24 hours of Daytona | 31.01.2006
Sonne, Stars und Schweizer Uhren
Motorline.cc wirft einen ausführlichen Rückblick auf den 24-Stunden-Klassiker von Daytona, der Gesamtsieg ging an Dixon/Wheldon/Mears.
Johannes Gauglica
Die 44. Ausgabe des „Rolex 24 at Daytona“ war ein voller Erfolg. 66 Teams am Start, offiziell 50.000 Zuschauer und ein packendes Rennen bis zum Schluß, dazu ein Gipfeltreffen der amerikanischen Racing-Stars:
Nextel-Cup-Sieger Tony Stewart, IRL-Meister und Indy-500-Sieger Dan Wheldon, ChampCar-Champ Sebastien Bourdais, und etliche ihrer Konkurrenten aus NASCAR, IndyCar, ChampCar drängten sich um Sportwagen-Drives. Und vor allem Rusty & Danica!
Die US-Medien stürzten sich auf den NASCAR-Altstar Rusty Wallace und das Darling der Sportpresse, Danica Patrick. Beide in ihrem ersten 24-Stunden-Rennen (böse Zungen spöttelten „Wallace & Gromit“), unterstützt von Jan Lammers und Allan McNish – wer hier die Schwerarbeit leisten würde, war also klar. Wallace, Stewart und andere NASCAR-Götter gaben sich beeindruckt und zollten den Road-Racern Lob, wo sie nur konnten.
2003 führte die Grand American Road Racing Association ihre „Daytona Prototype“-Klasse ein; damals blamierte noch ein kleiner GT-Porsche die Prototypen, mittlerweile sind sie um einiges besser geworden (und die GT entsprechend eingebremst).
Ältere Designs wie zum Beispiel die Fabcar des Brumos-Teams versprühen den Charme von Verschubloks. Diesen älteren Autos, die sonst hoffnungslos deklassiert wären, wurde heuer reglementär unter die Arme gegriffen. Technisch nicht so anspruchsvoll wie ihre Halbbrüder in Le Mans, sind die Daytona Prototypes billiger (oder: weniger teuer) und für Privatteams leichter einsetzbar; einige mechanische Komponenten sind Einheitsteile.
Was auch bedeutet, dass alle Teams an Material- oder Designfehler „partizipieren“. Einigen chancenreichen Autos wurde ein solcher Fehler heuer zum Verhängnis.
Ebenfalls begünstigt wurde der Motorenlieferant Porsche: die 4l-Sechszylinder dürfen ohne Restriktor fahren, den größeren V8-Autos wurde dazu noch mehr Ballast aufgebrummt.
Dadurch wurde der Porsche-Motor auch für andere Teams interessant: zum treuen Porsche-Partner Brumos kamen heuer Synergy Racing (mit einem Doran) und das Team von Alex Job (mit einem Crawford-Chassis) hinzu. Letzterer war mit den Werksfahrern Lucas Luhr, Patrick Long und Mike Rockenfeller bemannt.
Der Amerikaner Long hat einen Großteil seiner noch jungen Karriere in Europa absolviert; das gleiche gilt auch für Eddie Cheever, der erst nach dem Ende seiner langen F1-Zeit wieder in den USA Fuß fasste. Heutzutage ist er Teamchef bei den IndyCars und steigt jetzt wieder in sein altes Metier ein, die Sportwagenrennen.
Von einem übereifrigen Reporter nach seiner Zeit bei Bugatti in Europa gefragt, korrigierte Cheever höflich: „das war Lancia“ – Anfang der 80er-Jahre der vorigen Jahrhunderts. Vorher war er BMW-Junior, später Werksfahrer bei Jaguar und natürlich lange bei Arrows in der Formel 1.
