
Rundstreckentrophy Salzburgring | 28.09.2008
Victoria Schneider im motorline.cc-Interview
Vor ihrem Sieg auf dem Salzburgring (Suzuki Motorsport Cup) gab Victoria Schneider motorline.cc ein Interview: Über Frauen am Steuer – und Zucker im Tank…
Michael Noir Trawniczek
Fotos: Michael Schröder/www.knipserl.at, Suzuki Motorsport Cup/Harald Illmer/www.ir7.at
Die Pressekonferenz zur Herbstrallye Leiben – mit von der Partie ist auch Victoria Schneider, die im Suzuki Motorsport Cup die männlichen Piloten aufmischt – doch im Gegensatz zu Nicole Kern und Bianca Porzelt, die ebenfalls in den Suzuki Swifts hinter dem Lenkrad sitzen, kann Schneider auf bereits 17 Jahre Motorsporterfahrung zurückblicken.
Auf dem Pannoniaring wäre die Tochter des OSK-Funktionärs Robert Schneider beinahe ihrem Vornamen – Victoria von Victory, keinesfalls: Viktoria! – gerecht geworden, als kurzzeitig die Top 3 des ersten Laufs disqualifiziert worden sind. Letztlich blieb sie Vierte – was sie vor dem folgenden Interview noch nicht wusste: Dass sie ein paar Tage später die Männerwelt des Suzuki Motorsport Cups aus eigenen Kräften heraus bezwingen würde – so ist es am Samstag auf dem Salzburgring geschehen.
Dass es als Frau im Motorsport auch heute nicht immer einfach ist, erzählt Schneider im folgenden Gespräch – wegen einer schweren Verletzung hat sie bereits ihren Rücktritt erklärt, wurde jedoch von ihrer besten Freundin, Vanessa Weichberger, wieder ins Cockpit zurück geholt…
Victoria -wie bist du zum Motorsport gekommen?
Da war ich sieben Jahre alt – und ich habe zu meinem Vater gesagt, dass ich mir vom Osterhasen ein Kart wünsche. Er [der Vater, d. Red.] hat sofort Ja gesagt und es gab die ersten Fahrversuche auf dem SCS-Parkplatz. Weil man damals aber noch nicht mit acht Jahren fahren durfte, habe ich dann in der ungarischen Kartmeisterschaft begonnen.
Und wie lief es da?
Ich kann mich noch sehr gut an mein erstes Rennen erinnern. In Ungarn – da sind mir alle um die Ohren gefahren, ich bin wutentbrannt ausgestiegen. Aber das nächste Rennen habe ich dann gewonnen.
Wieso? Hast du da geübt dazwischen?
Wir waren einmal testen. Mein Vater hat mir einfach gut zugesprochen – dass ich mir keine Sorgen machen muss. Und er gab mir einige Tipps.
Welche?
Naja, beispielsweise, dass ich keine Angst zu haben brauche, wenn jemand hinter mir ist – was man halt einem achtjährigen Kind sagt. Er hat mir geraten, dass ich einfach fahren soll, ohne mir große Gedanken zu machen. Und das habe ich dann auch getan.
Wie ging es weiter?
In der ersten Saison war ich Vizemeister in Ungarn. Danach durfte ich schon in Österreich fahren – dort wurde ich in der ersten Saison, glaube ich, auch Vizemeister. 1996 wurde ich Österreichischer Staatsmeister in der 100ccm-Klasse. Dann habe ich mich sozusagen eingekauft in einem Werksteam, in Italien. Da sind wir dann auch im Ausland gefahren – amerikanische Meisterschaft, Japan und so.
Danach habe ich die nordamerikanische Meisterschaft gewonnen. Und als ich dann in Österreich ein Rennen in Wackersdorf gefahren bin, waren dort Scouts von der Formel König – dort bin ich dann eine Saison gefahren. Das war aber absolut nicht meines - ich wollte eigentlich nie Formel 1 oder ähnliches fahren. Mich haben immer die Sportwagen mehr interessiert. Rundstrecke vor allem.
Warum?
Es hat mir einfach besser gefallen –weil ich immer darauf gestanden bin, dass ich Kontakt habe zwischen den Autos. Und das ist einfach nicht möglich bei einem Formelauto. Für mich gehört das im Motorsport einfach dazu – dass du einen Kontakt hast mit den anderen, auf der Strecke. Das ist mit einem Formalauto natürlich ein bisschen schwer (lacht).
