Rallye-WM: Exklusiv | 18.12.2006
Raimund Baumschlager im Gespräch mit motorline.cc
Raimund Baumschlager erklärt in einem Gespräch mit motorline.cc, warum man Andreas Aigner nicht beim neuen OMV Kronos Citroen-Team unterbringen wollte.
Michael Noir Trawniczek
Manfred Stohl und Andreas Aigner als Teamkollegen - ein Modell, welches die heimischen Medien verzückt hätte. Erstklassiges Futter wäre das gewesen, Marke "Formel Austria". Der Erfahrene und der Youngster - es wird die gleiche Sprache gesprochen und an einem Strang gezogen. Zwei blaue Boliden - einer in den OMV- der andere in den Red Bull-Farben. Weit hergeholt? Reines Wunschdenken?
Mitnichten - in einem am Samstagvormittag geführten motorline.cc-Exklusivinterview verriet Manfred Stohl, dass dieses Modell nicht nur im Raum stand, sondern auch ganz konkret verhandelt wurde. "Ich hätte das sehr toll gefunden und ich hatte auch das Gefühl, dass es zu dieser Lösung kommen wird", sagte Stohl. Für ihn sei es sogar "ziemlich überraschend gewesen, dass Andi dann doch nicht mein Teamkollege wurde - ich weiß nicht, warum es nicht dazu gekommen ist", erklärte der Wiener.
Naheliegend wäre wohl die Vermutung, dass es, wie so oft, am "lieben Geld" gelegen hat. An unterschiedlichen Preisvorstellungen oder diversen Vertragsparagraphen, die ein unüberwindbares Hindernis dargestellt haben. Doch: Nichts dergleichen ist der Fall.
Raimund Baumschlager, der gemeinsam mit dem deutschen Rallye-Ass Armin Schwarz für die Red Bull-Ausbildung von Andreas Aigner verantwortlich zeichnet, erklärte gegenüber motorline.cc, warum man Aigner nicht zu "Stohlito" ins Team setzen wollte und ihn stattdessen mit einem Mitsubishi Evo IX auf den Titel in der seriennahen P-WRC ansetzt.
Negativbeispiel Hirvonen
Raimund Baumschlager: "Der Grund für unsere Entscheidung ist recht einfach zu erklären: Der Andreas wäre neben dem Manfred Stohl untergegangen. Der Andi ist unserer Meinung nach noch nicht so weit, dass er eine volle Saison in einem Topteam, mit dem Weltmeisterauto, neben einem erfahrenen und anerkannt schnellen Mann fahren kann, ohne dabei Schaden zu erleiden. Man braucht sich nur anzusehen, wie es dem Mikko Hirvonen ergangen ist, den hat man zu früh in ein Topteam gesetzt - 2004 bei Subaru, neben Petter Solberg. Wir wollten den Andreas nicht verheizen."
"Ab der 3. Rallye hätte man Top 5-Plätze erwartet"
Baumschlager fügt hinzu: "Und es wäre dann so gekommen, dass man dem Andi nicht lange Zeit gegeben hätte - spätestens nach der dritten Rallye hätte man von ihm Podestplätze oder zumindest Top 5-Platzierungen verlangt. Man hätte gesagt: 'Der sitzt doch im Weltmeisterauto, in dem Team, das 2006 den Weltmeister stellte, der muss doch weiter vorne sein!' Und so wäre Andi jedes Mal unter den Erwartungen geblieben. Währenddessen hat er nun erstmals ein klares Ziel gesteckt bekommen, nämlich den Titel in der P-WRC zu erobern. Das ist sicher kein leicht zu erreichendes Ziel, denn diesen Titel wollen viele Fahrer einheimsen."
Eine zusätzliche Erschwernis wird sein, dass Aigner nur zwei der sechs Strecken kennt, welche in der P-WRC gefahren werden.
Baumschlager: "Ja, das stimmt natürlich. Zugleich ist das auch wiederum einer der Gründe, warum wir uns für diese Variante entschieden haben. Denn so lernt Andi weitere Strecken kennen - und schließlich geht es in seinem dritten Lehrjahr auch darum, möglichst viel zu fahren und möglichst viel zu lernen."
Aigner wird vorerst keinen Teamkollegen im Red Bull Rallye Team zur Seite haben, das Team ist wie im Vorjahr wieder die Crew von Baumschlager, also das Baumschlager Rallye Racing-Team. Neben den sechs P-WRC Läufen sind derzeit zwei weitere Rallyes vorgesehen, darunter auch der Saisonauftakt in Monte Carlo. Danach aber werde man "schauen, was man tun kann - natürlich möchten wir möglichst viele Läufe bestreiten", sagt Baumschlager. Bei Kronos hätte das zur Verfügung stehende Budget auch nur für zehn Rallyes gereicht - für Baumschlager ein weiteres Argument in Richtung P-WRC.
Dass diese Entscheidung von manchen hinterfragt oder kritisiert werden könnte, ist Baumschlager klar: "Wenn manche nun sagen, dieser Schritt sei ein Rückschritt - sicher kann man es auch so betrachten, rein von der Autoklasse her ist es auch so. Aber es geht auch darum, dass Andreas schrittweise an das Ziel herangeführt wird, dass er in der Rallye-WM dann eine Saison in einem WRC bestreiten kann. Und er selbst sieht es auch so, dass diese Lösung die für ihn beste ist, die man in der geringen Zeit umsetzen konnte."
Spitzenplätze als Motivation
Und: "Zudem denken wir, dass es für den Andreas auch motivierend ist, wenn er um Siege, um Podestplätze und letztlich um den Titel fahren kann. Dabei soll er auch lernen, mit dem Kopf zu fahren, also auch taktisch zu agieren. Dass man eben nicht immer um den Sieg kämpfen muss und es ach einmal Sinn macht, sich mit dem zweiten oder dritten Platz zu begnügen und es wenig Sinn macht, wenn man voll angreift und dann einen Ausfall produziert. Denn eines ist schon klar: Bei sechs Läufen ist es wichtig, dass man jedes Mal in die Punkteränge fährt."
Für Baumschlager wäre der Titel in der P-WRC der krönende Abschluss der dreijährigen "Lehrzeit", die Andreas Aigner im Rahmen der Red Bull-Fahrerförderung absolviert.
Baumschlager: "Eines muss ich schon noch dazusagen: Es gibt zwar die Vorgabe, den Titel zu holen - aber es wird dem Andi niemand den Kopf abreißen, wenn er es nicht schaffen sollte."