Nach dreijähriger Pause saß der heute auch schon grauhaarige Cheever, 1988 Gesamt-Dritter in Daytona, wieder selber hinter dem Lenkrad. Sein Kommentar zu den Strapazen eines 24-Stunden-Rennens: „vor 20 Jahren war das alles noch leichter...“
Porsche gegen Pontiac: der AJR-Crawford war in beiden Quali-Sessions das schnellste Auto, zeitweise hatten die Riley-Pontiac der Titelverteidier SunTrust Racing und des jungen GAINSCO/Blackhawk-Teams ein Wörtchen mitzureden.
SunTrust ist eine Crew alter Sportwagen-Haudegen rund um Wayne Taylor, Max Angelelli und Emmanuel Collard. Bei GAINSCO fuhr Alex Gurney, Sohn des berühmten Dan Gurney; dessen All American Racers holten 1993 den bislang einzigen Sieg für Toyota. Die Lexus- und Ford-motorisierten Prototypen hielten sich aus der Zeitenjagd etwas heraus.
Bei den GT war der Porsche 997 auf Anhieb als überaus schnell, der Neue muß aber im Gegensatz zum alten 996 ohne ABS auskommen. In dieser Klasse mischten auch Österreicher mit: Porsche Nr. 82 von Farnbacher Racing war als einer der Top-Favoriten einzustufen, Dieter Quester und Philipp Peter machten sich berechtigte Hoffnungen auf eine Rolex Oyster Perpetual.
Unterstützung kam vom deutschen Rookie Dirk Werner, der auf Anhieb die schnellsten Zeiten hinlegte, und Luca Riccitelli als Ersatz für den usprünglich genannten Toto Wolff. Schnell im Qualifying, nicht ganz so gut disponiert im Rennen waren die Porsche-Kollegen von Tafel Racing. Dort agiert der ehemalige Formel-1-Mann Tony Dowe, er hatte seine 997er Nr. 72 und 74 auf der GT-Pole.
Bedeckt hielten sich im Training die werksunterstützten Pontiac-Teams von TRG. Dafür drehten sie im Rennen dann auf und leisteten einige Führungsarbeit. Größte Überraschung: ein brandneuer Mazda RX-8 fuhr munter im arrivierten GT-Feld mit. In diesem Auto steckt ein Wunderchassis von Prototypen-Bauer Bill Riley und Kohlefasertechnik von HANS-Erfinder Jim Downing. Beim Mastercar-Ferrari F360 fuhr Philipp Baron, dieses Auto war im hinteren Feld zu finden und sah am Sonntag das Ziel nicht.
Der 44jährige Chad McQueen, Sohn des „King of Cool“ Steve McQueen, zerstörte seinen 996er in einer Barriere und musste sich mit Wirbelverletzungen einer Notoperation unterziehen.
Daytona International Speedway: nicht nur Vollgas am Banking mit 33 Grad Neigung, sondern auch (und vor allem) ein enges Infield mit etlichen langsameren Ecken und nach europäischen Maßstäben abenteuerlichen Reifenstapeln und Mauern. Am Übergang vom Oval ins Infield scheppert es vor allem in der Nacht gern und oft. Im Rennen hielten sich die Zwischenfälle heuer in Grenzen.
Die GrandAm-Serie versteht sich primär als Meisterschaft für die Teams, deshalb haben vor allem die amerikanischen Teilnehmer immer ein offenes Ohr. Vielleicht gab es Beschwerden über die flotten Europäer? Jedenfalls wurde die Red Bull-Mannschaft unter Berufung auf einen Formfehler ans Ende des Feldes relegiert, die Superzeiten im Training (dritter GT-Startplatz) waren vergebens. Vor dem Rennen entschloß man sich zu einem Motortausch, deshalb gab es Samstag Mittag einen Start aus der Boxengasse für Nr. 82.
Das Wetter war schön, die Stimmung war gut, ein paar Zuschauer waren auch da (keine Selbstverständlichkeit: das Rolex 24 ist in Amerika lange nicht so angesehen wie in Europa), und Samstag Mittag gings los. Vorneweg sofort der Crawford-Porsche, allerdings nicht für lange: eine Halbachse quittierte den Dienst, einer jener von GrandAm vorgeschriebenen Einheitsteile.
