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24h Nürburgring

Blitzsaubere Leistung im Finale

Das OPC Race Camp war wieder mit acht ausgewählten Rookies beim 24h-Rennen mit dabei und lieferte zum Abschluss eine Sensation.

Johannes Gauglica; Fotos: Opel

Zum zweiten Mal nach 2008 brachte Opel sein Rennfahrer-Casting OPC Race Camp für das große Finale zum 24-Stunden-Rennen am Nürburgring. Damals waren mit Martin Karlhofer und Florian Leitner ja zwei Österreicher in der Gruppe der Besten, die dann zur Belohnung das Rennen bestreiten durften. Wir erinnern uns: Eines der beiden Fahrzeuge wurde schon durch einen Trainingsunfall eliminiert, beim zweiten streikte nach starker kämpferischer Leistung die Technik.

Dann ging es wieder von vorn los: Die Auswahl- und Ausbildungsphase in der zweiten Staffel dauerte zwei Jahre, zum Abschluss wollte das Race Camp unter der Ägide der deutschen Rennsport-Größen Manuel Reuter und Joachim Winkelhock es also wieder wissen und bat neun FahrerInnen zum Ring.

Sie waren die letzten Verbliebenen einer Gruppe von anfangs 22.000 BewerberInnen aus Deutschland, der Schweiz und auch Österreich. Alle hatten praktisch nur eine nennenswerte Gemeinsamkeit, nämlich keine signifikante Vergangenheit im Rennsport.

Die Aufgabe des Race Camps war es, diese Neulinge soweit zu coachen und vorzubereiten, dass sie auf der wohl schwierigsten Rennstrecke der Welt ein Rennen über die Königs-Distanz von 24 Stunden überstehen konnten, und das inmitten eines fast 200 Autos starken Feldes mit Vollprofis und Ring-Routiniers.

Am Weg dorthin mussten, stets begleitet von TV-Kameras, zuerst die Playstation-Weltmeister aussortiert werden; in den weiteren Phasen gab es mitunter schwere Entscheidungen zwischen talentierten und talentierteren Fahrern.

Mit verantwortlich dafür war Opels ehemaliger DTM-Fahrer Joachim Winkelhock. In einem früheren Leben, nämlich als Werksfahrer bei der Konkurrenz von BMW, siegte er auch beim ältesten 24-Stunden-Rennen von allen in Le Mans.

"Beide Autos unter den Top 60, das ist schon ein sehr gutes Ergebnis", freute sich Winkelhock nach dem Qualifying, "gestern in der Nacht waren wirklich ganz, ganz schlechte Bedingungen" – denn das Training musste wegen Nebels vorzeitig abgebrochen werden.

Hier zeigte sich bereits ein Trend, nämlich die Zuverlässigkeit der Fahrer und auch der neu aufgebauten Opel Astra. Beide Autos kamen anstandslos durch die Trainings, ganz im Gegensatz zu 2008.

Keine Jausengegner

Österreicher waren (leider) nicht dabei, sechs deutsche und zwei Schweizer Flaggen prangten auf den beiden brandneu aufgebauten Opel Astra. Mit der Startnummer 141 waren Sebastian Amossé, René Hiddel, Thierry Kilchenmann und Dennis Rieger genannt, die Nummer 142 trug das Auto von Hendrik Scharf, Jean-Marie Rathje, Arne Hoffmeister und Roger Büeler an den Start

Eine Flagge prangte nicht, und zwar die der Ersatzfahrerin. Erstmals hat eine Dame es in die Endrunde des OPC Race Camp geschafft. Weil allerdings klar war, dass Charlotte Wilking nicht zum Einsatz kommen würde, wurde ihr in einer sportlichen Geste die Freigabe für einen anderen Drive gegeben.

Bei einem Gewicht von ca. 1.130 Kilogramm stellt der Rennwagen auf der Basis des Astra-Vorgängermodells dank 1.998 ccm großem Turbo-Vierzylindermotor eine Leistung von 320 PS über die Vorderräder zur Verfügung, geschaltet wird über ein sequentielles Sechsgang-Renngetriebe mit Paddle-Schaltung und Zündunterbrechung.

Dazu ein kompromissloses Rennfahrwerk, Traktionskontrolle und eine sehr respektable Aerodynamik – die Opel-Techniker und das Rennteam Kissling haben kein "Fahrschulauto" auf die Räder gestellt, sondern ein Spitzenfahrzeug für die Klasse SP 3T, in der die Zweiliter-Turbos aufeinander treffen.

