
Le Mans Classic 2010 | 26.05.2010
Martini & McQueen
Die Ecurie Vienne bringt zwei Porsche 908 zur Le Mans Classic - Ottokar Jacobs, August Deutsch und ihre Autos: Jede Menge Geschichte(n).
Johannes.Gauglica@motorline.cc
Bilder: Walter Vogler, Porsche, jg
Wiener Mischung: Die Ecurie Vienne gibt es seit 1959, die Gründungsmitglieder waren Dr. Gunther Plachetta alias Gunther Philipp, Curd Barry und Rolf Markl. Auch Jochen Rindt war Teammitglied, somit hat die Ecurie Vienne quasi Le Mans bereits gewonnen, denn dort war Rindt 1965 siegreich.
Doppelter Martini
Wieviele Porsche 908-02 wohnen in Österreich? Es sind zwei, und August Deutschs Exemplar zählt nicht dazu (es residiert in München). Außerdem nehmen sie nur halb soviel Stellfläche ein, wie man erwarten möchte: 908/02-009 und 908/02-019 benötigen gemeinsam nur einen Parkplatz.
Sie sind nämlich ein und dasselbe Auto. Dieses Fahrzeug entstand als 908/02-009 mit Flunder-Karosserie im Jahr 1969. Nach einem Neuaufbau wurde es vom Werk mit der neuen Chassisnummer 019 versehen; in späteren Jahren bekam es die Nummer 009 zurück.
Die Nummer 019 war ein solider Performer, aber nicht der ganz große Star der 908er-Familie. Nach einigen Einsätzen spät im Jahr 1969 ging die Karriere des Wagens 1970 so richtig los; das Jahr begann mit Platz 7 bei den 12 Stunden von Sebring 1970 (merken wir uns dieses Rennen!), in diesem Stil ging es weiter.
„Die Franzosen wollen natürlich den Namen Gerard Larrousse sehen, ich habe bereits die richtigen Aufkleber“, meint Ottokar Jacobs – neben dem späteren F1-Teamchef teilten sich noch einige andere Piloten den Platz hinter dem Lenkrad. Den größten Erfolg in diesem Jahr erreichte der Wagen im Oktober bei den 1000 km von Zeltweg, dort saßen Larrousse und der Vorarlberger Rudi Lins am Steuer.
Auch Helmut Marko fuhr das Auto im Lauf dieses Jahres. Marko und Lins bildeten ein Österreicher-Team in Amerika bei den 6 Stunden von Watkins Glen; es wurde Platz 7.
Aus dem Fundus
Bei den 24 Stunden von Le Mans trumpfte das Martini-Team mit den Gesamträngen 2 und 3 groß auf; aber die Nummer 019 war nicht dabei, denn ihr französisches Abenteuer endete mit einem Trainingsunfall.Damit war die große Rennkarriere des Wagens praktisch vorbei, er wanderte alsbald in den Fundus des tschechisch-amerikanischen Sammlerkönigs Vasek Polak.
„Er war schon ein älterer Herr und hat dann leider eine Autobahnausfahrt zu schnell genommen; die Amerikaner können das nicht so gut…“ – somit kam die gesamte riesige Sammlung in den Verkauf. Der 908 wanderte zu einem japanischen Sammler: „Den hat aber dasselbe Schicksal ereilt. Eines Tages steh ich in San Diego, und der Wagen ist zu haben; dort hab ich ihn gekauft.“
Zweite Chance: Vier Jahrzehnte später nach dem verpatzten Le-Mans-Auftritt nimmt das Auto heuer wieder die Ligne Droite des Hunaudiéres unter die Räder. „Nachdem ich einmal zuschauen war, habe ich gesagt, das will ich auch machen - und jetzt mach mas!“
King of Cool...
August Deutschs 908er begann sein Leben als ein Coupé mit der Chassisnummer 908-022. Frisch für den Saisonbeginn 1969 aufgebaut, kam das Langheck-Auto beim 24-Stunden-Rennen in Daytona zum Einsatz. Dort kassierten die 908 eine herbe Niederlage; kein einziger kam ins Ziel.Das Auto wurde im Werk auf einen 908/02 umgebaut, behielt aber seine Coupé-Chassisnummer – es ist also (ohne Sie langweilen zu wollen!) kein 908/02-022, sondern ein 908-022. 1970 ging es an einen prominenten Kunden, nämlich Steve McQueen und seine Filmfirma Solar Productions.
