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Die “Grande Dame”mag es hart

Dieser historische Bolide will hart genommen werden – ein Tracktest zwischen leidenschaftlichem Fahrgenuss und der Bremse im Kopf, schließlich gibt es vom Werks-Lancia Delta Intergrale 8V nur noch wenige Exemplare weltweit…

Michael Noir Trawniczek
Fotos: Dirk Hartung/Agentur Autosport.at

Ein strahlend schöner Tag – das Ziel ist das Driving Center auf dem Gelände des Red Bull Rings. Dort warten Gerhard und Martin Karlhofer, ein Vater/Sohn-Gespann, das sich der Restaurierung alter Lancia-Modelle verschrieben hat – zum großen Teil Serienautos, aber auch Rennboliden.

Vater Gerhard ist schon 1978 bei Gabi Husar als Mechaniker eingesprungen, ein Jahr später begann er mit dem Aufbau des Mitsubishi Werksteams in Österreich, zehn Einsätze in der Rallye-WM wurden absolviert, danach gründete er mit Josef Boruta eine Rallyeschmiede, wurde mit Georg Fischer Vizestaatstaatsmeister, später mit Franz Wittmann und Christoph Dirtl mehrmals Staatsmeister, ein Highlight war der Sieg von Wittmann bei der WM-Rallye in Neuseeland 1987, schon damals war das Fahrzeug ein Lancia.

Diese Marke hat es Karlhofer angetan, ihr blieb er bis heute treu: Gemeinsam mit Sohn Martin verhilft er in einer großen Halle ergrauten Lancias zur Auferstehung. Auch der Sohn trägt das Motorsportvirus in sich, im Jahr 2000 erzielte er im Kartsport erste Erfolge, kürte sich zum Vize-Europameister.

Bei der „Red Bull Rally Driver Search“ 2004 wurde er Dritter hinter Andi Aigner und Quirin Müller, ein Jahr später setzte er sich bei einer Sichtung von Opel gegen 19.000 Bewerber durch, startete als Werksfahrer bei den 24 Stunden vom Nürburgring, später war er auch für VW im Einsatz, zuletzt gab es diverse Einsätze in der GT Open Serie.

„Die Rennfahrerkarriere steht nicht im Vordergrund – wenn sich etwas ergibt, dann fahre ich, wenn nicht, dann eben nicht“, sagt Karlhofer junior, als wir uns dem Hauptdarsteller des heutigen Nachmittags nähern.

20 Jahre unberührt

Die „vollwertige Lanze“ glänzt in der Nachmittagssonne und wartet darauf, endlich gezündet zu werden. Doch es handelt sich nicht um irgendeinen Lancia Intergrale, sondern um eines von nur noch wenigen bestehenden Werksautos, einem Gruppe A-Boliden, mit dem früher Franz Wittmann fuhr, zuletzt wurde damit Christoph Dirtl 1991 Staatsmeister der Gruppe A.

Bei Dirtl verbrachte der Wagen die nächsten zwei Jahrzehnte Gerhard Karlhofer erzählt: „Das Auto stand in einem Gebäude und wurde von niemandem angegriffen, so hat es natürlich Rost angesetzt, und zwar in jeder Ecke. Jedes technische Teil musste revidiert werden, das Auto war in einem wahnsinnig schlechten Zustand.

Vor fünf Jahren haben wir es erworben, wir haben immer nebenbei daran gearbeitet. Vor zwei Jahren war es fertig, zunächst haben wir es nur ausgestellt, 2010 zum Beispiel auf der Racingshow.“

Zuletzt war das Auto bereits fahrbereit, doch es fehlte eine Bremsmanschette – das Beschaffen der Originalteile kann mitunter zur Detektivarbeit ausarten, verrät Karlhofer: „Wir haben überall gesucht, alle unsere Kontakte eingebracht, wir probierten sogar, selber eine Manschette zu bauen.“ Als man nach zwei Jahren endlich fündig wurde, kam es zum langersehnten ersten Funktionstest, Martin erinnert sich: „Wenn du das erste Mal rausrollst und es funktioniert alles, ist das schon ein erbauendes Gefühl.“

Einen richtigen Rollout gab es bislang nicht, den dürfen wir heute gemeinsam mit Vater und Sohn Karlhofer unternehmen. Zunächst setzt sich Martin ans Steuer, wir beobachten vom Sozius aus. Der Zweiliter 8V-Motor („Die Werksautos wurden dann alle auf 16V umgebaut, unserer ist noch aus der ersten Generation, da gibt es nur noch sehr wenige auf der ganzen Welt“) wird gezündet – Karlhofer beginnt den Test sachte, um sich dann zu steigern. Je schneller der Pilot fährt, desto mehr gerät der Lancia ins Jubilieren. Karlhofer schwärmt: „Der Lancia ist das alte ehrliche Auto, wo man alles hört, alles riecht – ein Auto mit Leidenschaft.“

