RALLYE

  • Motorline auf Facebook
  • Motorline auf Twitter
ORM: Schneebergland-Rallye

Niki Mayr-Melnhof feiert grandiosen Premierensieg beim großen Schotter-Härtetest

Beim ultimativen Schotter-Härtetest im Schneebergland gelang Rallye-Quereinsteiger Niki Mayr-Melnhof der große Coup: Erster ORM-Sieg nach gerade einmal 1,5 Jahren Rallyesport.

Foto: Daniel & Dominik Fessl

Es war wohl eine der härtesten Schneebergland-Rallyes in der achtjährigen Geschichte dieser Veranstaltung - am vergangenen Samstag wurde auf den Schottenprüfungen rund um Rohr im Gebirge die heimische Rallyeszene auf harte Prüfungen gestellt. Und damit sind nicht nur die acht Sonderprüfungen gemeint, die es zu absolvieren galt. Sondern auch jene Ereignisse, die dort nahezu im Stundenrhythmus das Ergebnis auf den Kopf stellten - von der ersten Sonderprüfung an gab es Abflüge und auch Defekte zu verzeichnen, die wunderschön wilden Forstwege zeigten sich von ihrer ganz besonders rauen Seite und wurden so zum maximalen Härtetest für Mensch und Maschine…

Dass diese geschichtsträchtige Rallye für „Quereinsteiger“ Niki Mayr-Melnhof zu einem Schlüsselereignis, zur ultimativen „Rallye-Matura“ werden sollte, konnte man nicht erahnen. Seit rund 18 Monaten arbeitet Mayr-Melnhof an seiner Transformation vom internationalen GT-Rennfahrer, der zuletzt in der GT1-Weltmeisterschaft das Podium erklimmen konnte, zum Rallyefahrer auf Top-Niveau.

Warum er zwei Jahre vor seinem 40. Geburtstag diese Herausforderung gewählt hat, kann Niki Mayr-Melnhof nur vermuten: „Ich hatte immer schon eine Vorliebe für den Offroadsport, speziell jenen mit Motorrädern. Ich bin auch Enduro gefahren - als jedoch ein Freund von mir nach einem Unfall im Rollstuhl landete, habe ich das Bike verkauft und mich auf den Automobilrennsport konzentriert. Mein großer Traum wäre es, einmal die Rallye Dakar zu bestreiten - doch dazu bräuchte man ein professionelles Umfeld und sehr viel Vorbereitungszeit, wenn man es anständig umsetzen möchte.“

„Mein perfektes Umfeld“

Mit der gleichen Herangehensweise hat sich Niki Mayr-Melnhof auch in das „Haifischbecken“ der heimischen Rallye-Staatsmeisterschaft begeben: Als „Lehrmeister“ wählte er jenen Beppo Harrach, der in einer Dekade der absoluten Dominanz von Rekord-Staatsmeister Raimund Baumschlager diesen mit unterlegenem Material und sehr viel Knowhow schlagen konnte. Harrach ist ein messerscharfer Analytiker - und: Als Betreiber einer Rallyeschule beschäftigt er sich quasi von Berufs wegen damit, das gesammelte Wissen auch weiterzugeben. Denn: Knowhow zu haben bedeutet noch lange nicht, es auch vermitteln zu können. Bei Harrach findet er beides. Mayr-Melnhof sagt: „Beppo war von Anfang an genau der richtige Partner für mich. Das Vorjahr wurde von Anfang an als Lehrjahr definiert, der Speed wurde kontinuierlich gesteigert und ich habe seither wirklich bei jeder Rallye etwas dazugelernt und spüre auch jetzt noch so viel Potential, denn der Rallyesport ist dermaßen komplex, sodass man das Gefühl hat, man könne gar nie ausgelernt haben.“

Einen wesentlichen Beitrag zur steilen Lernkurve liefert auch der erfahrene und stets in sich ruhend wirkende Leopold Welsersheimb: „Poldi ist für mich ganz besonders wichtig - ohne Beppo, ohne Poldi und ohne die Jungs vom Team wäre ich nirgends, du kannst im Rallyesport nur als Team wirklich weiterkommen.“ Mayr-Melnhof wählte von Anfang an ein Rallyeauto der Kategorie R5 für seinen Quereinstieg - ein echtes Renngeschoss, dessen Abläufe sogar für gestandene Rallyepiloten gewöhnungsbedürftig sind. Für Mayr-Melnhof jedoch von der Fahrzeugbedienung her Alltag, schließlich sind auch die modernen GT-Boliden giftige Raketen, die mit sequentiellem Getriebe hochgeschossen werden und deren Cockpit nicht minder einem Raumschiff gleichen…

