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Franz Wittmann im Geburtstags-Interview

Österreichs erster WM-Sieger, Charakterkopf Franz Wittmann senior im großen Motorline-Interview anlässlich seines 70. Geburtstags. Selbstverständlich im O-Ton.

Noir Trawniczek

Herzlichen Glückwunsch zum 70. Geburtstag - wie wirst du deinen Ehrentag begehen?

Danke. Eigentlich wollten wir ein großes Fest abhalten - vor einem Monat haben wir eine lange Liste mit geladenen Gästen angefertigt, die wir zum Glück noch nicht ausgeschickt haben. Denn nun werden wir meinen Geburtstag im ganz kleinen Kreis feiern: Nur meine Frau Rolanda, die beiden Söhne Sebastian und Franz und ich. Ich denke, das wird ein schönes Fest und es ist eben jetzt einfach so. Eine größere Party können wir ja vielleicht später einmal nachholen. Zum 71er, zum 72er - und ich bin ja auch ein ganzes Jahr lang 70, soferne es einem gut geht, nicht wahr?

Ja. Und was ich am Telefon so höre, scheint es dir ja bestens zu gehen?

Danke, ja mir geht es sehr gut.

Das freut mich. Immer wenn wir beide miteinander sprechen, fällt auch das Wort "Comeback"- ist diesbezügich was geplant?

(lacht) Nein, um Gottes Willen! 2003 habe ich gesagt, dass ich aufhöre und daran habe ich mich gehalten. Wenn ich mitfahre, dann um zu gewinnen - und um zu gewinnen, bin ich zu alt. Und spazierenfahren kann ich auch hier, auf den Waldwegen mit Rolanda.

Mein Problem ist: Ich bin ehrgeizig. Wenn ich fahre, dann will ich gewinnen! Und das ist nicht möglich. Erstens brauchst du ein gutes Auto - und wir haben derzeit sehr gute Fahrer in der heimischen Meisterschaft. Hermann Neubauer, Niki Mayr-Melnhof, die beiden Wagner-Brüder.

Wo ich vielleicht ein bisschen an sie rankommen würde, wäre auf Schnee. Sonst nirgends. Ich sage nicht, dass ich schneller wäre als sie - aber auf Schnee würde ich in die Nähe kommen...

Also Comeback bei der Jännnerrallye 2021? Nein, ein Scherz. Aber man spürt, dass das Feuer immer noch in dir brennt oder?

Nein. Oder ja, aber nein. (lacht)

(lacht) Beides...

Aber ganz ehrlich: Wir haben jetzt andere Sorgen als das Feuer in mir.

Da hast du leider Recht. Die Coronakrise hält die Welt in oder vielmehr außer Atem - so etwas hat die Welt, so etwas hat auch der Rallyesprt noch nicht erlebt. Wie glaubst du, wird der Rallyesport aus dieser Nummer wieder rauskommen?

Man sagt, dass es bis Ende Juni keine Veranstaltungen geben wird. Vielleicht tut sich in der zweiten Jahreshälfte etwas.

Glaubst du da daran? Also eher der Optimist? Pessimisten sagen ja, es wird heuer gar keine Veranstaltungen mehr geben. Dann gibts wiederum welche, die liegen dazwischen, glauben an eine Auferstehung im Herbst. Wo liegst du da?

Ich weiß es auch nicht. Ich habe ja auf unserem Golfplatz auch eine große Veranstaltung, die Challenge Tour, die für Mitte Juli geplant ist. Das Problem bei einem solchen großen Golfturnier: Das ist ja europaweit und die Frage ist, ob die Leute anreisen dürfen. Vielleicht müssen wir es verschieben, ich weiß es auch nicht - aber das entscheide ich erst in einem Monat.

Klingt schwierig - ich denke, dass am Ende das ‚schwächste‘ Land entscheiden wird.

Ja, es wäre unfair gegenüber jenen, die zum Beispiel aus Italien, Frankreich oder Spanien anreisen müssen und das daher gar nicht tun können. Oder auch aus den USA - wir hatten bei unserem Turnier zuletzt 33 Nationen am Start. Du kannst dir sicher vorstellen, was das bedeutet...

Ja. Vor allem, weil man jetzt noch gar nicht weiß, was im Juli erlaubt sein wird...

Ja, wobei ich denke, dass es bei uns im Golfsport so ähnlich ist wie mit dem Spazierengehen. Ich hoffe, dass wir bald einmal das Okay erhalten, unseren Sport ausüben zu dürfen. Dass unsere Mitglieder spielen dürfen. Viele Gäste werden nicht kommen. Doch von ihnen sind wir sehr abhängig.

Jetzt gibt es ein paar Alternativen. In der veranstaltungsfreien Zeit sprießen virtuelle Rennen und Rallyes - reizt dich virtueller Motorsport?

Nein, so was taugt mir nicht - ich möchte etwas im Hintern spüren, wenn ich fahre. Und nicht auf der Leinwand (lacht). Außerdem kenne ich mich nicht so gut aus mit diesen Spielen. Nein, das taugt mir nicht. Okay, macht ja nichts oder? Ich hoffe, das ist okay, wenn ich das sage?

Aber sicher. Es wird dir wohl niemand übel nehmen. Jetzt muss ich leider nochmal zu einem ernsten Thema zurückkehren: Wie glaubst du, wird die Zukunft des Rallyesports aussehen, wenn der Corona-Wahnsinn einmal vorbei ist?