"Die Technik war einwandfrei, wir hatten in keiner Hinsicht irgendwelche Probleme. Worauf wir großen Wert gelegt haben, ist dass das Ding fahrbar ist. Denn wenn ein Auto bei einem solchen 24-Stunden-Rennen anstrengend ist, geht das meistens ins Auge. Wir sind auf einem ganz hohen technischen Niveau", meinte Joachim Winkelhock.

Ein Niveau, auf dem 24 Stunden lang zu fahren eine immense Herausforderung bedeutet. Am Ende des Trainings stand dann die erste große Überraschung des Wochenendes bereits fest: Die beiden Teams belegten die Plätze 57 und 68 und waren damit Dritte bzw. Vierte in ihrer Klasse. Jetzt galt es allerdings, diese Leistung auch im Rennen umzusetzen; 2008 gelang das im sportlichen Sinn durchaus, aber man brachte nach technischem Defekt das Resultat nicht ins Ziel.

"Ich glaube, wir sind auf einem guten Weg. Man braucht natürlich auch sehr viel Glück, aber ich bin zuversichtlich." – mit Besorgnis blickten Reuter, Winkelhock & Co. – und natürlich auch die Fahrer – in Richtung Himmel, weil das Wetter auch für das Rennen nichts Gutes erahnen ließ. Da gab es jedoch eine positive Überraschung, die allen zugute kam: Es blieb Samstag und Sonntag trocken.

Lauter Jubel, stille Freude

Man hatte mehrere Möglichkeiten, die Leistung der beiden Autos im OPC-Werksdekor zu würdigen. Zum einen bei einem Besuch bei den Opel-Fans entlang der Strecke; die hatten nämlich ihre helle Freude mit den beiden inmitten eines mitunter turbulenten Rennverlaufes mit einigem "Kleinholz" ungerührt flotte Runden drehenden Astra.

Nach dem frühzeitigen Unfall-Aus für den legendären Opel Manta (und somit dem vermutlichen Karriere-Ende für den Liebling der Fans) konzentrierte sich die Aufmerksamkeit der Opelaner auf die bestplatzierten Vertreter aus Rüsselsheim –die acht Rookies in ihrem ersten 24h-Rennen.

Kurze Pressetexte sind üblicherweise ein Zeichen von sehr guten oder sehr schlechten Nachrichten. Im Pressezentrum des Nürburgrings verfasste die Medienbetreuung des OPC Race Camp Aussendungen, die vor Ereignislosigkeit nahezu strotzten:

Keine besonderen Vorkommnisse! Keine technischen Dramen, keine Fahrfehler, gleichmäßiger Rennverlauf, stetige Steigerung im Klassement – die Konkurrenz blickte mit wachsender Besorgnis in Richtung der Opel-Box.

Denn das Rennen war hart, das zeigte die hohe Ausfallquote: Von 24 Startern in der Klasse waren am Ende nur mehr 13 dabei, von insgesamt 197 Fahrzeugen kamen 123 durch. Am Sonntag um die Mittagsstunde war auch Jo Winkelhock verblüfft:

"Ich muss selber eingestehen, ich hätte nicht gedacht, dass wir so ohne irgendwelche Probleme durchfahren. Bei den Tests lief es ganz gut, aber da gibt's immer irgendwelche Kleinigkeiten – und jetzt beim Hauptrennen bin ich auch von den Fahrern positiv überrascht, weil jeder seine optimale Leistung abruft, und das auf einem sehr, sehr hohen professionellen Niveau. Ich hab ja gesehen, wie die alle unter Druck stehen, wie nervös sie waren – und wir selbst ja auch. Riesenkompliment an alle acht Fahrer!"

Zu dieser Zeit war das Team bereits auf dem Weg zu einem doppelten Stockerlplatz in der Klasse. Zwischenergebnisse sind – wie das Beispiel Porsche heuer wieder gezeigt hat – bei 24h-Rennen mit Vorsicht zu behandeln; laut sagen wollte es im OPC-Team deshalb niemand. Nächste Überraschung war die Gesamtplatzierung, denn man hatte die Top 20 im Visier.

Ein Ex-Camper analysiert

Aus dem ersten Race Camp 2008 haben sich einige wenige Fahrer im Renngeschäft gehalten, so auch der Österreicher Martin Karlhofer. Er war als Beobachter von der Leistung der "neuen Generation" ebenfalls angetan: "Die Autos sind gelaufen wie Uhrwerke. Wir waren 2008 bis zur vierzehnten Stunde auch brutal gut dabei, dann war alles im Sekundenbruchteil vorbei. Die Jungs machen heuer einen guten Job, sind ja auch gut vorbereitet worden; und die Technik ist absolut fehlerfrei."

