CLASSIC

  • Motorline auf Facebook
  • Motorline auf Twitter

114 Liebesbeweise

Ein Wiener besitzt mit 114 Stück die wohl größte Sammlung an Exemplaren des VW Golf. Museums-Eröffnung für Frühjahr 2019 geplant.

Wer sagt, dass sich Liebe nicht in Zahlen ausdrücken lässt? In unserem Fall lautet die Zahl 114. Josef Juza aus Wien liebt den Golf und wohl deshalb besitzt er exakt 114 Stück davon. Wobei dies als Zwischenstand zu verstehen ist.

Das Ausmaß seiner Liebe ist noch immer im Wachsen begriffen, wenn auch nicht mehr so dynamisch wie früher. Die aktive Suche hat der Golf-Sammler längst aufgegeben, aber manchmal werden ihm Stücke angeboten, bei denen er einfach nicht Nein sagen kann.

114 Golf! Zum größten Teil die frühen Baureihen, also Generation eins bis drei. Wir sprechen hier von einem nicht zu knappen Supermarkt-Parkplatz voller Golf, die alle einem einzigen Liebenden gehören. Josef Juza könnte jeden Abend ein Golf-Treffen von regionaler Bedeutung veranstalten, ohne eine einzige Person einzuladen. Und mehr noch: Weltweit gibt es wahrscheinlich außerhalb der Wolfsburger Autostadt kaum einen Ort mit einer ähnlich hohen Dichte an Golf-Raritäten wie in dieser schlichten Industriehalle nahe Wien.

Wie die meisten großen Leidenschaften begann auch diese ganz harmlos. Zum ersten Golf kam ein Zweiter, dann ein Dritter. Bloß ging das immer weiter. Und weiter. Und weiter. Bis zum heutigen Stand von 114. Josef Juza über die Anfänge seiner Sammlung „Golfsrudel“: „Als ich das erste Mal in einem Golf saß, hatte ich das Gefühl, als wäre dieses Auto nur für mich gebaut worden. Sitzposition, Fahrspaß, Alltagstauglichkeit, das war alles genau meins.“

Der Rauchfangkehrer erledigte seine Arbeit mit einem Caddy, für den Sommer gab es ein Cabrio, für den Winter einen Country, zum Spaßhaben einen GTI und für die Familie einen Normalo-Golf. So weit, so logisch. „Meine Basis war: Für jeden Anlass den richtigen Golf. Dann hab’ ich mich allerdings auf einer Oldtimer-Ausstellung in ein Modell aus der ersten Serie mit Trommelbremsen vorne und Schwalbenschanz-Heckschürze verliebt.“ Dieses frühe Modell war der erste „unnötige“ Golf und darf daher als offizieller Beginn der Sammlung angesehen werden. Wir schreiben Mitte der Neunziger, und wenn einen wie Josef Juza die Leidenschaft einmal gepackt hatte, waren die Verlockungen damals nahezu allgegenwärtig.

„Ich brauchte nur kurz ins Internet zu sehen, und schon hatte ich wieder ein tolles Exemplar gefunden, das praktisch nichts gekostet hat. Oft war der Transport teurer als der Kauf.“

Neben Raritäten-Highlights finden sich in seiner Sammlung Golf zum Rennen, Golf zum Wohnen, Golf für den ganz großen Luxus, aber auch solche, die in ihrer aktiven Zeit den Müll aufgesammelt haben. Und dann noch die unzähligen Sondermodelle!

In einem Punkt unterscheidet sich das „Golfsrudel“ deutlich von anderen Sammlungen: Die Fahrzeuge wirken naturbelassen und damit sehr ehrlich, was sicher auch dem Umstand geschuldet bleibt, dass Josef Juza ein Einzelkämpfer ist. 114 Fahrzeuge ohne Mechanikertruppe und Hilfspersonal im Hintergrund stellen doch eine gewisse organisatorische Last dar.

Aber gerade dieser vermeintliche Makel verleiht dem Golfsrudel auch seinen Charme. Bestes Beispiel ist der „Millionen“-Golf: Das Exemplar mit der belegbaren Kilometer-Million entspricht in Optik, Haptik und Olfaktorik exakt dem, was man sich unter einem Auto mit dieser Fahrleistung vorstellt, ergibt also ein wunderbares Stück Zeitgeschichte.

