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Ein Schritt in die richtige Richtung

Das neue Qualifying & der CDG-Wing: Auch wenn die FIA sich in den letzten Jahren angestrengt hat, das Gegenteil zu beweisen - nicht alles Neue ist schlecht!

Michael Noir Trawniczek

Mit großer Empörung haben am Montag viele Formel 1-Fans auf die FIA-Aerodynamikstudie reagiert - der für 2007 geplante CDG-Wing sei eine Frechheit, so könne ein Formel 1-Auto nicht aussehen, hieß es in den Foren der Branche. Der größte Einschnitt seit der Erfindung der Flügel wirkte für manche tatsächlich wie ein Schock, der jedoch bald in seiner Wirkung nachließ. So erging es auch den Formel 1-Protagonisten - der alte Rennfuchs Frank Williams erklärte am Montagabend: "Zunächst dachte ich, ich würde dieses Ding hassen - aber man gewöhnt sich sehr schnell daran!" Vor allem, wenn man den Technikern der Firma AMD Glauben schenkt und mit dem zweigeteilten Heckspoiler wieder die alten Windschattenschlachten Realität werden könnten...

Denn auch wenn die Saison 2005 einige sehr spannende Rennen produziert hat, so ist es doch ein Faktum, dass mit den aktuellen Boliden der Hinterherfahrende mit einem instabilen Fahrverhalten bestraft wird, wenn er sich zu nahe an den Vordermann wagt. Die Autos sind in einem zu großen Maße vom Abwind abhängig. Der CDG-Wing soll das Gegenteil bewirken, also einen Vorteil für den Hinterherfahrenden - wie in den Siebzigerjahren, als die Teamkollegen einander als Gespann zu Bestzeiten zogen. Ob das nur am Weglassen des Diffusers liegt, der als einer der Hauptlieferanten für den Abwind gilt, sei dahingestellt. Die am Montag veröffentlichte Studie ist als ein erstes Ergebnis zu betrachten - immerhin ist diese Studie die erste, die nicht von einem F1-Team zum eigenen Wohle angestellt wurde. Es ist verwunderlich, dass die FIA erst im Jahr 2005 auf solche Simulationen zurückgreift - aber die oberste Motorsportbehörde hat ja auch erst unlängst das Internet als ein Werkzeug zur Publikumsbefragung entdeckt...

Die vernichtenden Ergebnisse dieser Umfrage konnten die F1-Verantwortlichen, so scheint es, nicht mehr ignorieren. Und im Machtkampf gegen die Hersteller, die immer noch mit einer eigenen Serie drohen, kann es nicht schaden, wenn man das Publikum auf seiner Seite hat.

Kehrtwende

FIA-Präsident Max Mosley, der sich jetzt als großer Gönner präsentiert, der den Fans zurückgibt, was ihnen die Aerodynamiker jahrzehntelang verwehrt haben, hat eigentlich eine Kehrtwende um 180 Grad vollzogen. Das Einzelrunden-Qualifying mit dem Nachtankverbot war ein Schlag ins Wasser. Die Reduktion der Kurvengeschwindigkeiten über die Reifenauflagefläche mit den Rillenreifen hat scheinbar genauso wenig gefruchtet, wie das Anheben der Frontflügel - denn hier hat Mosley erst unlängst offen zugegeben, dass man damit das Überholproblem nur verschlimmert hat. Und so wäre es schlicht unpassend, Mosley als den großen Helden zu feiern - denn schließlich hat er der Formel 1 die umstrittenen Haltbarkeitsmotoren sowie allerhand sündteure Sparmaßnahmen verschafft, hat er den Verbleib der Traktionskontrolle in einem Kuhhandel mit den Herstellern akzeptiert und ab 2003 mit einer noch nie da gewesenen Regeländerungsflut für derart viel Verwirrung gesorgt, dass manche Fans sich einfach abwandten von der Königsklasse des Automobilrennsports...