Den Leistungsdruck sieht Karlhofer eher als hausgemachtes Phänomen: "Wir konnten eigentlich mit wenig Stress an die Sache herangehen, und das gilt auch für die jetzigen Fahrer, denn sie müssen ja niemandem was beweisen. Sie fahren zwar für ein Werk, das sie sozusagen von der Straße geholt und zu Rennfahrern gemacht hat - aber andere Werke kommen mit Profis her, um zu gewinnen. Aber jeder will sich selber beweisen, dass er gut ist, und natürlich will man auch in den Augen der Entscheidungsträger gut dastehen" – denn der Gedanke einer zumindest semiprofessionellen Rennkarriere lockt ja doch jeden Enthusiasten.

2008 gab es sozusagen ein stärkeres und ein schwächeres Team, heuer war das nicht so, meint Karlhofer: "Heuer waren sie alle auf einer Ebene. Keiner hat die Quote nach unten verändert, sie waren durch die Bank richtig schnell. Das widerspiegelt sich im Ergebnis, sie stehen auf Zwei und Drei, gar nicht weit auseinander. Man sieht, dass sie mit einem schönen Rhythmus über die Distanz gekommen sind."

Am Weg zum Profi?

Nach dem 24h-Rennen ist dieses Race Camp eigentlich beendet; der ehemalige Tourenwagen-Champ sieht aber durchaus Potential bei einigen Teilnehmern für eine Profikarriere in diesem Sport: "Auf dem Weg dorthin braucht man schon noch den gewissen Feinschliff, und in den Sprintrennen muss man von der ersten bis zur letzten Kurve 100 Prozent bringen. Aber ich glaube, dass mit Sicherheit zwei oder drei Piloten dabei sind, die das Zeug dazu haben."

Martin Karlhofer hat nach einem Jahr mit VW und dem Klassensieg beim 24h-Rennen am Ring voriges Jahr jetzt ein neues Projekt in der deutschen GT-Szene. Mit der Callaway-Corvette stehen im ADAC GT Masters insgesamt drei Rennwochenenden mit jeweils zwei Rennen zu einer Stunde und Fahrerwechsel am Programm.

Beim ersten Auftritt am Sachsenring gab es gleich Platz 4 und dann den ersten Besuch am Stockerl mit Platz 3. Die Läufe am Lausitzring und in Oschersleben stehen noch im Kalender. Karlhofers Teamkollege ist Sascha Bert, und hier schließt sich der Kreis zum OPC Race Camp; denn der deutsche Profi gehört zum Coach- und Jurorenteam der Opel-Aktion.

Bert war dieses Mal am Ring ebenfalls im Einsatz, als Teil eines Porsche-Teams holte er den 6. Gesamtrang. Wie gut die Arbeit war, die er und seine Kollegen bei der Vorbereitung der Rookies geleistet haben, zeigt auch die einzige Opelanerin ohne Opel. Charlotte Wilking, die Ersatzfahrerin des OPC Race Camp, sah mit ihrem Zweiliter-Honda (ohne Turbo, also mit deutlich weniger Leistung) ebenfalls das Ziel auf Gesamtrang 86 von 123 klassierten Teams.

Finale am Stockerl

Weiter, viel weiter vorne überquerten die beiden Opel Astra die Ziellinie, nämlich auf den Gesamträngen 19 und 22 - eine echte Sensation. Das Team mit der Startnummer 142 (Scharf/Rathje/Hoffmeister/Büeler) hatte die Nase vorne, sie legten insgesamt 141 Runden zurück. In Kilometern sind das exakt 3.578,298 – oder ungefähr die Kilometerleistung eines Vierteljahres im durchschnittlichen Alltagsverkehr.

Eine Runde zurück platziert sich die Nummer 141 (Amossé/Hiddel/Kilchenmann/Rieger); damit holen sich die Teams auch die Plätze 2 und 3 in der Klasse - ohne jeglichen technischen Defekt oder Kratzer.

Der Gründer und Chef des OPC Race Camp, Manuel Reuter, ist klarerweise happy: -"Wenn man sieht, wie viele Teams hier bereits Probleme hatten, muss ich unseren Jungs um so mehr ein Lob aussprechen. Sie haben eine hervorragende Leistung gezeigt. Dabei soll man nicht vergessen, dass sie vor einem Jahr noch als Zuschauer hier waren und nun in diesem starken Feld vorne mitgefahren sind."

Niemand wollte sich vor Ort darauf festlegen, on die Aktion OPC Race Camp eine dritte Auflage erleben wird, allzu heftiges Kopfschütteln hat es allerdings auch nicht gegeben. Stay tuned!

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