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ERC: Rally di Roma Capitale

Ein Wochenende zum Abhaken für Wagner

Simon Wagner kämpfte wie ein Löwe, blieb mit null Punkten allerdings unbelohnt: Einbruch ins Besichtigungsauto, dann Bremsversagen.

Fotos: Josef Petru

Beim dritten Lauf der Junioren-EM 2018 ging für Simon Wagner und Gerald Winter in der vergangenen Woche so ziemlich alles schief, was schiefgehen kann. Zuerst wurde das Besichtigungsfahrzeug des österreichischen Duos in der italienischen Hauptstadt Rom aufgebrochen und vollständig ausgeräumt, dann beendete ein Bremsversagen die Rallye, die es bis dahin in der Klasse angeführt hatte, bereits auf der dritten Sonderprüfung.

Mit den Test- und Einstellfahrten am vergangenen Montag begann die Woche für Simon Wagner und Beifahrer Gerald Winter zunächst verheißungsvoll. Voll motiviert und in Zusammenspiel mit dem Peugeot-Team Saintéloc erarbeitete Wagner ein perfektes Setup für die anspruchsvollen Sonderprüfungen in der Region Fiuggi in Mittelitalien. Entsprechend gut lief auch die sogenannte Qualifying Stage am späten Donnerstag Nachmittag, bei der die Prioritätsfahrer der EM um die Startpositionen für die erste Etappe kämpfen.

Nur 0,023 Sekunden hinter der 2WD-Bestzeit des Letten Martins Sesks erkämpften sich Wagner und Winter die zweite Startposition und schufen sich damit eine optimale Ausgangslage für die anstehenden rund 200 Wertungskilometer. "Ich war mit dem Setup wirklich extrem zufrieden. Das Auto lag perfekt, und obwohl die Streckenführung des Qualifyings eher dem Opel Adam der Konkurrenz entgegenkam, konnten wir ohne großes Risiko mit der Spitze mitgehen", so Wagner.

Am Freitag folgte dann die große Ernüchterung: Nach der morgendlichen Besichtigung der beiden Zuschauersonderprüfungen in Ostia und Rom verbrachten Wagner und Winter die Mittagszeit gemeinsam mit ihren Teamkollegen von Saintéloc, Catie Munnings (GBR)/Anne Katharina Stein (GER) und Miika Hokkanen (FIN)/ Reeta Hämäläinen (FIN), in einem Restaurant nahe der Super Special Stage "ACI Roma Arena" in der Innenstadt von Rom. Als die sechs Junioren zu ihren Besichtigungsfahrzeugen zurückkehrten, um sich zum Zeremonienstart zu begeben, folgte der Schock: Bei den Fahrzeugen von Wagner und Hokkanen war auf der Fahrerseite jeweils die Seitenscheibe eingeschlagen worden.

Ein Blick in Fond und Kofferraum von Wagners Fahrzeug bestätigte die schlimmsten Befürchtungen, restlos alles war gestohlen worden. "Mir fehlen noch immer die Worte", berichtet Wagner. "Unsere Autos standen auf einem gut einsichtigen Parkplatz mitten in der Stadt. Auf den Gebäuden rundum waren mehrere Kameras angebracht. Mein Laptop, meine Kamera, unsere feuerfeste Unterwäsche sowie die von Anne, deren Rennoverall, Beifahrertasche und die Beifahrertasche von Gerald lagen im Kofferraum. Auf der Rücksitzbank hatten wir noch einen Sechserträger Wasser liegen. Einfach alles – bis hin zum Wasser – war verschwunden."

Anstelle sich also wie alle anderen Teilnehmer zum Zeremonienstart zu begeben, verbrachte das Saintéloc-Juniorteam den Nachmittag auf einer nahegelegenen Polizeistation. Mit Zustimmung der Stewards durften Wagner/Winter und ihre Teamkollegen den eigentlich obligatorischen Zeremonienstart auslassen. Bei der "Roma Parade", einer Showfahrt durch Rom, steuerten Mechaniker des französischen Saintéloc-Teams die Fahrzeuge der drei Crews.

Unterdessen machte sich Teamchef Vincent Ducher im Eiltempo vom ca. 100 km entfernten Fiuggi auf den Weg nach Rom, um noch pünktlich zum Start der ersten Sonderprüfung die Ersatzbekleidung herbeizuschaffen, während andere Teammitglieder die nähere Umgebung in der Hoffnung absuchten, die Diebe hätten sich der für sie nutzlosen Gegenstände bereits entledigt. Allen Widrigkeiten zum Trotz markierte Simon Wagner wenige Stunden später auf der ersten Zuschauersonderprüfung "ACI Roma Arena" die Bestzeit in der Juniorkategorie. Auf 1,8 km fuhr er dabei auf die Sekunde zeitgleich mit Sesks.

