Tourenwagen-WM: China | 15.11.2011
Casino Grande beim Finale in Macau
Der Ausblick auf den großen WTCC-Showdown im Glücksspielparadies: Wer holt sich auf dem Guia Circuit von Macau den Titel in der Tourenwagen-WM?
Macau – diese fünf Buchstaben lassen das Herz jedes Rennfahrers höher schlagen. Inmitten der asiatischen Spielerstadt wartet der berühmt-berüchtigte Guia Circuit darauf, einmal pro Saison von den Piloten unter die Räder genommen zu werden. 6,117 Kilometer purer Wahnsinn – so könnte man die Rennstrecke in der ehemaligen portugiesischen Kolonie beschreiben. Ein würdiger Ort für das Saisonfinale der WTCC!
Wie üblich geht die Tourenwagen-WM in der chinesischen Sonderverwaltungszone nicht alleine an den Start, sondern teilt sich den spektakulären Guia Circuit wieder mit anderen Rennserien. In Macau steht die WTCC nicht unbedingt im Vordergrund, denn diese Rolle nehmen meist die Nachwuchsfahrer der Formel 3 ein. Der Macau Grand Prix gilt schon seit geraumer Zeit als Klassiker.
Bei den beiden finalen Sprintrennen der WTCC ist jedoch ebenfalls Hochspannung geboten: Mit Ausnahme der vergangenen Saison fiel die Titelentscheidung bisher stets in den Straßen der Casino-Hochburg. Das bevorstehende Ende des Rennjahres verleitet die Piloten in Macau mitunter ohnehin dazu, sogar noch etwas mehr zu wagen als üblich. Crashs in der Startrunde sind keine Seltenheit.
Motorsport hat in Macau Tradition
Dies liegt aber nicht zuletzt an der schwierigen Rennbahn, die den Fahrern auf über sechs Kilometern Länge einfach alles abverlangt – und das schon seit den 50er Jahren. Die Anfänge der Amateurrennen auf dem Guia Circuit datieren aus dem Jahr 1954. 1967 waren erstmals Motorräder mit von der Partie, ehe 1972 das erste Tourenwagen-Rennen über die Bühne ging. Elf Jahre danach luden die Veranstalter zum ersten Mal die besten Formel-3-Piloten ein, um die inoffiziellen WM dieser Nachwuchsklasse auszufahren. Bis heute pilgert die Crème de la Crème der Formel 3 nach Macau.
Das erste Formel-3-Rennen auf dem Guia Circuit entschied übrigens Ayrton Senna für sich. Der brasilianische Rennfahrer sollte schon kurz darauf auch in der Formel 1 für Furore sorgen, ist aber nicht der einzige prominente Sieger des Grand Prix in der Spielerstadt. Michael Schumacher nutzte die Formel 3 einst als Sprungbrett und drückte dem Macau Grand Prix 1990 seinen Stempel auf.
Ein Blick in die Siegerlisten von Macau
Im Jahr danach war David Coulthard nicht zu schlagen, mit Ralf Schumacher (1995), Ralph Firman (1996) und Takuma Sato (2001) waren noch drei weitere spätere Formel-1-Fahrer erfolgreich. In den Siegerlisten finden sich aber auch bekannte Tourenwagen-Größen wie Rickard Rydell (1992) oder Jörg Müller, der 1993 zum Formel-3-Sieg in Macau fuhr.
Der Deutsche ist übrigens der einzige Rennfahrer, der in jüngster Zeit sowohl in der Formel 3 als auch im Tourenwagen das oberste Siegertreppchen erklimmen konnte. Übertroffen wird Müller nur noch von John MacDonald: Der für Hong Kong fahrende Brite war in den 70er Jahre das Maß aller Dinge und siegte sowohl im Formelauto als auch im Tourenwagen und auf dem Motorrad!
Diese Leistung wurde bislang nicht wiederholt oder gar übertroffen; Mehrfach-Sieger gibt es aber auch in der WTCC: Seit 2010 hält Rob Huff (Chevrolet) den Rekord in dieser Kategorie: Der Brite fuhr 2008, 2009 und 2010 jeweils in einem Rennen als Erster über die Linie. Bei den Marken teilen sich BMW und Chevrolet mit je fünf Erfolgen den ersten Platz beim berühmten Stadtrennen.
Eine der schwierigsten Strecken überhaupt
Das "Monaco des Ostens" gilt als eine der anspruchsvollsten Strecken der Welt, die nicht nur durch ihre für einen Stadtkurs ungewöhnliche Länge besticht. In den neun Runden, welche die WTCC-Piloten auf dem Guia Circuit pro Lauf zurücklegen müssen, werden Mensch und Maschine enorm strapaziert. Neben einer sehr langen Vollgas-Passage am Hafen gibt es auch einen sehr kurvenreichen Mittelabschnitt in der Altstadt.
Kurzum: Macau bietet alles, was das Rennfahrer-Herz begehrt. Oder wie es Tom Coronel (BMW) ausdrückt: "Macau ist der schwierigste Kurs der Welt und die Nummer eins in unserem Kalender." Einmalig ist der Guia Circuit aber auch aufgrund seiner Streckenführung, die sowohl die schnellste Kurve (Mandarin) als auch die langsamste (Melco) der gesamten Rennsaison beinhaltet.
