
WTCC: Brands Hatch | 16.07.2010
Vorschau: Die WTCC in Brands Hatch
Motorline.cc blickt voraus auf das sechste Rennwochenende der Tourenwagen-WM: Hält Alain Menus Siegesserie in Großbritannien auch 2010?
Zwei Wochen nach der Premiere in Portimão rollen die Piloten der Tourenwagen-WM wieder auf ihre Startplätze, um in Brands Hatch die Saisonläufe elf und zwölf zu bestreiten. Auf dem Brands Hatch Circuit geht der Schlagabtausch zwischen BMW, Chevrolet und Seat also in eine neue Runde. Auf der herrlichen Naturstrecke, die in der Rennszene als Klassiker gilt, wollen alle Beteiligten ihre Statistik ausbauen und ihrer Bilanz weitere Siege hinzufügen.
Nur wenige Meilen südöstlich von London liegt die kleine Gemeinde Fawkham, deren Einwohner schon seit den 1920er Jahren eng mit dem Motorsport verbunden sind. Fanden die ersten Rennveranstaltungen noch auf einer Grasbahn statt, so donnerten 1950 erstmals Boliden der Formel 3 über ein nagelneues Asphaltband, das am Ende jenes Jahrzehnts noch ein neues Kurslayout bekam – damals entstanden die beiden charakteristischen Streckenvarianten von Brands Hatch.
Brands Hatch fordert die Reifen
Der 3,703 Kilometer lange Grand-Prix-Kurs sollte schon bald die Formel 1 nach Südengland locken. Von 1964 bis 1986 gastierte der F1-Zirkus gleich 14 Mal auf der Naturstrecke, die durch ihre Einbettung in die hügelige und bewaldete Landschaft noch bis heute ein einzigartiges Flair versprüht. Publikumsliebling Nigel Mansell sorgte in den 1980er Jahren regelmäßig für prall gefüllte Zuschauerränge und begeisterte seine britischen Landsleute 1985 und 1986 mit spektakulären Heimsiegen.
20 Jahre nach dem bislang letzten Formel-1-Grand-Prix in Brands Hatch entdeckten die Tourenwagen die britische Rennstrecke für sich und sind seit 2006 gern gesehene Gäste in der Grafschaft Kent. Während die DTM die nur rund zwei Kilometer kurze Indy-Variante befährt, nimmt die WTCC den kompletten Kurs unter die Räder und spult in den beiden Sprintrennen eines Wochenendes insgesamt 28 Runden ab - und das auf einer Strecke, die es wirklich in sich hat.
"Brands Hatch ist eine sehr aggressive Strecke", erläuterte Ian Beveridge, Technischer Berater bei Yokohama. "Weil der komplette Kurs nicht allzu oft genutzt wird, sind die Kerbs in diesem Streckenbereich meistens etwas spröde und das kann sehr gefährlich sein. Darüber hinaus müssen die Reifen einer enormen Kompression standhalten, wenn die Fahrer nach der ersten Kurve in die Senke eintauchen", stellte Beveridge heraus – entsprechend gefragt ist die Hilfe der Reifen-Spezialisten.
Die Traditionsstrecke in Südengland
Schon unmittelbar nach der kurzen und leicht gebogenen Zielgeraden wartet die erste Herausforderung auf die Fahrer: Die schwierige Paddock-Hill-Kurve gilt es vor allem in der Qualifikation und in der ersten Rennrunde perfekt zu treffen, um genügen Schwung in die nachfolgenden Passagen mitzunehmen. Ein weiterer Klassiker unter den Kurven ist Druids, wo sich alljährlich viele spektakuläre Fahrmanöver ereignen, die nicht selten rennentscheidenden Charakter haben.
Mit dem Surtees-Linksknick verabschieden sich die Rennautos auf die Waldschleife, wo einige schnelle und knifflige Rechtskurven zu meistern sind, ehe die Piloten nach Stirling's wieder zurück auf die kurze Kernstrecke kommen und der Ziellinie entgegen hetzen. In 1:32,794 Minuten meisterte Augusto Farfus (BMW) den Umlauf in Brands Hatch bislang am schnellsten. Im Rennen wird die Bestzeit von Ex-Champion Yvan Muller (Chevrolet), gehalten, der 2007 im Seat León TDI 1:33,980 Minuten für eine Runde benötigte.
Muller reist in diesem Jahr zudem als Tabellenführer nach Großbritannien. In den vergangenen zehn Sprintrennen konnte der Franzose stattliche 164 WM-Punkte erobern und liegt damit vor Gabriele Tarquini (Seat/149), Andy Priaulx (BMW/117), Rob Huff (Chevrolet/104) und Tiago Monteiro (Seat/99). Doch neben den Genannten dürfte auch Alain Menu (Chevrolet/86) zu den Topfavoriten auf einen Rennsieg zählen: Der Schweizer siegte bislang noch in jedem Jahr in Brands Hatch.
