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Planai Classic 2010

Schnee und Eis – die Tipps der Rallye-Legenden

Am Dienstagnachmittag stand die Planai-Bergprüfung auf dem Programm – davor gaben Björn Waldgard und Rauno Aaltonen wertvolle Tipps für „Otto Normalverbraucher“…

Michael Noir Trawniczek
Fotos: Markus Kucera/Planai Classic

„Im Schnee zu fahren, nämlich im Schnee wirklich schnell zu fahren ist sehr schwierig. Und zu erklären, wie man da vorgeht, ist unmöglich!“ – Björn Waldegard, der Rallye-Weltmeister des Jahres 1979 hat unzählige Rallyes auf Schnee und Eis absolviert - was er anspricht, ist jene Intuition, die solche Ausnahmekönner von klein an von den anderen, den „normal sterblichen“ Autofahrern unterscheidet. Waldegard kann seine eigene Gabe nur schwer in Worte packen – doch für die „ordinary drivers“ hat er dennoch ein paar wichtige Tipps auf Lager…

Rauno Aaltonen, wie Waldegard ein gern gesehener Gast der Planai Classic, relativiert: „Eigentlich ist das Fahren im Schnee nicht so tückisch – denn im Schnee ist die Traktion relativ gleichmäßig. Das Schlimmste ist, wenn du am Kurveneingang nicht weißt, was dich am Kurvenausgang erwartet: Schnee, Trockenheit oder das berüchtigte, gefährliche schwarze Eis.“

Schwarzes Eis

Schwarzes Eis? Waldegard erklärt: „Wenn Schnee auf der Straße ist, dann kannst du sehen, dass es rutschig ist. Das Gefährliche am schwarzen Eis ist, dass du nur eine gefrorene Fahrbahnoberfläche hast, die nicht leicht als solche zu erkennen ist.“ Aaltonen ergänzt: „Du siehst nur einen gewissen Glanz auf der Fahrbahnoberfläche, auf den ersten Blick sieht es wie eine trockene Fahrbahn aus.“ Waldegard sagt knochentrocken: „Wenn du das Eis spürst, wenn du auf der Bremse stehst, dann ist es bereits zu spät.“ Und Aaltonen fügt hinzu: „Eine kontinuierliche Schneedecke ist keine Gefahr. Der Übergang zwischen Schnee und Trockenheit – dort ist es am gefährlichsten. Eine Ausnahme stellt allerdings Neuschnee dar – denn dort kann schwarzes Eis darunter sein.“

Moderne Fahrzeuge verfügen über ein Anti-Blockier-System (ABS) – Waldegard sagt: „Das ABS ist eine fantastische Hilfe für einen Durchschnittsfahrer – aber ich werde so etwas nie verwenden, denn ich habe das ABS in meinem Fuß.“ Das Problem dabei erklärt Aaltonen: „Wenn du schwarzes Eis am Kurveneingang hast, wird das Auto nicht langsamer, da ist es im Grunde egal ob man ABS hat oder nicht.“

„Gute Fahrer“ & Kontrollverlust

Was kann als „Otto Normalverbraucher“ in einer solchen Situation tun? Aaltonen sagt: „Wenn man in einer engen, eisigen Kurve hinaus schiebt, gibt es als letzte Möglichkeit die Handbremse, sodass man die Fahrtrichtung ändert und wenn das Auto dann langsam seitlich rutscht, besteht die Hoffnung, dass man vielleicht ein bisschen Traktion bekommt und auf der Straße bleibt.“

Viele sehen sich selbst als „gute Autofahrer“, doch auf Eis werden sie mitunter vom Piloten zum Passagier – Waldegard nickt. Ob er selbst schon einmal zum Passagier wurde? Er lacht: „Nein, noch nie! Ich habe stets die Kontrolle über das Auto! Ich mag es sehr, bei Konditionen zu fahren, welchen ich nicht trauen kann – ich liebe das! Aber ich spiele niemals auf öffentlichen Straßen. Das mache ich auf einem gefrorenen See. Ich habe einfach zu viele junge Menschen sterben gesehen. Wenn du auf öffentlichen Straßen spielst, wirst du früher oder später einen Unfall auslösen – das ist einfach nur dumm.“

Üben und vertraut machen

Der 66-jährige Schwede empfiehlt jungen Menschen, sich mit dem ungewohnten Fahrbahnuntergrund vertraut zu machen: „Es ist wichtig für die Menschen, auf Schnee zu üben – aber nicht auf der Hauptstraße. Du hast zum Beispiel hier in der Nähe in Radstadt eine Eisfahrbahn. Das ist ein perfekter Platz für einen Durchschnittsautofahrer, um mehr über das Fahren auf Schnee und Eis zu lernen. Sogar in Schweden, wo wir sehr viel Schnee haben, sogar dort ist es so, dass sobald der Schnee kommt wir sehr viele böse Unfälle haben. Weil die Menschen nicht verstehen, wie gefährlich das Fahren auf Schnee und Reis eigentlich ist.“

