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Le Mans Classic 2010

Joint Venture

Ecurie Vienne, Jacobs & Deutsch bei der Le Mans Classic 2010: Zwei geschichtsträchtige Porsche-Boliden kehren an die Sarthe zurück.

Johannes.Gauglica@motorline.cc
Bilder: Walter Vogler, Ecurie Vienne, Porsche

In Le Mans trifft sich die globale Sportwagenszene heuer zwei Mal: Am 12./13. Juni für das große 24-Stunden-Rennen, und von 9. bis 11. Juli für die mittlerweile auch schon traditionelle „Le Mans Classic“. Dort kommen die Fahrzeuge zum Einsatz, die in vergangenen acht Jahrzehnten den Circuit de la Sarthe umrundet haben.

Man fährt nicht mehr 24 Stunden durch, die Starter werden in sechs nach Baujahren zusammengestellten Feldern gruppenweise an den Start gehen. Gefahren wird nicht „auf schön“, sondern durchaus im forcierten Renntempo. Ein Team aus Österreich ist dieses Mal mit zwei besonderen Autos vertreten.

Die Ecurie Vienne unter der Ägide von Johannes Huber, besser bekannt für ihre Einsätze in der historischen Rallyeszene, war bereits zweimal mit dabei, selbstverständlich mit Produkten der Marke Porsche. Auch dieses Jahr vertraut man beim Ausflug nach Frankreich auf Porsche. Man hat sich mit zwei echten Afficionados der Marke zusammengetan und zwei Spyder vom Typ 908/02 mobilisiert.

Ottokar Jacobs nennt einen Wagen in den Farben von Martini Racing sein eigen, der in Le Mans noch eine Rechnung offen hat – er ist 1970 im Training gefahren, hat es aber nicht ins Rennen geschafft. Vier Jahrzehnte später wird es sozusagen so weit sein; Jacobs und Johannes Huber werden sich am Steuer des Wagens abwechseln.

Im selben Jahr 1970 fuhr ein 908er als Kameraauto für Steve McQueens wunderbaren Film im Rennen mit, August Deutsch bringt zum Jubiläum den Wagen nach Le Mans zurück. Sein Teamkollege ist der Brite David Piper, der damals als Stuntfahrer bei den Dreharbeiten mitgewirkt hat und in einem Unfall schwer verletzt wurde.

908, möglichst kurz gefasst

Der Typ 908 war das Resultat von Ferdinand Piechs Wunsch nach dem Gesamtsieg in der Sportwagen-WM und vom Griff der Firma nach dem Sieg in Le Mans.

Klassensiege hatte man dort in den knapp zwei Jahrzehnten seit dem ersten Antreten bereits geholt; und bei großen Rennen waren Porsche-Fahrzeuge durchaus fähig für Gesamtsiege, so zum Beispiel bei den 24 Stunden von Daytona 1968, wo der Typ 907 mit 2,2l-Motor auftrumpfen konnte und einen Dreifachsieg hinlegte.

Beim 908 ging die Marke aus Stuttgart konsequent ans neu eingezogene 3-Liter-Limit des Hubraumes bei den Prototypen, der 180°-Achtzylinder-Motor hatte 2.997 ccm Hubraum. Die Konkurrenz von Ferrari und Ford (zu groß) und Alfa Romeo (zu klein) hatte nichts Passendes im Katalog und legte eine Schaffenspause ein, deshalb rechnete sich Ferdinand Piech Titelchancen aus.

Varianten: Der Typ startete 1968 seine Karriere als Coupé mit Kurz- oder Langheck; im Jahr darauf wurde der 908-02 als leichtgewichtiger Spyder kreiert; von diesem gab es wiederum Untervarianten mit Langheck und letztlich die definitive Karosserieversion als sogenannte „Flunder“, die die hüftschwingend-sinnlichen Formen zugunsten eines graderen, flacheren Korpus etwas reduzierte – was allerdings immer noch sexy ausschaut.

Bei einem Gewicht von nur ca. 600 Kilogramm (August Deutsch nennt 660 kg für sein Fahrzeug) ist der 908 mit ca. 350 PS gut motorisiert. Gegen die Konkurrenz mit Formel-1-Technik mühte er sich aber in weiterer Folge ab.

Den ersten Sieg holte sich der 908 standesgemäß beim Debüt im 1000-Kilometer-Rennen am Nürburgring im Mai 1968, damals noch als Coupé.

Ein weiterer nicht ganz unwichtiger Erfolg in diesem Jahr der Doppelsieg beim Großen Preis von Österreich, dem 500-Kilometer-Rennen in Zeltweg.

Daytona 1969 brachte ein Fiasko mit dem schmerzhaften Totalausfall aller 908er; die Targa Florio sah dafür einen vierfachen Erfolg der 908/02-Spyder.

In Le Mans verpasste man mit dem Langheck-Coupé den Sieg gegen die Armada der Ford GT40 von John Wyer Automotive nur um 120 Meter – der knappste Zieleinlauf bis dato an der Sarthe.

Während dann vor allem in den Jahren 1970 und 1971, der große 917 mit mächtigem 5-Liter-Motor die Schlagzeilen machte, kam der weiterentwickelte 908/03 als gnadenloses Sprint-Auto zum Einsatz.

Weil Perfektionismus und Piech denselben Anfangsbuchstaben haben, entstand von jeder Fahrzeugvariante eine Vielzahl von Chassis. So hatte das Werksteam immer frische Autos zur Verfügung. Auch aufgrund dieses Aufwandes loderten die Flammen des Familienzwistes im Hause Porsche-Piech immer höher.

Und etliche Autos wurden bereits im Werk auf andere Entwicklungsstufen modifiziert, was die Geschichtsschreibung zusätzlich tückisch macht. Nachdem das Werk sich dann mehr auf den Einsatz von „Produktionswagen“ wie dem Porsche 911 und seinen immer wilderen Turbo-Derivaten konzentrierte, kamen 908-Chassis in Händen von Privatiers noch bis in die 1980er zum Einsatz, teils in hochmodifizierter Form mit Turbomotoren.

Das tatsächliche Ende der Renngeschichte des Arbeitstieres 908 kam erst mit dem Ende der offenen Gruppe-6-Sportwagen in der Interserie 1985. Da waren rückgebaute 908 schon lang gern gesehene Gäste bei historischen Meetings rund um die Welt.

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