Back to the roots

Es ist noch lange nicht alles in Ordnung mit der Formel 1. Trotzdem muss man der FIA zugestehen, dass sie mit dem CDG-Wing und auch mit der Abschaffung der leidigen Einzelrunden-Qualifikation einen Schritt in die richtige Richtung gesetzt hat. "Damit kehrt die Formel 1 endlich zu ihrem Ursprung zurück", attestiert auch Österreichs Formel 1-Experte Niki Lauda. Und so schlecht sieht der graue Bolide auf der FIA-Skizze auch wieder nicht aus - immerhin ist er mit den fetten Slicks ausgerüstet. Dieser Heckflügel ist allemal akzeptabel, wenn damit ab 2007 kräftig überholt werden kann. Dass dies zu einem Ausverkauf der Überholmanöver führen könnte, ist keine wirkliche Bedrohung für die Formel 1. Wer bei elektrisierenden Windschattenschlachten einschläft, ist selber schuld...

Bunte Startaufstellungen auch 2006

Zum Qualifying wäre noch zu sagen: Der K.O.-Modus verspricht Höchstspannung - und zwar von der ersten Minute an. Und auch er wird für bunte Startaufstellungen sorgen. Schafft es einer der Top-Favoriten nicht, binnen der ersten 15 Minuten eine gute Rundenzeit zu fahren, wird er das Rennen vom hinteren Teil des Feldes aufnehmen müssen. Anders als bei der Motorenregel (die leider immer noch gültig ist) werden hier alle "Sünden" bestraft - eine allzu vorsichtige Sicherheitsrunde kann ins Auge gehen, ein Ausflug ins Kiesbett erst recht und der Verkehr wird ganz sicher vorhanden sein - weil alle Beteiligten binnen 15 Minuten eine Top 15-Zeit erlangen müssen, um weiter zu kommen. Ein wenig verwirrend ist die Nachtankregel - die Top 10-Piloten müssen mit Rennsprit die letzten 20 Minuten in Angriff nehmen, sie dürfen aber den in dieser Zeit verbrauchten Sprit nach der Session wieder auffüllen. Das Rätselraten um die Spritmengen bleibt also...

Keine Reifen-WM

Zum Comeback der Reifenwechsel: Viele mögen darin einen Vorteil für die Scuderia Ferrari erkennen - doch in Wahrheit war das Verbot der Reifenwechsel doch ziemlich gefährlich. Dass man ab 2007 nur noch mit einem Reifenhersteller arbeiten wird, sollte die sündteuren Reifentests unterbinden. Die Formel 1 wird dann keine Reifen-WM mehr sein. Die Arbeit der Teams sollte auch wieder mehr in den Vordergrund rücken...

Nicht alles Neue ist schlecht

Viel wurde geändert in den letzten Jahren. BMW-Motorsportdirektor Mario Theissen bringt es auf den Punkt - er äußerte sich ebenfalls positiv zu den Regeländerungen, verwies aber zugleich darauf, dass danach endlich eine gewisse Regel-Stabilität einkehren sollte. Damit spricht Theissen den F1-Fans aus der Seele. Es wurde einfach zu viel herumgebastelt an der Formel 1. Es wäre aber auch schwachsinnig gewesen, weiterhin mit einem Qualifikationsmodus zu fahren, den die große Mehrheit der Fans nicht haben will...

Fazit: Die neuen Regeländerungen sind eine Kurskorrektur zugunsten des Sports und das alleine ist schon begrüßenswert. Der neue CDG-Wing, sollte er in weiteren Studien bestätigt werden, wird den Reiz der F1-Boliden nicht schmälern. Vor allem dann nicht, wenn er für mehr Action auf der Strecke sorgt. Abgesehen davon, dass für seine Einführung im Jahr 2007 die F1-Teams nur noch zwei Monate Zeit haben, um das Konzept näher zu beleuchten, weil eine Einführung 2007 bis zum Jahresende von acht der zehn Teams beschlossen werden muss - was spricht gegen die Einführung dieses Konzepts? Warum soll man es nicht probieren? Wer soll ernsthaft etwas gegen Windschattenschlachten haben? Zyniker würden jetzt sagen: Auch wenn die FIA sich in den letzten Jahren angestrengt hat, das Gegenteil zu beweisen - nicht alles Neue ist schlecht!

Die Beschlüsse der F1-Kommission respektive deren Bestätigung durch das FIA-World Motor Sport Council finden Sie in der Navigation rechts.

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