
WTCC: Marrakesch | 05.05.2016
Vorschau: Vertrautes Neuland Marokko
Gewohnter Ort, neue Herausforderung: In Marrakesch müssen sich die Piloten der Tourenwagen-WM an einen modifizierten Kurs gewöhnen.
Am vierten Rennwochenende der Tourenwagenweltmeisterschaft 2016 betreten die Piloten in Marokko gleichsam Neuland. Zwar ist der Austragungsort wie schon sechs Mal zuvor der Circuit Moulay El Hassan in Marrakesch, doch der Kurs präsentiert sich nach einem grundlegenden Umbau seit heuer im neuen Gewand. "Es ist nicht mehr der traditionell schnelle Kurs, bei dem man die Schikanen schneiden und über die Randsteine fahren muss. Er ist jetzt kürzer und langsamer", sagt etwa WM-Spitzenreiter José María López.
Die Rennstrecke wurde von rund 4,5 auf 2,971 Kilometer verkürzt, womit sie nun die kürzeste im WM-Kalender ist. Anstelle einer Aneinanderreihung von langen, von Schikanen unterbrochenen Geraden windet sich der neue semi-permanente Kurs in nun umgekehrter Richtung ums Fahrerlager und durch einen Teil des Touristenviertels der Stadt.
Somit steht für alle Fahrer zu Beginn des Wochenendes erst einmal das Kennenlernen des Parcours auf dem Programm. "Ich werde mich auf die Streckenbegehung verlassen, denn ich habe keinerlei Referenz", meint Volvo-Pilot Fredrik Ekblom. Auch Motorsporturgestein Gabriele Tarquini verlässt sich ganz auf den Eindruck vor Ort: "Anstatt eine Strecke im Simulator zu lernen, mache ich es lieber wie vor zehn oder 20 Jahren, als man die Strecke abgegangen ist, um die Kurven, die Randsteine und das Gripniveau kennenzulernen."
Eines dürfte nach dem Studium der Streckenskizze jedoch bereits feststehen: Marrakesch wird nach dem Umbau nicht nur die kürzeste, sondern auch die langsamste Strecke dieser Rennserie sein. "Wir werden nicht in den sechsten Gang schalten, vielleicht nicht einmal in den fünften", erwartet Citroën-Pilot Yvan Muller, dessen Team eine Rundenzeit von 1:20,5 errechnet hat – das würde einer Durchschnittsgeschwindigkeit von knapp 133 km/h entsprechen.
Somit werden vor allem gute Traktion und Bremsen wichtig sein. Das sind Disziplinen, in denen der Honda Civic TC1 recht stark ist. Nicht nur aus diesem Grund gehören die Piloten des japanischen Werksteams an diesem Wochenende wieder zu den Sieganwärtern. Nachdem die Hondas zuletzt bei den Ungarn-Rennen noch 70 Kilogramm Kompensationsgewicht einladen mussten und damit nur zehn Kilogramm leichter als die Citroën waren, dürfen sie in Marrakesch wieder 30 Kilogramm ausladen.
Dementsprechend optimistisch blicken Rob Huff, Norbert Michelisz und Tiago Monteiro auf das Rennwochenende. "Da wir dort mit fast halb so viel Kompensationsgewicht wie in Ungarn fahren werden, bin ich mir sicher, dass wir eine starke Vorstellung liefern werden", meint Michelisz, der seine verpatzten Heimrennen abhaken will. "Wir werden versuchen, Honda wieder an die Spitze der Herstellerwertung zu bringen."
Kampflos wird Citroën seinem Rivalen das Feld aber nicht überlassen. López will auch bei seinem dritten Antritt in Marrakesch gewinnen und seine WM-Führung ausbauen: "Hoffentlich können wir eine ähnlich starke Leistung wie im Vorjahr zeigen und wieder vorne mitfahren. In diesem Jahr ist es aber eine andere Geschichte, denn wir haben Probleme [wegen des Erfolgsballasts; Anm.] und müssen viel härter gegen unsere Gegner kämpfen." Am meisten umjubelt wird im Citroën-Lager aber Lokalmatador Mehdi Bennani sein, der erneut als dritter Fahrer für das Mannschaftszeitfahren am Samstag nominiert worden ist.
Während Lada auf dem winkligen Stadtkurs Schwierigkeiten haben könnte, obwohl man nur noch 30 Extrakilogramm zuladen muss, bietet sich Volvo in Marrakesch vielleicht die beste Chance des Jahres. Im Gegensatz zu allen anderen Strecken haben die Schweden dort keinen Erfahrungsrückstand gegenüber der Konkurrenz. Nach den beiden vierten Plätzen von Thed Björk und Fredrik Ekblom auf dem Hungaroring wäre das erste Podiumsresultat für die Schweden an diesem Wochenende keine wirkliche Überraschung mehr.
Im Fahrerfeld gibt es vor dem vierten Rennwochenende 2016 nur eine Veränderung: Bei Münnich übernimmt James Thompson zum zweiten Mal den Chevrolet Cruze TC1 von Teambesitzer René Münnich, der wieder der Rallycross-WM den Vorzug gibt. Nika hat seinen Einstieg in die Saison abermals kurzfristig abgesagt, während man bei Zengö noch gespannt sein darf, ob Daniel Nagy (HUN) endlich zu seinen ersten WTCC-Einsätzen kommen wird.