Als Josef Juza, den Millionen-Golf einmal für eine Ausstellung auslieh, tat er das mit den Worten: „Wenn Sie das Auto putzen, bekommen Sie richtig Ärger mit mir.“

Apropos Zeitgeschichte: Auch kuriose Tuning-Objekte haben ihren Platz, denn diese Sammlung versteht sich ganz nah am Puls der Fans. „Heute sagen manche Tupperware-Golf zu den typischen Breitbauten der Achtzigerjahre. Für mich sind es Erinnerungsstücke an eine Epoche und damals war man ja der Disco-König mit so einem Golf.“

Die Vision für die Zukunft des Golfsrudels ist klar: Josef Juza will Direktor im eigenen Golf-Museum werden. Die lose Sammlung soll schon bald zu einer öffentlich zugänglichen Ausstellung umgeformt werden. Einen Stellplan gibt es schon, zusätzlicher Platz wurde auch geschaffen. Im nächsten Frühjahr sollen die Pforten geöffnet werden. Mehr unter www.golfsrudel.at

Letzte Frage an Josef Juza: Wenn er nur fünf Autos behalten dürfte, welche Modelle würden übrigbleiben? „Ich glaube, dann würde ich die ganze Sammlung aufgeben. Lieber auf alle verzichten, als wenige auswählen müssen.“ So sprechen nur wahrhaft Liebende, oder?

Best of 114

• Ein Fahrzeug aus der Vorserien-Produktion, das vom Zulieferer Lunke & Sohn fahrerseitig auf Schiebetür umgebaut wurde und ab 1974 auf zahlreichen Automessen gezeigt wurde.
• G60 Limited. 71 Mal in der Motorsportabteilung von Hand gefertigt. War mit 210 PS und Syncro-Allrad den damaligen Raketen der Premiumhersteller in Leistung und Preis mehr als nur ebenbürtig.
• Rallye-Golf. Homologationsmodell für den Motorsport auf Basis des Golf II. 5000 Mal gebaut.

• CitySTROMer I. In Zusammenarbeit mit dem Energieversorger RWE entstand 1981 eine Kleinstserie von etwa 25 Stück, das Modell gilt als eines der ersten alltagstauglichen Elektrofahrzeuge.
• Öko-Golf. Auf Basis des Golf II entstanden 11 Versuchsträger, an denen zukunftsweisende Technologien wie Start-Stopp und Motorabschaltung im Freilauf getestet wurden.
• Zwei von drei Gangway-Fahrzeugen für den Flughafen Bremen.

• GTI-Schwerpunkt mit frühem und spätem Einser, Zweier-GTI 16V, Oettinger-GTI I mit 150 PS, Nordstadt-GTI I, den der Hannoveraner Nobel-Tuner für einen Scheich mit feinstem Leder und einem C-Netz-Autotelefon ausstattete.
• verschiedene Wohnmobil-Aufbauten für Caddy.
• Unzählige Behörden- und Kommunal-Varianten.

News aus anderen Motorline-Channels:

Weitere Artikel:

Gutes Rezept, falscher Zeitpunkt

Helden auf Rädern: MG ZS 180

Als praktisch alles schon verloren war, lieferte MG Rover ein Paradebeispiel für cleveres Engineering. Vor allem, weil der ZS ursprünglich der Unsportlichste der Modellpalette war.

Kleiner Bruder, das Luder

Helden auf Rädern: Renault 6

Plattformübergreifende Entwicklungen waren schon in Mode, bevor sie wirklich in Mode kamen. Im Falle des Renault 6, brachte das Gleichteileprinzip aber fast mehr Nach- als Vorteile mit sich.

Wenn Yankees Tee kochen

Helden auf Rädern: Jaguar X-Type

Jaguar ist nicht unerfahren darin, sich neu zu erfinden. Beim X-Type lief eine an sich coole Idee aber aus dem Ruder, weil Ingenieure, Konzernlenker und Strategen alle das Richtige wollten – die Kombination aber nur einen Rohrkrepierer zuließ.

Die Schnellladefläche

Helden auf Rädern: Chevrolet S-10 EV

Noch seltener als der Chevy EV-1 war sein praktischerer und weit patriotischer Ableger. Der S-10 EV war ein Frühversuch elektrischer Nutzfahrzeuge, bei denen den Machern ein entscheidender Fehler passierte.

Die Opfer des Wunders

Helden auf Rädern: BMW Glas 3000 V8

Weil das Wirtschaftswunder schneller Wohlstand brachte, als es manche Firma recht war, griff Glas mit dem 3000 V8 gleich nach den Sternen. Dazu fehlte es dann aber doch an Strahlkraft.