Was mich extrem reizen würde, wäre DTM oder eben Le Mans. Nach einem Jahr Formel König bin ich dann auch umgestiegen auf die Sportscar Challenge. Dort bin ich leider nur drei Rennen gefahren – dafür sehr erfolgreich: Im ersten Rennen zweiter Platz und so ging es weiter. Nur habe ich dann meine Schule beendet – da kam alles zusammen, eine berufliche Neuorientierung und ich hatte auch einen schweren Unfall.
Beim Rennfahren?
Ja, das war in der Österreichischen Meisterschaft, noch mit dem Kart – da hat es mich überschlagen, die Folgen kamen aber erst zwei Jahre später ans Tageslicht. Da hatte ich dann große Probleme mit dem Rücken. Das alles war dann ein Grund für mich, aufzuhören.
Du wolltest deine komplette Motorsportkarriere beenden?
Genau. Ich bin aber nie ganz weggekommen, weil Teams angerufen haben: ‚Wir wollen dich unbedingt haben! Du sollst für uns fahren!’ Dann bin ich ein Sechs Stunden Rennen gefahren mit dem BMW M3 in Brünn.
Bist du bezahlt worden fürs Fahren?
Das nicht – aber ich habe auch nichts dafür zahlen müssen. Daneben hat meine Polizeischule begonnen, da hatte ich dann auch wenig Zeit, um den Motorsport professioneller auszuüben. Aber seit Juli bin ich mit der Schule fertig, ich bin in Wien als Polizistin tätig – und da hatte ich die Zeit und auch das Angebot, wieder Rennen zu fahren.
Meine beste Freundin, die Vanessa Weichberger, mit der ich auch in der Sportschule war, hat mich gefragt, ob ich Interesse habe, ihr Auto, den Suzuki Swift im Suzuki Motorsport Cup zu fahren. Nur sagte sie, dass da eben auch Rallye dabei wäre. Nur habe ich in Rallye absolut keine Erfahrung – dafür halt 17 Jahre Erfahrung auf der Rundstrecke. Aber wir haben dann beschlossen, dass wir es einfach ausprobieren. Und in der Rundstrecke läuft es nicht schlecht und in der Rallye war auch immer eine Zeitenverbesserung zu sehen. Wir hatten zwei siebte und einen sechsten Platz – jetzt möchte ich in die Top 5 fahren.
War das für dich nicht sonderbar am Anfang – dass nach 17 Jahren alleine im Auto plötzlich jemand auf dem Sozius sitzt?
Nein, das hat mich absolut nicht gestört. Vor allem auch, weil wir uns privat sehr, sehr gut verstehen. Ihr gehört das Auto und sie ist bei den Rallyes meine Copilotin – wir haben uns vor den ersten Rallyes ausgemacht: Falls irgendwelche weniger netten Dinge gesagt werden, während der Rallye, dass wir das nicht persönlich nehmen. Dass jemand daneben sitzt, hat mich nicht gestört – aber sonst war es halt absolutes Neuland: Vom Fahren her, den Schrieb erstellen – ich musste alles neu erlernen.
Wie sieht dein Saisonziel aus?
Ich möchte schauen, dass ich auf jeden Fall unter die ersten drei der Rundstreckenwertung komme – das ist mein Ziel. In der Rallyewertung ist es fraglich, ob ich weiter als auf Platz fünf vorstoßen kann, weil die Top 4 absolute Rallyeprofis sind, die auch schon mehrere Saisonen hinter sich haben.
Hast du schon Pläne für 2009?
Das wissen wir noch nicht – das hängt auch davon ab, ob die Vanessa und ich die nötige Zeit haben. Ich muss auch immer nachfragen, ob ich das machen kann – bis jetzt waren die Kollegen bei der Polizei immer sehr human. Vor allem der Oberst aus dem fünften Bezirk hat mir das ermöglicht, dass ich zu den Rennterminen frei habe – ohne ihn wäre das sowieso nicht möglich.
Es kommt auch darauf an, ob wir beide noch Lust haben – ich habe auf jeden Fall Lust, denn ich habe sowieso Benzin im Blut. Aber es hängt auch vom gesamten Team ab, ob es im nächsten Jahr weitergeht.
