
World Council 29.4.2009 | 28.04.2009
Kein Widerstand – nur verdiente Strafe…
Einen WM-Ausschluss wird es nicht geben, dafür ganz sicher eine Geldstrafe. Zudem drohen Punkteabzug und eine Sperre bis zu drei Rennen.
Michael Noir Trawniczek
Fotos: McLaren
Der Motorsportweltrat der FIA wird am Mittwoch über McLaren-Mercedes richten. Der Fall ist klar: Nach dem Grand Prix von Australien sagten Lewis Hamilton und der mittlerweile gekündigte Teammanager Dave Ryan zweimal wissentlich die Unwahrheit betreffend eines Überholmanövers von Jarno Trulli aus, der deshalb zunächst seinen dritten Platz verlor, ihn jedoch zurückerhielt, als die Lügen nach Abhören des Boxenfunks offensichtlich wurden. McLaren bestreitet die Vorfälle nicht. „Das erleichtert das Verfahren“, sagt Teamchef Martin Whitmarsh, der alleine vor den Weltrat treten wird.
Hamilton betont immer noch, wie „beschämend“ das alles für ihn sei – als ob er noch immer sagen wollte: „Ich kann ja nichts dafür, ich hab nur getan, was mir gesagt wurde!“ Was im Grunde genauso beschämend ist. Hamilton hat gelogen – doch die Verantwortung dafür muss er nicht übernehmen - als „Teamplayer“ soll man ja, scheinbar, auch möglichst wenig nachdenken, sondern einfach nur tun, was einem gesagt wird…
Eine Strafe gibt es sicher
Treffen könnte ihn die Bestrafung des Teams dennoch – denn eine Strafe wird es mit Sicherheit geben. Offen sind nur die Höhe und die Art der Bestrafung. Ein Ausschluss aus der Weltmeisterschaft ist de facto unmöglich – dann nämlich würde Mercedes aus der Formel 1 aussteigen, und das kann sich der Zirkus derzeit wirklich nicht leisten, schließlich rüstet Mercedes derzeit drei Team mit Motoren aus, darunter das Aufsteigerteam Brawn. Eine solch harte Bestrafung hat auch Bernie Ecclestone so gut wie ausgeschlossen – und er ist ein Mitglied des World Council und immer noch einer derjenigen, die sagen, wo es im Zirkus lang geht.
Mit einem WM-Ausschluss von McLaren würde Max Mosley einen offenen Kampf gegen Ecclestone riskieren. Sein persönlicher Intimfeind Ron Dennis hat sein eigenes Märchenschloss namens McLaren F1 unlängst ohnehin durch die Hintertür verlassen müssen – zumindest offiziell. Als Chef der McLaren-Gruppe wird er wahrscheinlich noch immer zum Telefon greifen, wenn er meint, er müsse seine Leute instruieren…
Sein Nachfolger Martin Whitmarsh hat einen Entschuldigungsbrief an die FIA gesandt – er selbst stand auf des Messers Schneide, als er nach dem Auffliegen der Lügen zunächst stereotyp sein Team verteidigen wollte und mit dem Satz „Lewis ist kein Lügner“ quasi selbst zum Lügner wurde. Alles in allem ein trauriges Kapitel Formel 1-Geschichte, das mittlerweile von der wohl besten Saison seit langem überschattet wird, zumal McLaren auch auf der sportlichen Ebene nur noch wenig mitzureden hat.
Geldstrafe und eventuell Punkteabzug & Rennsperre
Am Mittwoch wird es keine langen Diskussionen geben, McLaren wird einfach verurteilt – für den Verstoß gegen den Paragraph 151c des Sportgesetzes, den das Team offen zugibt. Mit großer Wahrscheinlichkeit wird eine Geldstrafe ausgesprochen – selbst wenn das Team im Zuge der Spionageaffäre zu der Rekordstrafe von 100 Millionen Dollar verurteilt wurde und damit eigentlich immer noch „auf Bewährung“ eine weitere Strafe fürchten müsste, rechnet niemand mit einer ähnlich hohen Buße.
Als Worst Case Szenario werden die Streichung von bis zu 30 WM-Punkten sowie eine Sperre von bis zu drei Rennen kolportiert. Die Minuspunkte (da McLaren heuer noch keine 30 Punkte eingefahren hat) schmerzen das Team bei der Verteilung des TV-Kuchens. Die Rennsperre würde das Team nicht nur demütigen - es könnte gegenüber seinen Sponsoren vertragsbrüchig werden. Vor allem beim Glamour-Grand Prix von Monaco will man ganz sicher nicht ausgesperrt werden.
Die Nase in der Höhe
Schlimmes muss McLaren auch abseits des Weltrats befürchten: Mercedes überlegt bereits, den Stern auf die Brawn-Renner zu kleben. Die Belegschaft des Konzerns spricht sich bereits gegen das Formel 1-Projekt aus. Vorstand Zetsche drohte mit Ausstieg im Falle einer harten Bestrafung. Das Image des strahlenden und vor allem sauberen Siegers ist längst dahin…
Dass Hamilton und McLaren im Vorjahr gemeinsam die Fahrer-WM gewinnen konnten, ist heute nur noch Schnee von gestern. Geblieben ist der Eindruck eines hochnäsigen Teamchefs, der irgendwann einmal zu einer Journalistengruppe sagte: „Wir machen Geschichte, ihr schreibt nur darüber.“ Ron Dennis hat am Ende Geschichte geschrieben als einer, der gestolpert und kräftig auf die Nase gefallen ist, weil er diese Nase zu sehr in der Höhe trug. McLaren wäre gut beraten, diese Einstellung ein für allemal über Bord zu werfen.