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WEC: Silverstone Porsche 919, Toyota TS040, Audi R18, Paul Ricard 2015

Vorschau: Auftakt zur Langstrecken-WM

Titelverteidiger Toyota, Porsche oder Audi: Welcher LMP1-Hersteller startet am besten in die neue Saison der Langstrecken-WM?

Mit dem Sechs-Stunden-Rennen in Silverstone startet die Langstrecken-WM an diesem Wochenende in die Saison 2015. Der Lauf in Großbritannien soll erste Hinweise auf die Hackordnung in der hart umkämpften LMP1-Klasse liefern. Beim offiziellen Test in Le Castellet präsentierte sich Porsche über eine Runde extrem stark, Audi überzeugte mit hohem Tempo auf die Distanz. Und Toyota? Die Weltmeister konnten ihr Potenzial noch nicht zeigen.

Die Japaner konnten im vergangenen Jahr mit einem Doppelerfolg in Silverstone den Grundstein für eine erfolgreiche Saison legen, doch das 2014er-Ergebnis trügt ein wenig, denn beim Vorjahresauftakt hatte an sich Audi das schnellere Auto. Die Deutschen verloren jedoch beide R18 durch Unfälle von Lucas di Grassi und Benoît Tréluyer. Betrachtet man die Eigenheiten der neuen Audis mit 4MJ-Hybrid, so gelten die Le-Mans-Sieger auch 2015 als Favoriten auf den Silverstone-Erfolg.

"Das Auto hat einen extremen Schritt gemacht, auch bezüglich der Fahreigenschaften. Der neue R18 ist nach meiner Ansicht viel agiler. Er liegt besser, vor allem bei der Kombination von schnellen und langsamen Ecken, wo man immer einen Kompromiss braucht", schildert Marcel Fässler die Besonderheiten seines Rennfahrzeuges.

Audi und Porsche legten nach

Audi hat den R18 in den Bereichen Antrieb, Aerodynamik und Kinematik umfassend überarbeitet. Das neue FRIC-System, das eine rein mechanische Verbindung von vorderer und hinterer Aufhängung bietet, wird den Deutschen auf nahezu allen Strecken helfen. "Ob wir damit schneller sind als die anderen, das weiß ich natürlich noch nicht. Das sehen wir frühestens in Silverstone. Ich bin aber sehr optimistisch", meint André Lotterer. Beim Rollout in Aragonien spulte man aus dem Stand 4.000 Kilometer ohne Probleme ab.

Porsche gibt die Systemleistung des 919 Hybrid mit rund 1.000 PS an und liegt damit im Bereich des Toyota TS040. Der Porsche erhält seine Hybridenergie zum Teil über den Abgastrakt und hat im Wettbewerb somit den Vorteil, die Batterien auch während der Fahrt laden zu können. Audi und Toyota setzen auf KERS und tun dies nur in den Bremszonen.

Das Porsche-System, das zur Saison 2015 auf das ACO-Maximum von acht Megajoule erweitert wurde, könnte in Silverstone zum Trumpf werden. Der 919, der seine rund 30 Kilogramm Übergewicht aus dem Vorjahr nun nicht mehr mitschleppen muss, war beim Paul-Ricard-Test über eine Runde das eindeutig schnellste Fahrzeug, man darf sich im neuen WEC-Qualifying große Hoffnungen auf die Pole Position machen. Allerdings hat man die Haltbarkeit der Reifen über die Distanz immer noch nicht optimal im Griff – ein großer Wettbewerbsnachteil.

Toyota verbesserte Details des TS040

Mit Tempo und Konstanz hat sich Toyota im vergangenen Jahr die WM-Krone aufgesetzt. Die klaren Ziele der Kölner Japaner lauten: Titelverteidigung – und Le-Mans-Triumph. Wie gut der neue TS040 ist, wurde beim Prolog nicht deutlich. Bei privaten Testfahrten in Südfrankreich war man erheblich schneller als bei den offiziellen Ende März. Toyota möchte die Karten wohl erst im Vorfeld von Le Mans aufdecken, in Silverstone muss man das Team dennoch auf der Rechnung haben.

"Vom Fahrgefühl her haben wir meiner Meinung den größten Schritt der letzten drei Jahre gemacht. Es ist nicht unbedingt leichter, aber auch nicht unbedingt schwieriger", beschreibt Alex Wurz die Eigenheiten des Toyotas. "Die Entwicklung wird immer mehr vorangetrieben, macht alles ein weniger enger. Die Aero[dynamik] wird ausgefeilter, das Fenster wird kleiner, aber das ist alles relativ normal."

Toyota hat das im Vorjahr so erfolgreiche Fahrzeug vor allem in aerodynamischen Details weiterentwickelt. Auch am Hybridsystem gab es Veränderungen. Man bleibt zwar in der 6MJ-Hybridklasse, sollte aber die maximale Leistung des elektrischen Antriebssystems unter anderem wegen neuer Generatoren an der Vorderachse häufiger erreichen als noch in der Saison 2014.

Die LMP1-Klasse wird bei den ersten beiden Saisonrennen in Silverstone und Spa-Francorchamps durch ein einziges Fahrzeug ohne Werksstatus komplettiert: ByKolles bringt den überarbeiteten Ex-Lotus CLM P1/01 für Simon Trummer und Vitantonio Liuzzi an den Start; Pierre Kaffer muss wegen Einsätzen in den USA die ersten beiden WEC-Rennen auslassen. Rebellion steigt nach dem Wechsel auf AER-Antriebe erst später in die Weltmeisterschaft ein.