Sitzt du in deinem Job auch am Steuer – im Polizeiauto?
Wir haben täglich Einsatzfahrten. Was dabei positiv ist – dass die Beifahrer, wenn sie mit mir mitfahren, absolut ruhig im Sessel sitzen und dass sie keine Angst haben. Weil sie wissen, dass ich fahren kann.
Das heißt, du hättest zur Not auch deine Kollegen, falls deine Copilotin einmal ausfallen sollte?
Ob sie dann auch noch lesen könnten, weiß ich zwar nicht – aber irgendjemand würde sich schon finden (lacht). Aber ich bin mit meiner Beifahrerin wunschlos glücklich – ich würde sie nicht hergeben!
Wie ist das für dich, im Straßenverkehr schnell zu fahren – musst du da nicht ein gewisses Vertrauen in die anderen Verkehrsteilnehmer setzen?
Das klingt vielleicht lustig – aber ich setze kein Vertrauen in die anderen Leute. Ich versuche so zu fahren, dass ich mir sicher sein kann, dass es sich für mich ausgeht. Aber ich vertraue nicht auf die anderen Verkehrsteilnehmer - ich setze nicht voraus, dass sie das so machen, wie ich das machen würde. Man kann sich nicht auf die anderen verlassen, da viele in so einer Situation einfach überfordert sind. Wenn da zum Beispiel einer im Gegenverkehr daherkommt – da kriegen sie dann die Panik. Ich fahre so, dass keiner gefährdet ist – weder andere, noch ich oder mein Beifahrer.
Jetzt haben wir die ganze Zeit gar nicht darüber gesprochen, wie es für dich als Frau ist, Motorsport zu betreiben – wie war das für dich, beispielsweise als du mit dem Kartsport begonnen hast?
Sagen wir einmal so: Ich habe in Österreich leider sehr schlechte Erfahrungen gemacht, es gab viele Intrigen, mir wurde Zucker in den Tank gegeben, damit ich einen Motorschaden habe. Mir wurden die Bremsen geölt. Und nach den ganzen Vorfällen haben wir dann entschieden, dass wir ins Ausland gehen, dass wir im Ausland fahren.
Hat das etwas damit zu tun, dass dein Vater Robert Schneider bei der OSK als Sportkommissar tätig ist?
Nein, das glaube ich nicht – weil es nicht erst einmal vorgekommen ist, dass mein Vater mich raus genommen hat aus einem Rennen (lacht). Denn es ist so, dass er dort, an der Rennstrecke, nicht mein Vater ist. Sondern er ist der Sportkommissar Schneider – das war schon immer so und wird auch weiterhin so bleiben. Wenn wir zu dem Rennen fahren, ist er mein Papa und wenn wir zurückfahren ist er mein Papa – und ansonsten ist er ein OSK-Mitglied, genauso wie für jeden anderen. Ich glaube nicht, dass die Angriffe daher kamen – es war ja etwas Persönliches gegen mich.
Waren es vielleicht Männer, die Angst davor hatten, von einer Frau besiegt zu werden?
Genau. Ich bin dann eben weg aus Österreich und habe gesehen, dass es da vier Rennen auf dem Pannoniaring gibt und ich habe mir gedacht: ‚Okay, fahren wir Spaß halber mit.’ Und dann habe ich die vier Rennen gewonnen – aber nach dem zweiten Rennen haben sie mir den Zucker in den Tank gegeben. Da ich aber schon in einem Werksteam fuhr, wurde das Kart natürlich ganz genau begutachtet und da wurden die Zuckerreste entdeckt und es wurde alles ausgetauscht.
Und die Männerwelt hat sich dann gewundert, warum die Frau Schneider jetzt nicht mit einem Motorschaden ausgefallen ist. Danach aber, im Ausland, egal ob Ungarn oder Amerika, da gab es so etwas nicht mehr.
Ich muss leider sagen: Ich habe wenige weibliche Motorsportlerinnen getroffen in meinem Leben – ich fahre jetzt 17 Jahre und habe vielleicht fünf getroffen. Was eigentlich sehr schade ist – aber ich muss dazusagen, dass es einer Frau sehr schwer – wie soll ich sagen - zugestanden wird, dass sie fahren kann.