Bald gab es auch an anderen Autos Halbachsendefekte; ein Zulieferer wird in den nächsten Tagen einiges zu erklären haben. Zehn Runden betrug der Rückstand der weißen Nr. 23 nach der Reparaturpause, dann zündeten die Stuttgarter Werksfahrer den Nachbrenner.
Teamchef Alex Job: „nur mit Cruisen wird dieses Rennen heuer nicht gewonnen!“ – zwei bis drei Sekunden pro Runde nahmen Long/Luhr/Rockenfeller der Konkurrenz ab, nach 16 Stunden war man wieder auf P1. Bis dahin hatten etliche Teams Führungsluft geschnuppert, um dann wieder zurückzufallen, so auch SunTrust mit dem Riley-Pontiac, ein unverschuldeter Crash in der vierten Stunde bedeutete den Dienstschluß für die Titelverteidiger.
Fast gleichzeitig wurde auch das GAINSCO/Blackhawk-Auto in einen Unfall verwickelt, damit waren die Pontiacs eher aus dem Bild. Das Match war jetzt Porsche gegen Lexus, die Toyota-Schwestermarke war en route zum ersten Sieg. Eddie Cheever hat fahrerisch nichts verlernt, mit Christian Fittipaldi und Patrick Carpentier hielt er den Crawford-Lexus Nr. 39 bis in die elfte Stunde in Führung, ein tolles Comeback.
Dann diktierten die Rileys Nr. 01 (Cheevers alter Jaguar-Spezi Scott Pruett/Max Papis/Luis Diaz jr.) und 02 (Dan Wheldon/Scott Dixon/Casey Mears) von Chip Ganassi Racing das Tempo, ebenso mit Lexus-Power. Nach 16 Stunden war dies wie gesagt vorbei, der AJR-Abfangjäger übernahm die Spitze.
Das Bild bei den GT: die Pontiac GTO.R Nr. 64 und 65 gaben am Start jede Zurückhaltung auf, Tafels Nr. 72 hatte früh Probleme, die Nr. 74 raufte eine Zeit lang mit den Pontiac und dem verblüffenden Mazda. Der ältere 996er-Porsche Nr. 36 ging diese Pace mit. In Stunde 7 rollte der Pontiac Nr. 64 mit Getriebeschaden aus, die Nr. 36 des TPC-Teams ging in Führung.
TPC entschied sich vor dem Rennen für den 996: obzwar im Top Speed langsamer als die 997er, hat er wegen des ABS Vorteile im engen Infield. Diese spielten die in Europa eher unbekannten Randy Pobst/Spencer Pumpelly/Ian Baas/Michael Levitas jetzt aus. Der zweite Pontiac GTO.R übernahm vom Porsche die Führung, knapp außerhalb der Top 10 gesamt - in deren Rückspiegeln allerdings sehr bald Farnbachers Nr. 82. Nach sieben Stunden war das Red Bull-Auto Klassenbester.
Nach 16 Stunden 45 Minuten kam die Nr. 01 in die Ganassi-Box und blieb dort: Ölpumpe defekt, Motorschaden, Ende. Gleichzeitig stoppte auch die Nr. 02, der Zahnriemen der Lichtmaschine wurde gewechselt. Wheldon/Dixon/Mears haben alle miteinander nicht viel Langstreckenerfahrung, jetzt lastete der Erfolgsdruck auf der jungen Crew: nach einigen Niederlagen in den letzten Jahren wollte das ganze Ganassi-Team endlich den Rolex-Sieg.
Tempomäßig war gegen den Crawford-Porsche nichts auszurichten, drei der besten Endurance-Fahrer der Welt gaben eine Meisterklasse. Und dann: wieder eine Halbachse. Acht Stunden vor Schluß stand Alex Job Racing Nr. 23 wieder an der Box, eine Viertelstunde ging verloren, plötzlich war man nur mehr Fünfter. Das Spiel begann von vorne.