Langsam & zart mag sie gar nicht

Wovon wir uns nun selbst überzeugen dürfen, Martin nimmt auf dem Sozius Platz. Die spartanische Inneneinrichtung des Boliden, ganz ohne elektronische Fahrhilfen, erinnert daran, dass es hier, an diesem Arbeitsplatz von Wittmann und Co um das Wesentliche ging: Das Auto möglichst schnell zu bewegen. Ein kurzer Tritt auf das Gaspedal und schon röhrt der Vierzylindermotor auf wie eine gefährliche Raubkatze. Ungewohnt ist die Schaltung – Karlhofer sagt: „Du musst die Gänge richtig hart reinklopfen, der Lancia will keinesfalls zart bedient werden.“

Jedes Schalten quittiert das Abarth-Fünfganggetriebe mit einem lauten Krachen, wie bei einem Feuerwerk, schließlich sind es auch rund 300 feurige Pferdestärken, die hier am Werk sind. Die Beschleunigung ist beeindruckend, doch der Wagen ruckelt, röchelt, benimmt sich wie eine zickige Diva, spuckt Gift und Galle. Karlhofer sagt: „Der Lancia ist das langsame Fahren nicht gewöhnt, er will schnell bewegt werden.“

Da wir uns jedoch langsam steigern, auch um die Schotterreifen auf Asphalt auszuloten, müssen wir erst noch den Grant der „Grande Dame“ über uns ergehen lassen. „Auf Slicks hättest du lange Zeit die maximale Haftung, die dann jedoch plötzlich abreißen würde – mit den Schotterreifen bist du schneller am Rutschen, kannst es aber hier auf dem winkeligen Kurs leichter einschätzen“, erklärt mir Karlhofer.

Wir steigern das Tempo – und plötzlich wird die spuckende und ruckelnde alte Lady geschmeidig, jedes grobe Schaltmanöver dankt sie mit einem lauten Karacho, in den Kurven kommt das Heck ein wenig, die Lenkung ist direkt wie bei einem Kart, jetzt macht es Spaß, da und dort geht es noch schneller – doch halt!

Nur ein einziger, kurzer Gedanke an den Wert dieses Autos zügelt unweigerlich den Spieltrieb, und das ist gut so. Auf der Links3 nach der Kuppe kommen wir kurz von der Fahrbahn ab, dort ist glücklicherweise nur ein Stück Wiese, doch der Schuss vor den Bug zeigt Wirkung.

1.000 Stunden Arbeit

Schließlich steckt in dem Auto nicht nur viel Geld, sondern noch sehr viel mehr liebevolle Aufbauarbeit. Gerhard erzählt: „Es gibt eine Richtformel, wonach so eine Restauration rund 1000 Stunden benötigt, bei uns waren es wohl ein bisschen mehr.“

Dazu gehört die Beschaffung der Originalteile – das betrifft sowohl Renn- als auch Serienautos, zwei Serien-Lancia werden von dem Vater/Sohn-Duo in jedem Jahr aufgebaut: „Am Beginn steht eine umfangreiche Internetrecherche. Die Kunden wollen Serienautos, die wir komplett neu aufbauen.

Wir haben immer ein paar Autos in der Halle stehen – um sie zu finden, muss man mittlerweile schon sehr weit fahren, in den Süden, oder noch weiter, mit dem Flieger. Wir nehmen nicht jedes Auto - es muss zum Beispiel rostfrei sein.“ Weil Qualiät ihren Preis hat, gibt es einen Karlhofer-Lancia „nicht unter 50.000 Euro“.

Doch Lancia mutierte längst zur Kult-Marke, deren Liebhaber kommen gerne in den Schauraum der Karlhofers, um fachzusimpeln oder einfach nur die Optik der Fahrzeuge zu genießen. Aus diesem Grund soll unser „Testwagen“ künftig auch unter die Leute gebracht werden: „Wir planen Einsätze als Vorausauto, wo man nicht alles geben muss und man nicht auf Zeit fährt, sondern einfach den Fans eine Show bietet.“

Womit die beiden voll im Trend liegen. Gerhard Karlhofer nickt: „Die Menschen wollen wieder die Autos mit Charisma sehen.“ Dieses Charisma auch im Cockpit des Kultboliden zu spüren, direkt hinter dem Volant, war ein Erlebnis der besonderen Art. Die Lanze traf mitten ins Herz.

Lancia Delta Intergrale 8V

Aufbau: 1988
Registration: A-LE-10
Original 8V Abarth (Stand 1988)
Motor: 1.995 ccm Reihenvierzylinder-Turbomotor
Leistung: 300 PS
Getriebe: 5 Gang Abarth
Fahrwerk: Suspensione Asphalt
Differenzial: Vorderachse Sperre + Ferguson,
Hinterachse starr
Felgen: Speedline 9x16 bzw. 7x15 (Schotter)

Der Karlhofer-Lancia startet bei der Austrian Rallye Legends (18. bis 20. September) - siehe News im Menü rechts oben.

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