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Last-Minute-Klassensieg für Hollerweger

Michael Hollerweger erfüllte sich einen Lebenstraum und triumphierte beim 24h-Rennen am Nürburgring, obwohl er eigentlich gar nicht starten wollte - der Oberösterreicher beschreibt im Gespräch mit motorline.cc wie es zu diesem Erfolg kam.

Fabian Bonora
Fotos: Thomas Kofler, 24h-Media, Schmickler

Er kam, sah und siegte: Getreu des bekannten Ausspruchs bezwang Michael Hollerweger am vergangenen Wochenende die “Grüne Hölle”. Auf einem BMW 330i von Schmickler-Performance gewann das Trio Michael Hollerweger, Albert Egberth und Maik Rönnefarth beim 24-Stunden-Rennen auf der Nürburgring-Nordschleife die seriennahe Klasse V5 souverän mit über zwei Runden Vorsprung. Doch dieser eindrucksvolle Erfolg kam für den Oberösterreicher mehr als überraschend.

“Vor einer Woche wusste ich noch nicht mal, dass ich fahre”, gibt Michael Hollerweger lachend zu. Der Amateur-Racer, der im Moment mit erfolgreichen Starts im heimischen Histo Cup, sowie im Porsche Alpenpokal gut ausgelastet ist, ergatterte im letzten Moment einen Fahrerplatz bei dem Nürburgring-erprobten Team aus Deutschland.

Hollerwegers eigentliches Ziel war es seine Grade-A-Lizenz zu erhalten, die man benötigt, um bei den 24 Stunden vom Nürburgring an den Start zu gehen: “Ich habe einige Teams abgeklappert und zahlreiche Emails versandt.” Am schnellsten war dann das Team von Schmickler-Performance. “Nachdem mich das Team gecheckt hatte, bekam ich dann Mittwochvormittag die Bestätigung. Zur Sicherheit habe ich aber am Vortag schon meine Sachen ins Auto geschmissen”, scherzt der 46-Jährige. Bevor er dann endgültig die Reise gen Nürburgring antrat, brauchte es dann doch noch einige Überzeugungsarbeit vom ehemaligen Teamchef Thomas Kofler von Medilikke Motorsport.

Ohne je vorher im Schmickler-BMW gesessen zu sein, begann für Michael Hollerweger im Freien Training dann das Abenteuer. Im Qualifying war der zweifache BMW-325-Challenge-Sieger gleich schneller als seine Teamkollegen: “Schnell fahren in einem BMW verlernt man nicht!”

Nachdem das Trio von Startplatz drei in seiner Startgruppe ins Rennen ging, lieferte man sich in der ersten Rennstunde ein packendes Duell gegen einen überlegenen Porsche Cayman, sowie einem BMW Z4 um die Klassenführung. Ein Hagelschauer kurz nach dem Rennstart führte aber zu einer stundenlangen Unterbrechung des Rennens, da zahlreiche Fahrzeuge auf der gefluteten Rennstrecke auf Trockenreifen verunfallt oder auf der Strecke hängen geblieben waren.



Hollerweger fuhr dann den Restart und bewältigte den “Stint seines Lebens”. Bei Starkregen wurde das Rennen erst nach drei langen Einführungsrunden wieder frei gegeben: “Der Restart war der Wahnsinn! Du fährst im Blindflug Richtung erste Kurve und siehst nichts, dann wartest du auf die Bremslichter und hoffst, dass du im richtigen Moment in die Eisen steigst.” Trotz dieser widrigen Bedingungen ging der Kampf gegen Porsche und BMW weiter.

Einige Fahrzeuge vor Hollerweger hielten am Flugplatz eine weiße für eine gelbe Flagge - er zögerte nicht lange und nutzte die Gunst der Stunde für ein mehrfaches Überholmanöver. Dadurch führte Hollerweger im unterlegenen Auto zeitweise seine Startgruppe an und holte sogar auf die vorige Startgruppe auf. “Ich bin dann ein paar Mal quer durch die Mutkurve gerutscht, da darfst du dir als Fahrer nicht in die Hosen machen. Auch wenn duellierende GT3-Autos angeflogen kommen, musst du cool bleiben, aber das ist so verdammt schwer!” , erklärt Hollerweger voller Leidenschaft.

Kurz gegen Mitternacht schied der in Führung liegende Cayman aus und das Schmickler-Team erbte die Zwischenführung. Daraufhin dominierte man souverän die letzten 16 Stunden des Rennens und fuhr den Sieg bei weiterhin extrem schwierigen Wetter- und Streckenbedingungen fehlerfrei nach Hause. Runde für Runde vergrößerten alle Fahrer den Vorsprung.