Waldegard ist davon überzeugt, dass diese beim Üben erlangte Vertrautheit die Menschen in Extremsituationen vor dummen Fehlern bewahrt. Wichtig sei auch das Studium der Landschaft: „Dann musst du sehr clever sein und voraus denken. Du musst die Landschaft bewusst wahrnehmen, sie verrät einiges über die Fahrbahnbeschaffenheit. Ein Beispiel: Wenn du in den Wald fährst musste du bedenken, dass es dort mehr Schatten und weniger Sonne gibt und dass es dort daher auch mehr Eis geben wird.“

Traktion testen, Landschaft studieren

Wie erkennt man, ob unter der Schneedecke das berüchtigte „schwarze Eis“ lauern könnte? Rauno Aaltonen sagt: „Ein Tipp von dem Weltklassefahrer Eugen Böhringer aus Deutschland, mit ihm fuhr ich 1961 die Europameisterschaft im Mercedes-Werksteam: Wenn du auf einer unbekannten Strecke fährst, solltest du immer wieder die Traktion testen, egal ob es Sommer oder Winter ist, sondern kleine, schnelle Lenkbewegungen. So erkennt man, ob das Auto normal reagiert.“

„Natürlich, wenn Passagiere im Auto sitzen, ist das für sie unangenehm. Aber wenn man sagt: ‚Entschuldigung, jetzt werde ich die Reaktion des Autos testen.’ - dann ist das natürlich beunruhigend – aber man macht das ja wegen der Sicherheit. Das kann ich einem normalen Autofahrer auch empfehlen. Wenn die normale Reaktion nicht vorhanden ist, dann muss ich etwas langsamer fahren. Rückmeldungen sind wichtig – denn die Geschwindigkeit allein, ob ich 40 oder 60 km/h fahre, tut nichts zur Sache, es geht um die relative Geschwindigkeit im Verhältnis zu den gegenwärtigen Streckenkonditionen.“

Ein konkretes Beispiel: Eine Bergstraße, steil bergab, vereist – was macht man? Aaltonen antwortet mit einem weiteren praktischen Tipp: „Am wichtigsten ist dabei, dass man weiß, wohin die Vorderräder zeigen. Da ist ein weißes Klebeband auf dem Lenkrad, oben in der Mitte, äußerst hilfreich. Denn so sehe ich deutlich, wie weit ich gelenkt habe. Man darf auch nicht vergessen, wenn es steil bergab geht, ist der Bremsweg schon auf trockener Fahrbahn um zirka 30 Prozent länger. Auf Eis ist es noch viel mehr. Hier muss ich schauen: Wo bekomme ich die meiste Traktion? Meistens ist die beste Traktion dann nicht in den Fahrspuren, sondern leicht daneben zu finden. Da greifen gute Winterreifen dann besser.“

Akustische Signale

Neben dem Studium der Landschaft und dem Ausloten der Streckenkonditionen mit leichten Lenkbewegungen überrascht Aaltonen damit, dass man auch auf akustische Signale achten solle. Der Rallye-Europameister des Jahres 1965, Sieger der Rallye Monte Carlo 1967, der vor seiner Karriere als Rallyepilot auch im Rennboot und auf dem Renn- und Motocross-Motorrad erfolgreich war, erklärt: „Ein Auto ist wie eine Trommel, es erzeugt eigene Frequenzen – die Karosserie erzeugt eigene Geräusche, dazu kommen die Geräusche von den Reifen, sowie das Motorengeräusch – und wenn sich diese Geräusche ändern, dann hat sich auch der Fahrzustand geändert. Dann muss man die Situation neu bedenken und überlegen: Warum könnte die Veränderung eingetreten sein? Ein Beispiel: Das Motorgeräusch gibt uns eine deutliche Information darüber, ob ich Schlupf habe. Solche Dinge werden den heutigen Fahrern leider nicht gelernt. Zudem sind die modernen Autos sehr leise – dann muss man mehr auf die Nuancen achten…“

Unisono beschwören Björn Waldegard und Rauno Aaltonen vor allem die jungen Lenker und Lenkerinnen: Bei Schnee und Eis gilt es, Vorsicht an den Tag zu legen - auch wenn man glaubt, ein „guter Autofahrer“ zu sein. Aaltonen nickt: „Ganz wichtig ist: Mit Gewalt kann man nichts erreichen - man muss feinfühlig und mit Geduld fahren. Man muss einfach akzeptieren, dass es nicht schneller geht.“ Waldgard stimmt zu: „Du musst einfach langsamer machen – wenn 90 km/h erlaubt sind, musst du vielleicht runter gehen auf 60 km/h. Ich kann mit 90 km/h fahren – aber die meisten Menschen können es nicht.“

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