LMP2: Morand fehlt beim Auftakt

In der LMP2-Klasse gehen am Wochenende acht Fahrzeuge ins Rennen. Die beiden Morgan-Judd von SARD-Morand werden fehlen – aus administrativen und rechtlichen Gründen, wie es vonseiten der schweizerisch-japanischen Mannschaft heißt. Angeblich ist der geplante Verkauf an ein ukrainisches Unternehmen ins Stocken geraten. Stammpilot Pierre Ragues hofft aber, dass man ab Spa fahren kann, wenngleich der Franzose zum aktuellen Zeitpunkt keinen weiteren Kommentar abgeben wollte.

Im Kampf um die Klassensiege darf man wohl ein enges Duell zwischen G-Drive und KCMG erwarten. Die Mannschaft des Russen Roman Rusinov setzt ab sofort zwei Ligier-Nissan ein, man hat sich unter anderem mit dem langjährigen Formelass Sam Bird verstärkt. KCMG setzt das neue Oreca-05-Chassis ein, dem Coupé wird aufgrund der bisherigen Tests großes Potenzial nachgesagt. Signatech-Alpine, Strakka und ESM (vormals Extreme Speed Motorsports), die sich in Silverstone mit Le-Mans-Gesamtsieger David Brabham verstärken, rechnen sich Chancen aus, bei Oak wollen die befreundeten Herrenfahrer Jacques Nicolet, Erik Maris und Jean-Marc Merlin vorrangig Spaß haben.

GTE: Versteckspiel geht weiter

In der GTE-Pro-Kategorie stellt sich vor dem Start in die neue WEC-Saison die Frage, wer überhaupt gewinnen WILL. Das Exempel von Porsche aus dem Vorjahr dürfte für einige Zurückhaltung sorgen: Die deutsche Marke hatten in Silverstone mit dem 911er bei Regen gewonnen und war dafür im Rahmen der Einstufung (Stichwort: Balance of Performance) gleichsam bestraft worden. Somit werden voraussichtlich weder Porsche noch Aston Martin oder Ferrari die Karten gleich komplett aufdecken.

Die Titelverteidiger von AF Corse gehen in unveränderter Aufstellung und mit einem nur leicht angepassten Ferrari 458 Italia an den Start. Die enorme Effizienz des dennoch bald vom neuen 488 abgelösten Italieners sollte wieder Trumpf sein. Porsche hat seinen 911 im Rahmen der eher geringen Möglichkeiten, die das Reglement zulässt, überarbeitet. Man hat bei der Entwicklung vor allem auf eine bessere Reifennutzung abgezielt. Beim Test in Le Castellet hinterließ das Auto einen soliden Eindruck.

Aston Martin hat sich bei der Entwicklung des Vantage auf die Standfestigkeit konzentriert, um den guten Grundspeed des Fahrzeuges endlich auch in die gewünschten Erfolge ummünzen zu können. Mücke/Turner gehen wieder als Speerspitze in den Dreikampf der Werke. Das dänische Young-Driver-Team hat sein Fahrzeug erstmals in der Pro-Klasse genannt, somit gehen insgesamt drei Vantage an den Start. In der Amateurklasse darf man auf die Corvette C7.R von WM-Rückkehrer Larbre Compétition gespannt sein. Am Steuer: Kristian Poulsen, Gianluca Roda und Paolo Ruberti.

England im April? Die Wetterprognose

Vor allem in den GTE-Klassen könnte das Wetter erheblichen Einfluss auf den Rennausgang haben, denn der Porsche ist aufgrund seines Heckmotors bei Nässe nahezu unschlagbar, wie die Saison 2014 gezeigt hat. Wird das Werksteam um Olaf Manthey auch in diesem Jahr zum Klassensieg "gespült"? Die aktuellen Vorhersagen für das Silverstone-Wochenende weisen vorab keine erhöhte Regengefahr aus.

Am Freitag sollte man bei leicht bewölktem Himmel und Temperaturen von bis zu 19 Grad auf eine trockene Strecke gehen. Der bereits kräftige Wind könnte am Samstag sogar noch zunehmen. Bei kühleren Werten am zweiten Tag muss am Vormittag mit einigen Regentropfen gerechnet werden, wenngleich kräftige Böen bis 60 km/h Windgeschwindigkeit die Strecke schnell abtrocknen würden. Am Renntag selbst flaut die Brise vermutlich wieder ab, es bleibt bei maximal 13 Grad durchwegs trocken.

Die Langstrecken-WM bestreitet am Freitag gegen 12 und 16 Uhr zwei jeweils 90minütige Trainingssitzungen, am Samstag gibt es ab 9 Uhr eine Stunde lang noch einmal ein freies Training. Anschließend findet ab 12 Uhr das Qualifying im leicht abgeänderten Format statt. Zur gleichen Zeit startet am Sonntag das Rennen über sechs Stunden. Der Sender ORF Sport plus überträgt erstmals live. Im Rahmenprogramm absolvieren die European Le Mans Series sowie die Formel-3-EM ihre Auftaktrennen zur neuen Saison.

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