Muller vs. Huff: Wer macht das Rennen?
In der WTCC gehen schon mal die Rückspiegel verloren, wenn sich die Fahrer dem Limit und dabei auch den Leitplanken nähern. Eine Fahrt in Macau ist eben ein großer Balanceakt, den es bei einem Starterfeld von über 25 Rennwagen erst einmal zu meistern gilt. Als Gaststarter versuchen sich diesmal André Couto (Seat), Filipe de Souza und Kuok Io Keong (beide Chevrolet) sowie Mak Ka Lok, Charles Ng und Jo Rosa Merszei (alle BMW). Bei Wiechers ersetzt der Kanadier Gary Kwok kurzfristig Colin Turkington; alle BMW 320 TC bekommen 20 kg an Erfolgsgewicht zugeladen und sind somit wie die Chevrolet Cruze 1.6T mit dem Maximum von +40 kg unterwegs.
Für zwei Piloten hat dies am Wochenende eine ganz spezielle Bedeutung: Yvan Muller und Robert Huff fechten auf dem Guia Circuit untereinander aus, wer als Tourenwagen-Weltmeister 2011 in die Geschichtsbücher eingeht. Die Trumpfkarten scheint Muller in der Hand zu haben, denn bei 20 Punkten Rückstand muss sich dessen Rivale schon gewaltig strecken, um den amtierenden Champion noch abzufangen. Gleichwohl gilt in Macau mehr als irgendwo sonst: Nichts ist unmöglich.
"Schauen wir einmal, was passiert", sagt Huff vor der Titelentscheidung. Er werde Muller bis zuletzt einen heißen Tanz bieten. "Wir geben sicherlich nicht auf. Ich freue mich auf meine Lieblingsstrecke. Dort bin ich in den vergangenen Jahren stets auf der Pole Position gestanden." Muller gibt sich indes bedeckt: "Ich denke noch nicht an die Meisterschaft. Es spielt jetzt keine Rolle, wie groß mein Vorsprung ist."
Die Privatierwertung ist heiß umkämpft
Kristian Poulsen (BMW), der Führende in der Privatierwertung, darf sich ebenfalls noch nicht zu sicher fühlen. Dem Dänen sitzen in Macau gleich vier Konkurrenten im Nacken, auch wenn Poulsen dank seiner 127 Punkte gegen Norbert Michelisz (BMW/104), Michel Nykjær (Seat/98), Franz Engstler (BMW/97) und Javier Villa (BMW/92) die besten Aussichten auf den Titelgewinn bei den Privatfahrern hat.
Doch Vorsicht: Insgesamt sind in Macau noch 43 Punkte zu holen. Beim Saisonfinale werden seit jeher doppelte Zähler vergeben, überdies bringen auch die Pole Position und die beiden schnellsten Rennrunden jeweils einen Punkt. Entschieden ist indes bereits, dass Chevrolet (Hersteller) und Engstler (Independents) die jeweiligen Teamwertungen vorzeitig gewonnen haben.
Die Aufmerksamkeit ruht an diesem Wochenende daher voll und ganz auf dem Abschneiden der Anwärter auf die Meistertitel in den beiden Fahrerwertungen der WTCC. Und nach einhundert – hoffentlich aufregenden – Rennkilometern verabschiedet sich die Tourenwagen-WM in die Winterpause. Daran werden die Protagonisten auf dem Guia Circuit aber garantiert keinen Gedanken verschwenden ...
Fakten zum Rennwochenende in Macau
Streckenlänge: 6,117 Kilometer
Renndistanz: Zwei Rennen à neun Runden
Die Sieger in Macau, 2005 bis 2010
2005: Augusto Farfus (Alfa Romeo), Duncan Huisman (BMW)
2006: Andy Priaulx (BMW), Jörg Müller (BMW)
2007: Alain Menu (Chevrolet), Andy Priaulx (BMW)
2008: Alain Menu (Chevrolet), Rob Huff (Chevrolet)
2009: Rob Huff (Chevrolet), Augusto Farfus (BMW)
2010: Rob Huff (Chevrolet), Norbert Michelisz (Seat)
Rundenrekorde
Qualifikation: 2:30,285 – Alain Menu (Chevrolet, 2008)
Rennen: 2:32,076 – Tiago Monteiro (Seat, 2009)
Der Zeitplan in der Übersicht (MEZ)
Donnerstag, 17. November 2011
6:50 - 7:20 Uhr ... Testsession
Freitag, 18. November 2011
1:30 - 2:00 Uhr ... 1. freies Training
5:15 - 5:45 Uhr ... 2. freies Training
8:25 - 8:55 Uhr ... Qualifikation (Q1)
9:00 - 9:15 Uhr ... Qualifikation (Q2)
Sonntag, 20. November 2011
1:15 - 1:30 Uhr ... Warmup
4:10 - 4:35 Uhr ... Rennen 1
5:30 - 6:00 Uhr ... Rennen 2