Und ich bin der Meinung, dass es für eine Frau viel schwieriger ist, Sponsoren zu finden – weil es einfach so ist, dass man dann sagt: ‚Eine Frau im Motorsport – nein, das hat keinen Sinn!’ Als Kartpilotin war es sehr schwer, Sponsoren zu finden, obwohl ich in diesem Sport absolute Erfolge hatte.
Dabei finde ich, dass man mit weiblichen Motorsportlern sehr gute Werbung machen könnte – weil es eben doch noch etwas Außergewöhnliches ist. Leider gibt es immer noch das Klischee: Frau am Steuer, Ungeheuer. Was für mich ein kompletter Schwachsinn ist.
Und es ist ja heute auch nicht mehr so wie in den frühen Jahren, dass eine Frau rein körperlich nicht in der Lage wäre, ein Rennauto zu pilotieren, oder?
Ich bin einmal sechs Stunden am Stück gefahren – egal in welcher Motorsportklasse: Ich hatte nie irgendwelche Probleme von der Kraft her. Vielleicht auch, weil ich das seit meinem siebten Lebensjahr mache und darauf trainiert bin. Man trainiert ja nur das, was man für seinen Sport braucht.
Bist du schon einmal von einer Frau besiegt worden in einem Rennen?
Nein. Insgesamt bin ich glaube ich erst zweimal in meinem Leben gegen eine Frau gefahren. Das eine war die Europameisterschaft, da war ich 14 Jahre alt. Das war in Frankreich, da waren 230 Fahrer und 32 kamen ins Finale. Ich bin ins Finale gekommen und da waren noch zwei Mädels, die haben es nicht geschafft. Und ich wurde 13. Also von einer Frau bin ich noch nie besiegt worden.
Kann man eigentlich sagen, dass du derzeit die schnellste Österreicherin bist?
Ich sage einmal so: Im Suzuki Motorsport Cup ja – aber es kommt immer auf die Motorsportklasse an.
Die schnellste Österreicherin im Tourenwagen?
Ìm Tourenwagen ja. Im Suzuki Motorsport Cup sind wir derzeit drei Mädels – da fahren noch die Nicole Kern und die Bianca Porzelt.
Kommen die zu dir, um sich Tipps zu holen?
Nein, ich glaube nicht, dass sie das brauchen – sie werden schon wissen, wie man das richtig macht. Es kommt auch immer darauf an, mit wie viel Ehrgeiz du das siehst. Für mich ist es sehr wichtig, ich bin sehr ehrgeizig. Ich setze mir auch Ziele. Ich muss aber auch sagen, dass ich weder mit Nicole noch mit Bianca viel gesprochen habe. Wir haben zwar mal ‚Hallo’ gesagt…
Kocht quasi jede ihr eigenes Süppchen?
Ja, das ist ja überhaupt so, eigentlich, im Fahrerlager, sage ich einmal. Es hat eigentlich keiner mit dem anderen so viel Kontakt – natürlich teamintern, wenn es größere Teams sind. Aber es ist eigentlich so, dass es immer so stressig ist, dass du gar nicht die Zeit hast, dass du da durch das Fahrerlager marschierst und mit jedem ein Stündchen plauderst.
Müssen sich die österreichischen Rallyepiloten vor dir fürchten – falls du auf den Geschmack kommen und die Rallye immer mehr deines werden sollte? Wäre das eine Perspektive? Die österreichische Rallye-Staatsmeisterschaft zum Beispiel?
Also um jetzt diese Frage mit Ja zu beantworten – da muss ich noch sehr viel Erfahrungen sammeln. Ich bin bis jetzt drei Rallyes in meinem Leben gefahren – man sieht immer eine Verbesserung, die Platzierungen werden auch besser, ich hätte mir auch bei der ersten Rallye nicht erwartet, dass wir mit dem siebten Platz abschließen - bei rund 14 Teilnehmern, noch vor vielen, die schon seit Jahren Rallye fahren. Spaß bereitet mir die Rallye auf alle Fälle – und um auf deine Frage zurückzukommen: Sie können sich ruhig fürchten, wenn sie wollen! (lacht) Ich werde sicher nicht aufgeben und stets mein Bestes geben.