FIA-GT: Adria Raceway | 21.06.2008
Staying Alive
Voriges Jahr gab es „Saturday Night Fever“ für Wendlinger & Co., dieses Mal durften andere jubeln. GT2: Porsche kämpft, Ferrari siegt.
Der Adria Raceway ist sozusagen das Anti-Le-Mans: kurz und winkelig, eine größenwahnsinnige Kartbahn. Eigentlich nicht der ideale Ort für ein GT-Rennen, aber 27 Autos fanden sich zur dritten Runde der FIA-GT-Meisterschaft 2008 ein.
Jetalliance Racing war vor diesem Nachtrennen auf Platz 2 der Teamwertung. Der Lauf in Monza vor einem Monat war nicht besonders lukrativ für die Punktewertung der niederösterreichischen Crew, es war also wieder Zeit für gute Resultate.
Philipp Peter und seine britische Gigawave-Mannschaft lagen knapp dahinter auf Platz 3 der Team-Tabelle.
Durchkommen ist alles
Im Citation-Cup war diesmal nur ein Fahrzeug dabei. AT-Racing rund um Teamchef Sepp Renauer und die Fahrer wolfgang Kaufmann und Alexander Talkanitsa mussten für den Klassensieg nur durchrollen.Aber so leicht das klingen mag, „nur durchrollen“ ist im Verkehrsgewühl des überfüllten Adria Raceway nicht immer einfach.
Andrea Bertolini im schwarzen Vitaphone-Maserati holt sich gleich am Start des Rennens die Führung vom Schweizer Pole-Mann Marcel Fässler in der Phoenix-Corvette. Dahinter Wendlinger in Lauerstellung; nach der ersten halben Stunde liegen die drei schnellsten GT1-Autos innerhalb 2 Sekunden.
Zu diesem Zeitpunkt ist Vitaphone Racing bereits auf ein Auto reduziert. Alexandre Negrao rapportiert Unfallschaden am Maserati Nr. 2 nach einer Rempelei mit einem Aston Martin – Philipp Peter oder Alex Müller? Das Gigawave-Auto rutscht just zu diesem Zeitpunkt auf Platz 9 ab.
Porsche schnell, Corvette zu schnell
Bei den kleineren Autos der Klasse GT2 wehrt sich die schwindende Porsche-Minderheit verbissen gegen die Übermacht der Ferrari. Beim Porsche-Team Prospeed Competition liefern die Werksfahrer Emmanuel Collard und Richard Westbrook eine starke kämpferische Leistung ab und lassen den Ferrari F430 keine Ruhe.In Runde 32 ein heftiger Angriff der viertplatzierten Corvette auf Karl Wendlinger – Fabrizio Gollin kommt zwar vorbei, ist aber zu schnell für die nächste Kurve und muss mit „opposite lock“ durch den Kies. Trotz leichter Berührung kann Wendlinger ungehindert weiterfahren.
Eine Runde später leitet der verbliebene Vitaphone-Maserati die Sequenz der ersten Boxenstops in der Spitzengruppe ein, Michael Bartels übernimmt das Steuer. Andrea Bertolini ist nicht ganz glücklich: „Wir haben Bremsprobleme, die Bremsenkühlung funktioniert nicht. Wenn das Auto leichter wird, geht’s wieder.“
Desaster bei Jetalliance
Wendlinger übergibt gleich darauf an Ryan Sharp. Und der bleibt kurz darauf auf der Strecke stehen! Sharp muss auf der Zielgerade abstellen, auf der falschen Seite der Boxenmauer. Die unbürokratischen Marshals schieben das waidwunde Auto daraufhin durch den Boxenausgang verkehrt die Boxengasse zurück – während rundherum die Boxenstops munter weitergehen.Somit ruhen die Vitaphone-Hoffnungen auf Lukas Lichtner-Hoyer der von Alex Müller den Aston Nr. 36 übernimmt. Philipp Peter übergibt sein Auto in Runde 43 an Allan Simonsen.
Genau zur Halbzeit des Rennens muss Wolfgang Kaufmann die Corvette C5-R von AT-Racing aus dem Kies kletzeln. Wie gesagt, durchrollen ist am Adria Raceway nicht so einfach.
In der Folge hat Michael Bartels drei Corvette C6.R im Rückspiegel. Jean-Denis Deletraz, fahrerisch vielleicht nicht ganz auf demselben Niveau wie Bartels, aber hochmotiviert wie immer, wittert die Chance und jagt den technisch angeschlagenen Maserati im Zehntelsekundenabstand vor sich her.
Apropos „jagen“: Auf Platz 5 Simonsen im Gigawave-Aston, dahinter Lichtner-Hoyer mit Vollgas und Lichthupe. Der Jetalliance-Chefpilot betätigt sich als Jagdflieger, aber Simonsen hält seine Position.