Ganz ähnlich wie einst Beppo Harrach bei seinem Staatsmeistertitel hat Niki Mayr-Melnhof für seinen „zweiten Racing-Bildungsweg“ einen Partner gefunden, der wie geschaffen für den Rallyesport scheint. Beim Anblick des knallgelb lackierten Boliden hatten wohl viele den Gedanken, warum man Österreichs größten Autozubehör und Ersatzteilanbieter nicht schon viel früher in den Rallyesport geholt hat. Niki Mayr-Melnhof erwähnt Martin Schmid Schmidsfelden: „Ich möchte mich beim gesamten Team für die großartige Unterstützung bedanken - speziell Martin hat sehr viel zu dieser Kooperation beigetragen.“ Hinter der Kampagne steckt ein professionelles Marketing-Team, der knallige Bolide wird auf der Firmenwebsite voller Stolz präsentiert. Niki Mayr-Melnhof lacht: „Den gelben Boliden kennt man mittlerweile - mich noch nicht so sehr.“ Das könnte sich nun sehr schnell ändern…

Der Schneebergland-Krimi: So kam es zum Premierensieg

Denn am vergangenen Wochenende spitzten sich die Ereignisse zu - die „Rallye-Matura“ tarnte sich zunächst als reiner Überlebenskampf - ganz so, wie es Niki Mayr-Melnhof seit der Waldviertel-Rallye 2015 schon so oft erlebt hat. Gleich am Samstagmorgen dezimierte sich die Spitze der Staatsmeisterschaft (ORM), als Niki Mayr-Melnhof dann aber nach der zweiten Prüfung Platz eins innehatte, waren zwar bereits zwei der überlegenen World Rally Cars aus demRennen, doch der regierende Staatsmeister Hermann Neubauer lag in seinem WRC hinter Mayr-Melnhof und auch auf der SP 3 „Biegelhof“ konnte Niki eine weitere Bestzeit markieren und dem Staatsmeister weitere 4,4 Sekunden abknöpfen. Nach einem Konter von Neubauer auf der vierten Prüfung lagen der Salzburger und Mayr-Melnhof vor dem Mittagsservice zeitgleich in Führung - dass er das überlegene WRC des Salzburgers am Nachmittag aus eigener Kraft heraus schlagen hätte können - diese Frage stellt sich für Niki Mayr-Melnhof nicht. Nachdem Neubauer auf SP5 die Führung übernehmen konnte, lag nach dessen technikbedingten Ausfall auf SP6 erneut Mayr-Melnhof in Führung. Niki sagt: „Es tut mir natürlich leid für Hermann und auch für Gerwald Grössing, die unverschuldet ausfielen, doch Pech hatten wir alle schon einmal. Meine beiden Bestzeiten vom Vormittag, die 4,4 Sekunden die ich Hermann auf SP3 geben konnte, bereiten mir eine große Freude und bestätigen mich, auf dem richtigen Weg zu sein. Und ich sehe sie auch als Signal an jene, die nun sagen, ich hätte den Sieg einzig und allein nur aufgrund der Ausfälle erreichen können.“

Vor der sechsten Prüfung lag Niki Mayr-Melnhof 7,6 Sekunden hinter Hermann Neubauer, hinter ihm lauerte Christian Schuberth-Mrlik mit 36,6 Sekunden Rückstand immer noch in Schlagdistanz. Auf der Prüfung erhielt Niki dann quasi die „Prüfungsfragen“ der „Rallye-Matura“ ausgehändigt - in Form einer „Nervenfrage“, Niki erzählt: „Plötzlich ist das Gas hängen geblieben und der Motor wechselte in ein Notprogramm - wir verloren viel Zeit und nach der Prüfung sprang auch der Motor nicht mehr an. Wir mussten den Wagen rund 500 Meter ins Service schieben.“ Dort mussten Mayr-Melnhof und Copilot Welsersheimb miterleben, wie die Mechaniker zunächst ratlos waren - bis kurz vor dem Serviceende war unklar, ob sich Mayr-Melnhof dem großen Showdown der Schneebergland-Rallye stellen wird können. Denn nach dem Zeitverlust auf SP6 lag Schuberth-Mrlik nur noch 15,7 Sekunden zurück - dass „Mister Link“ alles geben wird, war Niki Mayr-Melnhof nach dem „grünen Licht“ seiner Mechaniker klar: „Umso wichtiger war es, auf der folgenden Prüfung gegenzuhalten. Ich wollte Christian signalisieren, dass ich nicht gewillt bin, mir diesen Sieg nehmen zu lassen. Christian und ich verstehen uns prächtig und plaudern auch gern - aber klar setzt man auch psychologische Maßnahmen ein, die mentale Ebene ist nicht unerheblich.“