Der sorgte für die beiden berühmtesten Auftritte des Wagens. Kommen wir aufs 12h-Rennen in Sebring 1970 zurück: Dort lag der weiße Spyder die längste Zeit auf Siegkurs, ehe McQueen und sein Teampartner Peter Revson (Erbe des Revlon-Kosmetikimperiums und selbst ein Profi ersten Ranges) von Ferraris „Top Guns“ Andretti/Vaccarella/Giunti abgefangen wurden.
Mario Andretti machte eine Ehrensache daraus, sich nicht von einem Schauspieler schlagen zu lassen… - „In Erinnerung daran fahre ich das Auto immer mit derselben Startnummer und im selben Outfit“, erzählt Deutsch.
908-022 und 908/02-019 sind einander in diesem Rennen nur beim Überrunden begegnet, in Le Mans traf man wieder aufeinander, aber nur im Training. Dort fungierte McQueens 908er in der einzigartigen Rolle des Kameraautos.
...und rasende Kamera
„Steve McQueen woltle das Auto eigentlich selbst fahren, durfte das aus Versicherungsgründen aber nicht. Herbert Linge von Porsche und Jonathan Williams haben sich bereitgefunden, das Rennen zu fahren. Durch das Wechseln der Kameras und Filme haben sie soviel Zeit verloren, dass sie den 9. Gesamtplatz gemacht haben – aber schon außerhalb der Zeit waren. Somit hat das Ergebnis nicht gezählt.“ Nur sieben Autos beendeten 1970 das Rennen innerhalb der Zeittoleranz, vorneweg zum ersten Mal ein Porsche 917.
Womöglich auch weil der Film „Le Mans“ ein kommerzieller Flop war, trennte sich McQueen von seinem Porsche, der danach über Umwege nach Ecuador wanderte. Sein Eigentümer Guillermo Ortega kehrte damit 1974 nach Le Mans zurück und verschrottete es dortselbst in Runde 123.
Auferstehung und zweite Karriere: Ing. Deutsch baute den Renner mit Teilen aus dem ebenfalls von Señor Ortega gecrashten Chassis 908/02-018 wieder auf und hat ihn seit damals mit einer Vielzahl von namhaften Fahrern eingesetzt.
Aus heimischer Sicht stechen die Namen Walter Lechner (der Senior), Hermann Duller oder die Ecurie-Vienne-Masterminds Heribert Werginz und Johannes Huber ebenso hervor wie Gerhard Berger: „Er ist in Zeltweg einmal gefahren; damals ist er noch Formel-3-Pilot gewesen und hat gesagt, so ein starkes Auto ist er vorher noch nie gefahren“ – das sollte sich in weiterer Folge ändern!
Heribert Werginz erzählt, dass er 1980 am Ö-Ring Vierter seiner Klasse und bester Österreicher wurde, dies trotz Reifenschaden und obwohl sich beim Boxenhalt ein Wagenheber verkeilte und dann eine halbe Runde lang unfreiwillig mitgeführt wurde... - die Episode existiert sogar auf Youtube. Einen Porsche 908/02 sucht man in den Ergebnislisten der damaligen Zeit übrigens vergeblich, das Auto war in modifizierter Form als "Deutsch-Porsche Special" genannt.
Heute ist der 908/02 wieder originalgetreu auf Stand 1970, der Eigentümer höchstselbst dreht am Steuer und ist mit dem Auto ein gern gesehener Teilnehmer beim Histo-Cup. 2002 waren Deutsch und 022 bereits bei der Le Mans Classic dabei; heuer gibt man sich zum vierzigsten Jubiläum von McQueens Motorsport-Meisterwerk „Le Mans“ die Ehre im damaligen Filmauto-Dress. Dazu werden Attrappen der damaligen Kameragehäuse montiert, und das Auto wird wieder dunkelblau.