40 Minuten vor Schluss dann eine Boxen-Visite des Maserati: Durchfahrtsstrafe! Damit vorerst Corvette-Festpiele an der Spitze: Hezemans vor Deletraz.
Licht aus!
Mögliche Vorentscheidung auch im Kampf der GT2-Klasse: Der Ferrari Nr. 50 wird von einer schnelleren GT1-Corvette beim Überrundungsmanöver abgedrängt. Richard Westbrook im verfolgenden Porsche lässt sich nicht lange bitten – das ist der Führungswechsel!Dieser Führung können sich die Trackspeed-Boys nicht lange erfreuen: Denn am Porsche 997 fällt ein Scheinwerfer aus, die FIA bittet zur Reparatur. Westbrook: „Ein Trumm für 50 pence hat uns unser Rennen gekillt...“ (Anm.: 50 pence sind 72 cent.)
Damit führten in der GT2 die beiden Ferrari von AF Corse, der zweite Prospeed-Porsche mit der finnischen Crew Palttala/Forsten Die letzte halbe Stunde des Rennens spielte sich dann in völliger Dunkelheit ab.
Anschnallen & Türen schließen, Teil 1
28 Minuten vor Schluss übergibt Deletraz die Phoenix-Corvette wieder an Fässler, der Stop dauert etwas länger als geplant. Das belässt das Schwesterauto mit Mike Hezemans am Steuer in Führung. Deletraz erklärt: „Wir haben fünf Sekunden durch ein Problem mit dem Sicherheitsgurt verloren.“23 Minuten vor Schluss dann ungläubiges Kopfschütteln bei Jetalliance Racing: Der Aston Martin Nr. 36 rollt aus, Alex Müller ist ebenso konsterniert wie sein Team an der Box. Das bedeutet „zero points“ in Adria!
Ryan Sharp weiß, dass Handlungsbedarf besteht, sobald das Team zuhause in Oeynhausen angekommen ist: „Unsere Burschen werden das Auto genauestens durchkämmen, wir haben nur zwei Wochen bis Oschersleben. Wir brauchen ein gutes Resultat, damit unsere Meisterschaftschancen wieder in Schwung kommen!“
Packendes Finish: Zehn Minuten vor Schluss hatte der führende Gollin 9 Sekunden Vorsprung. Auf Platz 2 (trotz Drive-Trough-Strafe!) Andrea Bertolini. Er wehrt sich gegen Fässler, der mit einer gewissen Wut um Bauch „motiviert“ ist. Anschnallen bitte: Auch Schweizer können wütend werden!
Anschnallen & Türen schließen, Teil 2
Auch beim letzten Boxenstop des führenden Phoenix-Teams gibt es Schwierigkeiten: Fabrizio Gollin erwischt beim Einsteigen den Sicherheitsgurt nicht. Die Hosenträger-Gurte sind im Auto an Gummibändern befestigt, der Fahrer muss sie herunterziehen und im Gurtschloss einrasten lassen. Aber dazu muss er sie erst einmal „derg’lengen“.Dann kommt das abnehmbare Lenkrad wieder auf seinen angestammten Platz auf der Lenksäule – idealerweise schnell. Gollin kommt da etwas in’s Trudeln. Teamkollege Hezemans: „Er musste sieben- oder achtmal probieren, bevor er den Gurt erwischt hat. Und dann hat er das Lenkrad nicht draufgebracht - wenn die anderen nicht ihre eigenen Probleme gehabt hätten, wären wir jetzt Dritte…“
Aber was soll’s: Trotz Ausrutscher und Boxen-Zores steht in der Statistik ein Sieg für Gollin/Hezemans in der Phoenix-Corvette vor dem Vitaphone-Maserati (Bertolini/Bartels) und dem zweiten Phoenix-Auto (Fässler/Deletraz).
Damit übernehmen Bartels und Bertolini die Führung in der Fahrer-Tabelle. Jetalliance Racing muss ab dem nächsten Rennen in Oschersleben den Nachbrenner einschalten.
Das Gigawave-Auto rutscht beim letzten Stop drei Plätze ab, Philipp Peter macht im Finish noch eine Posiiton gut und holt sich die Punkte für Platz 6.
GT2: Ferrari, Ferrari, Ferrari,…
Der Finnen-Porsche verließ das Rennen kurz vor Schluss ebenfalls vorzeitig, das bedeutete eine Ferrari-Prozession in der GT2. Die ersten vier Autos kommen aus Maranello. Doppelsieg für AF Corse, Gianmaria Bruni/Toni Vilander vor Thomas Biagi/Christian Montanari.BMS Scuderia Italia komplettiert mit Matteo Malucelli/Paolo Ruberti das Podium. (Gut zu wissen, dass die Italiener bei ihrer Hymne ähnlich textunsicher sind wie wir bei unserer.)
Und im Citation-Cup stehen für AT-Racing Kaufmann & Talkanitsa am Stockerl, die Corvette C5-R hat es ins Ziel geschafft. Durchkommen ist alles!