So konnte Schuberth-Mrlik zwar eine Bestzeit einfahren, doch Mayr-Melnhof büßte lediglich acht Zehntelsekunden ein. Vor der abschließenden Prüfung Haraseben hatte Niki 14,8 Sekunden Vorsprung - zu wenig, um „verwalten“ zu können, denn es war offensichtlich, dass Schuberth-Mrlik alles auf eine Karte setzen wird. So kam es dann auch, der Waldvierter riskierte jedoch etwas zu viel und flog von der Strecke. Niki sagt: „Es tut mir wirklich leid für den Christian - und es war völlig klar, dass er alles probieren wird. Wir sind eben Rennfahrer und aufgegeben wird bei uns nur ein Brief.“

Quantensprung? „Hab ich nichts dagegen…“

Dass er es geschafft hat, dass er bei einer der schwierigsten Rallyes der Neuzeit, auf dem losen Untergrund, der „Königsdisziplin“ des Rallyesports seinen ersten Sieg einfahren konnte, wusste Niki Mayr-Melnhof erst im Ziel der letzten Prüfung. Wenig später genoss er mit seinem Copiloten Polt Welsersheimb die Zielrampe: „Es fühlt sich mega an - für mich ist der Rallyesport etwas ganz Besonderes und es war mir auch klar, dass dieser Umstieg von der Rundstrecke alles andere als leicht werden wird. Die Freude ist riesengroß und ich spüre, dass ich noch so viel dazulernen kann, da ist noch so viel Potential abrufbar, ich freue mich schon jetzt wieder auf die nächste Rallye.“

Dort, bei der Rallye Weiz, wird Niki Mayr-Melnhof als neuer Tabellenleader der ORM anreisen: Mit seinen 55 Punkten führt er vor dem regierenden Staatsmeister Hermann Neubauer (53 Punkte) und Österreichs Rekord-Staatsmeister Raimund Baumschlager (49 Punkte) - allesamt in World Rally Cars. Überlegt Niki jetzt den Wechsel in ein WRC? „Das überlege ich schon seit einiger Zeit - nur wenn ich das mache, dann soll es ein ordentliches Projekt sein, denn auch bei den WRCs gibt es solche und solche.“

Viele Fahrer erleben nach dem ersten Sieg in einer neuen Disziplin einen Quantensprung, oft folgen dann weitere Siege. Glaubt Niki daran? Oder wird damit eine unrealistische Erwartungshandlung erzeugt? Niki lacht: „Ich hätte natürlich nichts gegen einen solchen Quantensprung, wir werden es sehen. Man muss aber realistisch bleiben und man wird mit einem R5 keine Seriensiege gegen WRC-Autos feiern können. Die Erwartungshaltung stört mich aber nicht - ich weiß, dass ich noch unheimlich viel dazulernen werde und bin bereit für das, was noch kommen wird.“

News aus anderen Motorline-Channels:

ORM: Schneebergland-Rallye

- special features -

Weitere Artikel:

Lavanttal-Rallye: Zeremonienstart

Anheiz-Show im Herzen Wolfsbergs

Den Auftakt zur 46. LASERHERO Lavanttal-Rallye powered by Dohr-Wolfsberg bildet heute Abend der traditionelle Zeremonienstart auf dem Hauptplatz der Kärntner Bezirkshauptstadt / Sämtliche teilnehmenden Teams präsentieren sich dabei den Fans

Achims Sport am Montag

Kolumne: Alles wie gehabt?!

Max Verstappen bügelt wieder alle in Japan her und Simon Wagner arbeitet seine Gegner im Lavanttal auf! Und der Rest? Mit zu wenigen Ambitionen und zu farblos.

Auf den knüppelharten Schotter-Stages der Ungarn-Rallye schaffen Wagner/Winter das angepeilte Top 10-Ergebnis. Kramer/Kvick nach Überschlag out.

Lavanttal-Rallye: Wetter

. . . und auch der Sommer sagt sich an

Auf der meteorologischen Nennliste zur 46. LASERHERO Lavanttal-Rallye powered by Dohr-Wolfsberg am 5. und 6. April finden sich mit Sonnenschein und Wärme zwei Teilnehmer der angenehmen, aber unzuverlässigen Art

Lavanttal-Rallye: Nach SP2

Zwei Fragen nach zwei Prüfungen

Der Auftakt zur 46. LASERHERO Lavanttal-Rallye powered by Dohr-Wolfsberg ist erfolgt / An der Spitze duellieren sich mit Simon Wagner und Hermann Neubauer zwei alte Bekannte / Die Verfolger warten noch ab