeblichen Boxenstops bei gesperrter Boxengasse. Es gibt also wieder einmal ein Resultat mit Beigeschmack! Und wir erinnern uns nochmals: Es ging ja eigentlich um nichts...
LMP1-Benziner, LMP2, Formula Le Mans
Noch ein kurzes Wort zu den Benzin-Prototypen in der Klasse LMP1: Sie waren chancenlos. Außer bei Kollisionen und Ausritten war von ihnen praktisch nichts zu sehen.In der LMP2 verabschiedete sich der Favorit de facto schon im Warm-Up: Eigentümer Nick Leventis versenkte den HPD-Acura heckwärts in die Reifenstapel von Les Combes. Man musste aus der Boxengasse starten, lancierte eine starke Hetzjagd durchs Feld – und dann wiederholte Leventis seine Warmup-Darbietung. Man musste mangels Ersatzteilen w.o. geben.
Somit war zunächst das Team RML (bekannt auch als Chevy-Werksmannschaft aus der WTCC) mit dem Lola-HPD an der Spitze, bis auch dort nach einem Ausrutscher die Heckpartie getauscht werden musste. Auch das italienische Team Racing Box hat eine hohe Ersatzteilrechnungen zu erwarten: Einer der Lola-Judd war mit Unfall in der Raidillon ebenfalls schon zu Rennbeginn „erledigt“.
Die portugiesische Mannschaft Quifel-ASM (Miguel Amaral/Olivier Pla) mit dem Ginetta-Zytek, lieber zuverlässig als spektakulär, hatte alle Trümpfe in der Hand und entschied vor RML die Klasse für sich.
Die Teams der Formula Le Mans hatten es diesmal schwer; nur zwei Teams hielten sich in den Top 20. Die anfangs führende Mannschaft von Hope Polevision scheiterte an der Benzinpumpe im Oreca-Chevy; einige Zeit führte dann Dominik Kraihamers Auto Nr. 45. Am Schluss holten sich Wolfgang Kaufmann/Luca Moro/Steve Zacchia mit dem zweiten Auto von Hope Polevision doch recht klar den Sieg, Kraihamer/De Crem/Delhez werden Zweite. Bravo!
GT1
In der GT1 war alles klar in der Hand der Ford-Teams. Man fuhr in Spa mit der „balance of performance“, wie sie für diese Autos zu Beginn des Jahres noch vor dem ersten GT1-WM-Lauf in Abu Dhabi festgelegt worden ist. In der Zwischenzeit hat die FIA nachgebessert, die LMS jedoch nicht mitgezogen.Das belgische Team Marc VDS feierte einen schönen Sieg, und nach einem späten Ausritt des Saleen von Larbre Competition (diesmal in ungleich besserer Form als beim Auftakt in Paul Ricard) wurde es sogar ein dreifacher Erfolg für die V8-Boliden aus Schweizer Entwicklung – die beiden Autos von Matech Competition reihten sich auf den Plätzen 2 und 3 ein.
Dies trotz einigen Ärgers der „Besucher“ aus der GT1-WM mit der dort vorgeschriebenen Elektronik aus italienischer Fertigung. Beispielsweise lässt dieses System keinen Speed-Limiter für die Boxengasse zu – in heutigen Zeiten eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Für Le Mans haben alle Teams außer einem um eine Ausnahmeregelung angesucht, dieses einzige Team ist leider dagegen; somit wird die ungeliebte Elektronik auch bei den 24 Stunden eingesetzt.
Eine Stunde vor Schluss verwandelte ein Crash den Aston Martin DBR9 von Young Driver AMR zu Schrott; vor dem nächsten GT1-WM-Lauf in Brno am 22./23. Mai hat diese Crew eine Menge an Arbeit vor sich.
GT2
BMW hatte es diesmal besonders schwer; die weißen M3 waren in Rempeleien verwickelt, außerdem gab es Verwirrung bei einer Stop&Go-Strafe. Anstatt der eigentlich bestraften Nr. 78 wurde das Schwesterauto Nr. 79 aufgehalten… - das kostete dem zeitweise zweitplatzierten Team einige Zeit. Die Nr. 78 wurde später nochmals mit drei Minuten (!) bestraft, weil die Fahrer „die Streckenbegrenzung nicht respektierten“ – also in den Kurven über die Curbs zu aggressiv abgekürzt haben.Eine ähnliche Warnung (die die Frage aufwirft, ob ein 1000km-Rennen nach Meinung der Offiziellen wirklich ein Blumenkorso sein soll) erging auch an die Nr. 77, den Felbermayr-Proton-Porsche von Richard Lietz und Marc Lieb. Die beiden wurden nicht bestraft und setzten sich letztlich souverän durch: Sieg Nummer 2 für Lietz7Lieb und nach den doppelten Punkten von Le Castellet ein weiterer wichtiger Schritt in Richtung Titelverteidigung!
„Glück und Pech haben sich bei den Safety-Car-Phasen die Waage gehalten", sagt Richard Lietz, "ich bin froh, dass wir nicht in einen der vielen Unfälle verwickelt wurden. Manche sind gefahren, als gäbe es kein Morgen.“
Das Schwesterauto Nr. 88 fasste einen schlechten Reifensatz aus, der Zeit kostete; außerdem blieb man auch zu Beginn an der gesperrten Boxenausfahrt hängen. Ragginger/Long/Rried begnügen sich mit Platz 8 in der Klasse.
Um die weiteren Podestplätze wurde es in den letzten Minuten nochmals spannend: Tourenwagen-Maestro Andy Priaulx im BMW zeigte seine Sprintstärke, er hängte sich an die beiden auf P2 und 3 fahrenden Ferrari des AF-Corse-Teams. Am Ende entschieden fünf Hundertstel zugunsten Giancarlo Fisichella/Jean Alesi/Toni Vilander für Platz 3, unmittelbar hinter Jaime Melo/Gimmi Bruni auf Platz 2.
Der JWA-Porsche mit Niki Lanik & Co. wurde einige Male neben der Strecke gesichtet; am Ende kommt das Privatteam auf Platz 14 der Klasse nach Hause.
Jetzt beginnt bei den Teams und Fahrern die Vorbereitung auf die nächsten Rennen, sei es auf die bereits genannte GT1-WM in Brünn, oder auf die 24 Stunden von Le Mans am 12./13. Juni, oder auch auf das 24-Stunden-Rennen am Nürburgring nächstes Wochenende. Dort werden wir unter anderem auch Richard Lietz und Martin Ragginger am Start sehen und zwar mit dem Hybrid-Porsche. BMW bringt zwei Werks-M3, allerdings andere Fahrzeuge als die in Spa eingesetzten. Farnbacher-Ferrari reist sogar mit demselben F430 zum Nürburgring und wird dort wohl eine größere Rolle spielen als in Spa.