
WTCC: Suzuka | 20.10.2011
Vorentscheidung in der WTCC 2011?
Ein Ausblick auf das Rennwochenende der Tourenwagen-WM in Japan, die WTCC-Premiere des Suzuka International Racing Course.
Das alljährliche Asien-Gastspiel der WTCC beginnt heuer mit einer Premiere: Am Wochenende geht die Tourenwagen-WM erstmals auf dem Suzuka International Racing Course an den Start. Die vielleicht berühmteste Rennstrecke Japans ist die insgesamt zweite WTCC-Station im Land der aufgehenden Sonne, denn von 2008 bis 2010 gastierte die Rennserie auf dem Okayama International Circuit.
Aus logistischen und wohl auch Prestige-Gründen erfolgt nun also der Wechsel an den 1962 vom niederländischen Streckendesigner John Hugenholtz entworfenen Kurs in der Nähe von Nagoya. Suzuka gilt nicht ohne Grund als echter Klassiker, ist die japanische Rennstrecke doch eine der wenigen Kurse, die in Form einer Acht angelegt sind – inklusive Unterführung.
Die WTCC befährt den kleinen Kurs
Berühmte Kurven wie Degner, Spoon oder die 130R lassen die Herzen von Rennsportfans rund um den Globus höher schlagen; die WTCC lässt diese Abschnitte allerdings aus und befährt statt des 5,807 Kilometer langen Grand-Prix-Kurses den nur 2,248 Kilometer kurzen Ostkurs der Rennbahn, welcher Start und Ziel sowie die S-Kurven umfasst.
Schon in der Dunlop-Kurve macht die Tourenwagen-WM einen Rechtsbogen und kehrt nach der Schikane zurück auf die Zielgerade. Entsprechend hoch ist die Rundenanzahl im Rennen: Pro Lauf sind am Sonntag 23 Runden zu absolvieren, was den Fans auf den Tribünen viel Action bescheren soll; die Piloten sind dagegen ein bisschen enttäuscht, nicht alle Höhepunkte befahren zu können.
"Das ist wirklich sehr schade", meint der frühere Formel-1-Fahrer Tiago Monteiro (Seat). "Der große Kurs ist nämlich eine der besten Strecken der Welt und stellt eine große Herausforderung dar. Ich kann aber schon verstehen, weshalb man sich anders entschieden hat. Die Bahn ist halt sehr lang, und speziell für Tourenwagen würden die Rundenzeiten wohl extrem hoch sein", sagt der Portugiese. "Außerdem bekämen die Zuschauer die Autos nicht so oft zu sehen. Es ergibt also durchaus Sinn, den kleinen Kurs zu befahren."
Eine Rennstrecke der alten Schule
Triumph und Tragödie liegen auf der japanischen Rennbahn allerdings eng beisammen. An dem Ort, wo sich Alain Prost und Ayrton Senna einst bis aufs Messer bekämpften, ließen schon einige Piloten ihr Leben. Immer wieder kam es in den vergangenen Jahren zu schweren oder tödlichen Unfällen.
All dies ist nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass Suzuka eine Naturrennstrecke der alten Schule ist – und somit eben kein Kurs auf allerhöchstem Sicherheitsniveau. Auch deswegen nimmt die Strecke für viele Fahrer einen ähnlichen Stellenwert wie Spa-Francorchamps oder die Nordschleife ein, weil sie noch Motorsport am Limit bietet. Dies fasziniert auch die Piloten im Fahrerlager der Tourenwagen-WM.
"Suzuka ist einfach ein herrlicher Rennplatz – auch für Tourenwagen", sagt Tom Coronel (BMW), der während seiner Karriere im Formelsport einige Jahre in Japan verbracht hat. "Dieser Kurs verfügt über eine große Geschichte, und die japanischen Fans sind ohnehin immer ein Erlebnis für sich." Monteiro kann nur zustimmen. Der Seat-Pilot gerät regelrecht ins Schwärmen und sagt: "Ich liebe diese Strecke."
Neue Gesichter und alte Bekannte
Dass Suzuka auch bei einheimischen Piloten hoch im Kurs steht, zeigt ein Blick auf die Nennliste – neben Yukinori Taniguchi (Chevrolet) sind am Wochenende noch drei weitere Japaner im WM-Starterfeld vertreten: Ex-PWRC-Weltmeister Toshihiro Arai (Chevrolet), Masaki Kano (BMW) und Hiroshi Yoshimoto (Seat) ergänzen das Aufgebot der Stammfahrer – und auch ein Rückkehrer ist in Japan dabei.
Das deutsche Wiechers-Team sicherte sich erneut die Dienste von Tourenwagen-Spezialist Colin Turkington, der schon in Donington Park für den Rennstall ins Lenkrad gegriffen hatte. Der Nordire könnte in Suzuka für die eine oder andere Überraschung gut sein – im vergangenen Jahr hatte er in Okayama sein erstes WTCC-Rennen gewonnen. Daran würde der ehemalige BTCC-Champion gewiss gerne anknüpfen.
Auch Robert Dahlgren rechnet sich gewisse Chancen aus. Der Volvo-Pilot möchte zum Abschluss der Saison unbedingt noch auf das Treppchen fahren und macht keinen Hehl aus seinen Ambitionen: "Wir haben es auf die Top 3 abgesehen", meint der Schwede. "Es stehen nur noch drei Events aus. Es ist also an der Zeit, dass wir in dieser Saison noch ein paar Spuren hinterlassen."
Ob Volvo-Fahrer Dahlgren den Topfavoriten von Chevrolet aber wirklich gefährlich werden kann, muss vorerst dahingestellt bleiben. Fest steht: Rob Huff, Alain Menu und Yvan Muller müssen ab sofort keine Rücksicht mehr auf die Herstellerwertung nehmen, diese konnten sie ja bereits in Valencia erneut für Chevrolet entscheiden. Nun hat einzig die Fahrerwertung oberste Priorität.
Wehe, wenn sie losgelassen ...
Und die Situation an der Tabellenspitze ist spannend: Muller führt vor Japan mit 333 Punkten vor Huff (317) und Menu (253). In Suzuka fällt vermutlich eine Vorentscheidung, denn Menu muss deutlich an Boden gutmachen, will er im Endspurt des Rennjahres noch eine Chance auf den ersten Platz haben. Huff wird indes alles daran setzen, wieder die WM-Tabellenführung zu übernehmen.
Die allerbeste Nachricht kommt aber vom Kommandostand von Chevrolet: Eine Stallregie wird es nicht geben. Das heißt: Die Piloten dürfen es unter sich ausmachen, sofern dabei keine Schäden entstehen. "Wir wollen natürlich nicht, dass es zu einem wilden Rodeo wird", erklärt Chevrolet-Europa-Motorsport-Manager Eric Neve. "Die Fahrer regeln das aber unter sich. Das wird interessant ..."