"Zugegeben: Nach den Vorkommnissen des Nachmittags hatte ich einfach Wut im Bauch, war aber zugleich auch unheimlich dankbar für all die Unterstützung, die wie erfahren haben. Da uns der Aufschrieb, also die Beschreibung der Wertungsprüfungen für die kommenden beiden Tage fehlte, waren wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht sicher, ob wir am nächsten Tag überhaupt an der Rallye teilnehmen können. Ohne die Ansagen des Beifahrers, der mir aus dem Aufschrieb die Radien der folgenden Kurven vorgibt, kann man keine Rallye auf einem hohen Niveau fahren.", erklärt Wagner. "Umso wichtiger war es mir, bei dieser Sonderprüfung unser Potential aufzuzeigen."

Da die Besichtigung der Sonderprüfungen streng limitiert ist und bereits abgeschlossen war, erwies es sich als einziger Ausweg, den Aufschrieb auf Grundlage der Videos der Besichtigung neu zu schreiben. "Natürlich ist das nicht optimal.", berichtet Beifahrer Gerald Winter. "Auf dem Video, das wir vom zweiten Durchgang der Besichtigung erstellten, hört man zumindest leise die 'Noten', die Simon mir im ersten Durchgang diktiert hat und die ich nun zur Kontrolle und Korrektur vorlese. Eben diese Ansage habe ich vom Video mitgeschrieben und so mehr oder weniger die halbe Nacht verbracht.", so Winter weiter.

"Spätestens bei der zweiten Besichtigungsdurchfahrt setzen sich Beifahrer im Normallfall Zeichen innerhalb des Aufschriebs, um später im Renntempo zu wissen, welche Passagen schnell, zusammen oder langsam angesagt werden müssen. Auf solche Zeichen mussten wir und unsere betroffenen Teamkollegen [Munnings/Stein; Anm.], die ebenfalls die Nacht mit der Rekonstruktion des Aufschriebs verbrachten, nun verzichten", beschreibt Gerald Winter die erneuten Vorbereitungen.

Als besonders schwierig erwies sich für Wagner und Winter, dass mit dem Laptop auch eine der Speicherkarten mit den Besichtigungsvideos gestohlen wurde. Für die betroffenen Sonderprüfungen erhielten die Junioren daher aus Sicherheitsgründen die Genehmigung der Stewards, am Morgen vor der jeweiligen Etappe noch einen weiteren Besichtigungsdurchgang zu absolvieren. "Nachdem das ganze Team so viel Energie investiert hatte, um einen Start am Samstag noch irgendwie möglich zu machen, war ich besonders motiviert. Auf der SP 2 fühlte ich mich rundum wohl und habe trotz der Unsicherheiten mit dem Aufschrieb einen guten Rhythmus gefunden", so Wagner.

Als Konsequenz lieferten Wagner/Winter eine weitere Bestzeit ab und übernahmen nun nicht nur die alleinige Führung bei den Junioren und in der 2WD-Wertung, sondern verdienten sich auch den Respekt ihrer Mitstreiter, die bereits am Vortag in großer Anzahl ihre Hilfe zur Beschaffung von Ersatzbekleidung und anderen benötigten Materialien angeboten hatten. Nach dem Hoch folgte bereits auf Sonderprüfung 3 das bittere und vor allem endgültige Aus für das zu diesem Zeitpunkt bereits einzig übergebliebene österreichische Team.

In einer schnellen Rechtskurve versagte die Bremse von Wagners Peugeot 208 R2, und das Fahrzeug verzögerte nicht genügend, um die darauffolgende enge Linkskurve noch zu schaffen. Beim daraus resultierenden Streifen einer Felswand blieben Fahrer und Beifahrer zwar unverletzt, am Peugeot 208 R2 brach jedoch die Radaufhängung. "Diese Woche war einfach nicht unsere. Ohne Ankündigung hatte ich plötzlich nur noch etwa 30% Bremsdruck und keine Chance, den Einschlag zu verhindern. Was genau passiert ist, muss das Team in der Werkstatt noch analysieren. Es ist einfach frustrierend – nach allem, was wir hinter uns gelassen hatten – mit einem mechanischen Problem auszufallen, aber leider gehören solche Momente genauso zu unserem Sport wie Siege", erklärt Wagner.

Die nächste Chance auf einen fast schon überfälligen Sieg in der Juniorenwertung der Europameisterschaft hat Simon Wagner bereits in vier Wochen bei der Czech Rally Zlín. Der tschechische EM-Lauf ist der einzige, den Wagner bereits kennt und bei dem er bereits mit Topzeiten und einem 2WD-Podestplatz im Vorjahr aufzeigen konnte. Da die Zlín-Rallye nicht nur zur EM, sondern auch zur tschechischen Meisterschaft zählt, trifft Simon Wagner in Zlín nicht nur auf die gewohnte Konkurrenz aus der Rallye-EM, sondern auch auf Bruder Julian Wagner. Dass sich die Brüder nicht nur gegenseitig unterstützen, sondern auch pushen, haben beide erst vor wenigen Wochen bei der Rally Bohemia deutlich gemacht. Spannung ist also bereits vorprogrammiert. Dass weitere Zwischenfälle ausbleiben, kann man dabei nur hoffen.

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