“Mein Teamchef hat mir während meines letzten Stints gefunkt, dass ich 20 Sekunden schneller fahre, als der Zweite und vom Gas gehen soll! Ich bin dann einfach meinen Tempo gefahren, du hast dabei hunderttausend Sachen im Schädel. Schlussendlich haben wir den Zweitplatzierten dann nochmal überrundet”, erklärt Hollerweger stolz.

Trotzdem gab das Team eine vorsichtige Strategie vor: “Wir waren immer auf durchkommen programmiert. Durchkommen und den Vorsprung ausbauen waren unsere Ziele. Wir wechselten schnell auf Regenreifen und blieben zeitweise lang auf den Regengummis - eine allgemein sichere Strategie. Markus Schmickler war immer ruhig und lässig, er hatte Gott sei Dank auch überall seine Spione.”

Auf die Frage, was seine ersten Gedanken nach dem Zieleinlauf waren, antwortet der Oberösterreicher zurückhaltend: “Gar nichts geht dir da durch den Kopf. Es fällt einem ein riesen Ballast weg. Ich hatte Tränen in den Augen und war überrascht und überwältigt zugleich. Realisiert habe ich das Ganze aber immer noch nicht. Es ist so leicht auf der Nordschleife Fehler zu machen, aber extrem schwierig alles richtig zu machen.”

Mit dem Sieg in der Klasse V5 prolongiert der Reifenhändler aus Gmunden auch seine erfolgreiche Bilanz auf der Nordschleife. Bei sechs Starts kam Hollerweger jedes Mal ins Ziel und brachte dabei alle seine Rennwägen ohne Kratzer nach Hause. Zwei Mal zuvor schon landete er mit Medilikke Motorsport auf dem Podest.

Eines ist sich Hollerweger sicher: “Das ist die Krönung von zehn Jahren Motorsport, ich habe niemals davon geträumt, dass ich sowas gewinnen kann.” Doch wie man weiß, gewinnt man ein 24-Stunden-Rennen niemals alleine: “Es war auch eine perfekte Leistung des Teams! Es müssen so viele kleine Zahnräder ineinander greifen, um zu gewinnen. Ich habe mich vom ersten Tag an wohl gefühlt. Das Team hat keine Fehler gemacht, vom Koch bis zum Schrauber”, betont der in Nußdorf am Attersee lebende Rennfahrer die gute Zusammenarbeit innerhalb des Teams.

Doch auch abseits des Motorsports muss man alles im Griff haben, um auf der Strecke alles richtig machen zu können. Für Hollerweger ist die mentale Unterstützung seines privaten Umfelds der Schlüssel zum Erfolg: “Alle Leute müssen hinter dir stehen - in der Firma wie in der Familie. Im Auto muss man abschalten können und frei im Kopf sein, nur dann kannst du einen guten Job machen.”

Einige Emotionen haben ihn an sein erstes “24er” erinnert: “Es war eigentlich easy, da alles zusammengepasst hat - die Performance der Fahrer, das Team, das Auto. Dass wir so ein turbulentes Rennen so problemlos über die Bühne gebracht haben, ist beeindruckend. Jeder will immer das Beste rausholen, dabei kommt man kaum zur Ruhe. Teilweise ist man 40 Stunden am Stück wach.”

Ein Sieg blieb trotzdem immer das oberste Ziel: “Zahlreiche Piloten und Teams haben so viel versucht und verbissen gekämpft, um so einen Sieg zu feiern. Wir sind auch (mit Medilikke Motorsport, Anm. d. Red) schon fünfmal angetreten. Ebenfalls mit einem unterlegenen Auto, aber durch diesen Sieg habe ich am meisten gelernt. Ich weiß aber jetzt viele Dinge, die ich besser machen könnte.”

Auf der Heimfahrt klingelte sein Telefon ununterbrochen. Darunter waren nicht nur zahlreiche Gratulanten, sogar einige Angebote für einen Einsatz in potenteren Fahrzeugen blieben nicht aus: “Diese Resonanz ist für mich lässig. Es ist ein tolles Gefühl, wenn die Leute anrufen und mit dir fahren wollen!”

Wie Sie merken könnte man ein Buch über die Erfahrungen bei einem “24er” schreiben - doch das würde das Format sprengen. Selbst bei einem vermeintlich kleinen Team stecken Unmengen an Herzblut, Leidenschaft und viel Schweiß dahinter. Als Schreiber dieser Zeilen, der bei diesem wunderbaren Stück Motorsportgeschichte anwesend sein durfte, kann ich nur jedem empfehlen, einmal das wohl härteste 24-Stundenrennen der Motorsportwelt zu besuchen, um in diese einmalige Gefühlswelt einzutreten.

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