
DTM: Interview | 04.11.2016
Timo Scheider hat Angst um die DTM
Der von Audi geschasste Ex-DTM-Champion macht sich nach seinem Zwangsabschied große Sorgen um die politischen Spiele im Hintergrund.
Auf einer emotionalen Pressekonferenz musste sich Timo Scheider am Finalwochenende der DTM in Hockenheim aus der Rennserie verabschieden. Der zweifache Meister hatte, offenbar wenig stilvoll, erst kurz zuvor per Telefon erfahren, dass er in den Plänen von Audi für 2017 keine Rolle mehr spielen wird. Mehr noch: Man habe ihm zu verstehen gegeben, dass man für ihn im gesamten Konzern keine Zukunft sehe; der Audi-Vorstand hat dies später zwar relativiert, doch die Stimmung war vergiftet.
In einem Interview mit Auto Bild motorsport sagte Scheider nun: "Ich bin der Meinung, dass sich die DTM auf einem falschen Weg befindet – politisch und im Umgang miteinander, um Perspektiven und Reglements zu schaffen und Einigkeit zu finden. Die Art und Weise, wie die Hersteller das machen, finde ich extrem egoistisch. Am Ende wird immer das große Ganze vergessen: die DTM."
Im Hintergrund finde stets ein Gerangel zwischen Audi, BMW und Mercedes statt. Alle noch so kleinen Regelanpassungen würden in den drei Firmen analysiert, die eigenen Vor- und Nachteile abgewogen und anschließend nur die vorteilhaften durchgesetzt – mit allen Mitteln: Rückzugsdrohungen seien im politischen Spiel der DTM nahezu an der Tagesordnung, es fehle ein klarer Kurs. "Mein Bauchgefühl sagt mir: Wenn es so weitergeht, sehe ich keine so extrem lange Zukunft der DTM mehr", so Scheider.
"Wenn einer der Hersteller immer mit einem Ausstieg droht, ist das nicht richtig. Wenn man diesen Drohungen zu ängstlich begegnet und einlenkt, ist das für die DTM mittelfristig gefährlich", erklärte der Routinier. "Es muss ein Reglement geben, und das muss vom DMSB kommen – und danach müssen sich die Hersteller richten, ob es ihnen gefällt oder nicht. Wenn man sich intensiv mit der aktuellen Situation der DTM beschäftigt, muss man berechtigte Angst darum haben, was mit der Serie in zwei Jahren ist."
Die Fahrer in der DTM könnten trotz allen Konkurrenzdenkens einen Konsens finden, glaubt Scheider – den Herstellern gelinge dies nicht. Auf diesem Wege entstünden Reglements, die an Fahrern wie Fans vorbeidiktiert würden. "Am Ende entscheiden andere Menschen im Sinne der Politik, der Performance und der Technik für ihren Hersteller, und da schaffen es drei Hersteller nicht, sich zu einigen. Das ist beängstigend."
"Was für uns Fahrer seit Jahren klar ist: Das Auto muss wieder schwieriger zu fahren sein. Wir brauchen mehr Leistung, einen Reifen mit Abbau, weniger Abtrieb und keine 75.000 Flügelchen am Auto. Der Fahrer muss wieder mehr Einfluss bekommen", sagte Scheider retrospektiv und sprach damit vermutlich vielen seiner Kollegen aus der Seele – der Rennsport sei oftmals zweitrangig, der DTM-Anhänger werde vor dem Hintergrund der politischen Spiele für dumm verkauft: "Dem Fan ist das Gefühl, das wir mit der Teamorder auf der Strecke transportieren, inzwischen vielleicht auch zu blöd."