Die Opposition zerbröselte weiter: ein fassungsloser Eddie Cheever sah am Sonntag um 10 Uhr, zwei Stunden vor Schluß, am TV-Schirm sein Auto in einer Ölwolke ausrollen. Fittipaldi stieg aus: Motorschaden. Die Rusty & Danica Show war schon lange vorbei (ebenfalls Motorschaden), dennoch wars ein gutes Wochenende für Jan Lammers; sein A1GP-Team gewann in Durban. Der Crawford Nr. 4 mit NASCAR-Gott Tony Stewart war einer der Favoriten, quälte sich aber mit einer Vielzahl von Defekten (auch Halbachsen!) herum.
An der Spitze bekam die vergleichsweise unerfahrene Ganassi-Mannschaft Nr. 02 immer mehr Sieger-Image. Wheldon (seine GP2-Ambitionen haben sich zerschlagen) und Dixon sind heuer Ganassis IndyCar-Fahrer, Mears fährt im Nextel-Cup einen Dodge. An zweiter Stelle, heimlich, still und zuverlässig: der Riley-Lexus Nr. 60 von Michael Shank Racing. Oswaldo Negri und Michael Patterson werden die ganze Saison über dieses Auto fahren, die ChampCar-Fahrer Justin Wilson und A.J. Allmendinger waren „Gaststars“.
Der Sieg war nicht mehr zu schaffen, aufs Podium wollte AJR noch unbedingt. Minuten vor dem Ende gelang das auf Kosten eines anderen Porsche-Autos: am drittplatzierten Fabcar Nr. 58 von Brumos mit David Donohue (Sohn des großen Mark), Darren Law und Sascha Maassen zerriß es einen Reifen, der Crawford zog im Tiefflug vorbei. Patrick Long fuhr die schnellste Rennrunde: „viele haben geglaubt, dass wir nicht durchhalten werden; wir haben das Ding von der ersten Runde weg ausgewrungen, wie wir nur konnten“.
Bei den GT sah es lang nach einem sicheren Sieg der Österreicher (samt Ehren-Österreichern Werner und Riccitelli) aus, der Vorsprung betrug bis zu zwei Runden. Dann brach der zweite Gang. Im Infield-Geschlängel blieb wertvolle Zeit liegen, Pontiac Nr. 65 und Porsche Nr. 36 gingen vorbei. Nach elf Stunden hatte der Kreiskolbenmotor des bis dahin zweiplatzierten Mazda seine letzte Drehung hinter sich: ein Wrackteil beschädigte den Kühler.
Ein Elektrikdefekt warf den Pontiac nur wenig zurück, aber das genügte. Porsche Nr. 36 war vorne und blieb dort; die TPC-Taktik in den letzten Stunden: man hatte fast eine Runde Vorsprung auf den GTO.R, und hielt sich auf der Strecke knapp hinter ihm. Letztlich wurde es Gesamtrang 9, mit drei Runden Vorsprung auf Pontiac Nr. 65 (Andy Lally/Marc Bunting/RJ Valentine/Johnny O'Connell), und sieben Runden auf Quester/Peter/Riccitelli/Werner.
734 gefahrene Runden sind neuer Distanzrekord der Daytona-Prototype-Ära, allerdings weit entfernt vom absoluten Rekord (762 Runden im Jahr 1992), dennoch: das Rolex 24 steht so gut da wie schon lange nicht.
Nach der Starparade von Daytona hält in der GrandAm-Serie wieder die Normalität Einzug, die Saison 2006 geht „South of the border“ weiter, beim 250-Meilen-Rennen auf dem Autodromo Hermanos Rodriguez in Mexico City am 4. März. Quester & Co. bleiben in Florida und fahren am 18. März die 12 Stunden von Sebring.
Ergebnis