Ich glaube schon, dass es eine Zukunft geben wird - aber ich denke, dass man gedämpft agieren wird. Aber ich kenne ja viele Betriebe - der eine gibt dem anderen die Hand. Der eine war aus dem Ausland. Und ich frage ihn, warum er ihm die Hand gibt. Sagt er: ‚Das mit dem Coronavirus ist alles ein Blödsinn!‘ Was ich meine: Es gibt leider, leider noch immer einige, die es einfach nicht kapieren. Die es nicht kapieren, dass es ganz sicher nicht ungefährlich ist.

Aber wir könnten hier jederzeit Golf spielen - da bist du ja allein, da liegen ja 200 Meter dazwischen. Aber die Regierung traut sich halt nicht sagen, dass man Golf spielen darf während andere Sportarten noch zuwarten müssen. Es ist eine sehr schwierige Situation, ganz schwierig.

Wenden wir uns noch einmal dem heute wichtigsten Thema zu: Das absolute Top-Ereignis deiner beispiellosen Karriere ist?

Es gibt drei. Da wäre zunächst die Weltpremiere des Audi quattro. Ich war der erste, der damit einen internationalen Lauf, die Jännerrallye fahren durfte und habe dort mit 20 Minuten Vorsprung alle Prüfungen gewonnen. Das war das erste Mal, dass ein Allradauto im Rallyesport fahren durfte. Da waren ja 300.000 Leute in Freistadt, das war ja ein Wahnsinn.

Zum Thema quattro wollt ich noch einwerfen: Es gibt da ja immer so Verklärungen - zum Beispiel wird Walter Röhrl immmer als der totale quattro-Pilot bezeichnet, obwohl Röhrl damit gemessen an seinen vielen anderen Siegen in anderen Autos relativ wenig gewonnen hat...

Ganz genau - er hat damit überhaupt nicht viel gewonnen. Einmal in Sanremo mit dem Kurzen - und eine Monte, glaube ich. Der Walter ist beim Audi quattro erst später eingestiegen - er ist erst 1983 oder 1984 dazugekommen. Und er wurde mit dem Audi quattro tatsächlich niemals Weltmeister - das wurde er mit anderen Autos.

Der Audi quattro hat eine riesige Ansammlung von Verehrern - auch heute noch. Doch der Allradantrieb hat letztendlich dazu geführt, dass viele der heutigen Rallyeautos ‚wie auf Schienen‘ fahren und während die Piloten von Kurvengeschwindigkeiten wie noch nie schwärmen, fehlt manchen Fans die mit freiem Auge sehbare Action. Man könnte den Audi quattro also nicht nur als Segen sehen, sondern auch als Fluch...

Das stimmt. Er brachte auch die hohe Kostenexplosion. Das stimmt schon. Aber damals, wie ich zum erste Mal damit gefahren bin - da hast du nicht einmal eine Handbremse verwenden dürfen, weil er nach hinten gesperrt war. Da hast du vor einer Spitzkehre entweder anpendeln müssen oder ruhig durchfahren. Du musstest mit dem linken Fuß bremsen, damit du rechts in der Kurve Gas geben kannst - da ist sonst der Turbo komplett in den Keller gefallen. Und da hattest du zunächst vielleicht nur 150 PS und dann erst kam der Schub mit den 400 PS. Der Quattro war am Anfang wirklich schwierig zu fahren.

Die heutigen World Rally Cars müssen ein Hammer sein! Die müssen ein Hammmer sein! Die Straßenlage! Die langen Federwege und trotzdem stabil! Wenn wir lange Federwege gemacht haben, dann war das Auto instabil. Und jetzt ist das Auto so stabil, als würdest du ein niedriges Fahrwerk haben. Das schluckt alle Wellen - das muss ja herrlich sein...

Kommen wir zurück zu deinen Top 3-Ereignissen - welches ist Nummer zwei?

Mein größter Wunsch war stets, einen WM-Lauf zu gewinnen. Und ich habe das eigentlich schon aufgegeben und dann kam Neuseeland und da haben wir gewonnen, als erste Österreicher.

Das dritte Highlight war mit Toyota den zwölften Staatsmeistertitel einzufahren. Ich musste damals das Fahren mit einem WRC erst einmal erlernen und im Jahr 2000 ist uns der Raphael Sperrer noch relativ davongefahren. Doch dann habe ich es mit einem ganz harten Fight doch noch geschafft, den Meistertitel zu gewinnen. Und das war schon mein Höhepunkt.

Also diese drei Höhepunkte gab es - und dann natürlich wollte ich mit einem Sieg aufhören und fuhr 2003 noch einmal die Jännerrallye mit einem aus der Tschechei geliehenen WRC und konnte die Jännerrallye zum zehnten Mal gewinnen - und seitdem bin ich nie wieder gefahren. Es war mein 79. Gesamtsieg! 80 hätte ich gerne gehabt - aber das ist sich leider nicht ausgegangen.

Das klingt jetzt aber schon wieder sehr nach Comeback...

(lacht) Nein, nein - die Jungs fahren alle zu gut...

Zum Geburtstag draf man sich ja etwas wünschen - was wäre denn dein größter Wunsch?

Mein größter Wunsch ist, dass wir unseren Golfplatz wieder aufsperren dürfen.

Okay, aber wenn ich deine vorhin geäußerte Begeisterung für aktuelle WRCs bedenke - wenn dir jemand, zum Beispiel ein Hersteller oder sonst jemand, im Nachhinein eine Freude zum 70er oder dann vielleicht 71er machen wollen würde, dann wäre das eine Fahrt in einem aktuellen WRC?

Ja, das wäre schön. Ein paar Kilometer oder so. Das wäre großartig! Aber kein R5 bitte! Ein richtiges, ein aktuelles World Rally Car wäre super.

Okay. Ich wünsche dir noch einen schönen Geburtstag und mögen all deine Wünsche in Erfüllung gehen..

Danke sehr. Und bleibt gesund.

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