Rallye-WM: Türkei | 15.04.2010
Jetzt ist die beste Tarnung gefragt…
Um die Taktikspielchen zu verhindern, verweisen die Stewards auf den Artikel 151c und drohen mit Strafen. Shakedown: Loeb Schnellster, Solberg/Minor 4.
Michael Noir Trawniczek
Foto: Citroen Racing
„13 Ideen für eine bessere Rallye-WM“ hat der FIA-Weltrat im letzten Juni enthusiastisch der Öffentlichkeit präsentiert. In dem „verheißungsvollen“ Schriftstück wurde eine glanzvolle WRC-Zukunft skizziert, einige der „bahnbrechenden“ Ideen waren: die Technische Abnahme als Entertainment-Element, mehr Action in der Servicezone, eine Weltrangliste und der Shakedown als spannendes Qualifying für die Startreihenfolge...
Umgesetzt wurde freilich nichts von all dem – und obwohl die leidigen Taktikspielchen auf Schotter bereits im Vorjahr für heftige Kritik sorgten, blieb das Reglement für 2010 in diesem Punkt unverändert.
Nachdem die beiden einzigen in der WRC vertretenen Hersteller zuletzt in Jordanien ihre taktischen Spielchen weit über die Schmerzgrenze hinaus betrieben haben, ein Team das andere mit diversen Stempeltricks (zu spät am Service, zu früh am Start) zu übertreffen versuchte und die Startreihenfolge am Sonntagmorgen nur noch wenig mit dem Klassement nach der zweiten Etappe zu tun hatte, mehrten sich die kritischen Stimmen –so mancher Teamverantwortliche forderte ein Ende der Strategieexzesse, die Fahrer wünschten sich jenes „Shakedown-Qualifying“, welches der Weltrat in seinem „visionären“ Schriftstück an- aber keineswegs zu Ende gedacht hat…
Doch weil das Regelwerk der Obersten Sportbehörde bekanntlich ein starres Gebilde abseits jedweder Flexibilität oder gar Hausverstand ist, greifen die Verantwortlichen der Türkei-Rallye nun auf jenen „guten, alten“ Gummiparagraphen zurück, der auch in der Formel 1 schon für das eine oder andere mehr oder weniger nachvollziehbare Urteil herangezogen wurde.
Stewards veröffentlichten Bulletin
Im Anschluss an den Shakedown wurde um 12.30 Uhr Ortszeit von den Stewards ein Bulletin veranschlagt, welches sich auf den Artikel 151c des Internationalen Sportgesetzes beruft.
Alle Bewerber seien dazu angehalten, ihre Aufmerksamkeit dem Artikel 151c des Internationalen Sporting Codes (ISC) zu widmen – dieser besagt, dass „jede Aktion, die sich nachteilig auf die Interessen des Wettbewerbs oder auf die Interessen des Motorsports allgemein auswirkt, bestraft werden kann“.
Die Bewerber wurden darauf hingewiesen, dass die Stewards „nach eigenem Ermessen jede Aktivität untersuchen werden, welche ihrer Meinung nach in diese Kategorie fällt“. Die Rennkommissare würden über die „alleinige Entscheidungsberechtigung“ verfügen, in bestimmten Fällen eine Strafe zu verhängen.
Das heißt: Jedes Team, welches taktisch vorgeht, riskiert theoretisch eine Bestrafung – wenn nach Meinung der Stewards damit das Ansehen des Sports beschädigt wird.
Somit müssen taktische Züge auf jeden Fall „getarnt“ werden – technische Probleme sind dann offiziell der Grund, wenn eine Crew das Tempo verlangsamt, um am nächsten Tag nicht als erster Wagen auf die Strecke zu müssen.
Hallo Willkür, hallo Hinterfotzigkeit
Stellt sich die Frage, wie die FIA-Kommissare beweisen wollen, dass ein Team tatsächlich absichtlich langsamer wurde? Welche Aktionen werden von den Stewards untersucht, welche nicht? Willkürliche Entscheidungen der Stewards und hinterfotzige Begründungen der Crews sind zu befürchten: Den Taktikspielchen wird an diesem Wochenende wohl kein Ende bereitet, sie werden lediglich gut getarnt und verschleiert…
Der Sport, so ist zu befürchten, rückt damit noch weiter in den Hintergrund. Stattdessen wird nun über die perfekte Tarnung der Taktikzüge nachgedacht. Dass Sébastien Loeb die schnellste Shakedown-Zeit fuhr, ist nur noch Nebensache. Dass Henning Solberg und seine österreichische Co-Pilotin Ilka Minor die viertschnellste Zeit markieren konnten, ebenso.
Die Türkei-Rallye wird am Freitagmorgen gestartet, die erste Sonderprüfung, die rund 15 Kilometer lange SP 1 „Darlik“ wird ab 9.03 Uhr Ortszeit in Angriff genommen.
Shakedownzeiten
1. Loeb Citroen 2:30.8 2. Sordo Citroen 2:31.1 3. Hirvonen Ford 2:31.7 4. Solberg/Minor Ford 2:32.2 5. P. Solberg Citroen 2:32.5 =. Ogier Citroen 2:32.5 7. Räikkönen Citroen 2:33.1 =. Latvala Ford 2:33.1 9. Villagra Ford 2:33.7 10. Wilson Ford 2:35.2 11. Block Ford 2:38.5