Damit ist Menu freilich der Rekordsieger von Großbritannien, denn bis dato ist es keinem weiteren Fahrer gelungen, in Brands Hatch mehr als einen WM-Lauf für sich zu entscheiden. Und noch etwas machen die Siege von Menu auf diesem Kurs zu etwas Besonderem: 2009 schenkte der Routinier seinem Arbeitgeber den ersten Cruze-Erfolg auf einem klassischen Rundkurs. Seither wartet Menu auf seinen nächsten Rennsieg in der WTCC – eine Formsache, rein statistisch betrachtet ...
Gleiches Gewicht für BMW, Chevrolet & Seat
Das Duell um die Plätze gewinnt beim britischen Gastspiel der Tourenwagen-WM allerdings noch zusätzlich an Spannung, denn aufgrund der jüngsten Leistungen wurden die Autos von BMW, Chevrolet und Seat allesamt mit einem Zusatzgewicht von 40 Kilogramm bedacht. Möglicherweise nimmt das Kompensationsgewicht in Brands Hatch aber sehr eigenartige Züge an, denn die BMW-Teams haben etwas in der Hinterhand.
Inspiriert von den starken Fahrten von Kristian Poulsen und Colin Turkington, die aufgrund einer älteren Fahrzeugvariante des BMW 320si nun 60 Kilogramm leichter unterwegs sind als ihre Markenkollegen, könnten weitere BMW-Rennställe ihre eigentlich ausrangierten Modelle aus der Garage holen und in Brands Hatch an den Start bringen. Zumindest das Engstler-Team um Teammanager Kurt Treml denkt ernsthaft über diese Alternative nach.
Die britischen Fans werden sich indes wohl hauptsächlich für das Abschneiden ihrer "Local Heroes" interessieren, denn neben Priaulx, Huff und Harry Vaulkhard sind am Wochenende auch noch Turkington und Tom Boardman mit von der Partie. Letzterer war bereits im vergangenen Jahr in der WTCC am Start, fährt 2010 allerdings lediglich in der nationalen Tourenwagen-Meisterschaft, der BTCC. Eben diese hatte Turkington 2009 für sich entschieden.
Nun ist der nordirische Rennfahrer zurück und bestreitet in Brands Hatch seinen zweiten Rennevent in dieser Saison. Nicht zuletzt, um damit Werbung in eigener Sache zu betreiben – Turkington war bislang ohne Cockpit und würde nur zu gerne 2011 als Stammfahrer in der Tourenwagen-WM an den Start rollen. Ein Szenario, wie man es sich auch bei Volvo vorstellen könnte. Die schwedische Marke schickt auch in diesem Jahr wieder ein C30-Gastauto an den Start.
Volvo ist wieder am Start
Wie schon bei früheren Einsätzen in der WTCC vertraut der Konzern dabei auf Robert Dahlgren und das Olsbergs-Team, das ab der kommenden Saison auch das mögliche Werksprojekt von Volvo umsetzen könnte. In Brands Hatch soll zunächst aber nur erörtert werden, wie sich der Volvo C30 im Vergleich zu den Rivalen schlägt – allerdings außer Konkurrenz: Aufgrund der nationalen Homologierung des Autos ist Dahlgren in Großbritannien nicht punkteberechtigt.
Rückblick: Brands Hatch 2009
Im vergangenen Jahr standen die beiden Sprintrennen von Brands Hatch ganz im Zeichen von BMW und Chevrolet – und von einer Kollision in Kurve zwei, in welche die beiden Titelkandidaten Augusto Farfus (BMW) und Yvan Muller (Seat) verwickelt waren. Während Alain Menu und Rob Huff im ersten Rennen einen Doppelsieg für Chevrolet verbuchten, sicherte sich Farfus noch die Pole Position für Lauf zwei und wenig später auch den Sieg vor seinem Teamkollegen Jörg Müller (BMW).
Fakten zum Rennwochenende in Brands Hatch:
Streckenlänge: 3,703 Kilometer
Renndistanz: Zwei Rennen à 14 Runden
Sieger, 2006-2009:
2006: Yvan Muller (Seat), Alain Menu (Chevrolet)
2007: Alain Menu (Chevrolet), Andy Priaulx (BMW)
2008: Jörg Müller (BMW), Alain Menu (Chevrolet)
2009: Alain Menu (Chevrolet), Augusto Farfus (BMW)
Rundenrekorde:
Qualifikation: 1:32,794 Minuten – Augusto Farfus (BMW, 2008)
Rennen: 1:33,980 Minuten – Yvan Muller (Seat, 2007)