
24h Nürburgring | 16.05.2010
Umsturz II: Porsche-Desaster, BMW feiert
Nichts wurde es mit dem Sieg für den Hybrid-Porsche, einer der Werks-BMW hatte letztlich die Nase vor dem Farnbacher-Ferrari und einem Audi R8.
Johannes Gauglica
Größte Überraschung des Jahres: Das Wetter – vom Start bis ins Ziel blieb die Witterung trocken, der Samstannachmittag und der gesamte Sonntag waren dann sogar kühl, aber trocken. Damit blieben uns Unterbrechungen erspart, und wer immer neben der Strecke landete, konnte sich nicht aufs Wetter ausreden!
Der Defektteufel kümmerte sich in den Nacht- und Morgenstunden vorrangig um die Firma Audi. Einer nach dem anderen bekam jeder R8 LMs, der sich dem führenden Hybrid-911 (Bergmeister/Lietz/Holzer/Ragginger) näherte, Schwierigkeiten. Genau wie voriges Jahr saß der Wurm primär im Bereich der Kraftübertragung und der Antriebswelle.
Der Hybrid mit Startnummer 9 und den beiden Österreichern Richard Lietz und Martin Ragginger im Team wirkte nach der Sicherung der Führungsposition bereits wie die „Bank“ auf den Sieg. Die Konkurrenz konnte dem von Olaf Manthey betreuten Doppelantriebs-Auto allem Anschein nach nichts anhaben.
Gemischte Gesellschaft: Der Werks-BMW E92 machte quasi auf leisen Sohlen seinen Weg durchs Klassement nach oben, und der Ferrari F430 des Farnbacher-Teams zeigte, dass auch ein italienischer Vollblüter sich in der eisigen Eifel durchaus recht wohlfühlen kann.
Somit gewöhnten wir uns alle an den Gedanken des ersten Hybrid-Rennsieges am Ring, und des nach Tokachi 2007 zweiten Gesamtsieges für ein Hybrid-Auto. Und in Österreich selbstverständlich an die Idee von Champagner, Pokal und Lorbeerkranz für Lietz und Ragginger. Das war zu früh gefreut.
Eine Stunde und 50 Minuten vor Schluss gab es dann wieder einen Umbruch im Klassement, und er war dramatisch. Denn der Hybrid-Porsche rollte über die Breidscheid-Brücke aus – Schluss – basta! Der Benzinmotor gab vorzeitig den Geist auf, die Sensation des Jahres 2010 bleibt leider aus.
BMW Nr. 25 hatte zu diesem Zeitpunkt einen relativ lockeren Vorsprung auf den Farnbacher-Ferrari, und damit übernahm BMW Team Schnitzer die Führung, Jörg Müller, Augusto Farfus, Uwe Alzen und Pedro Lamy ließen sozusagen fast nichs mehr anbrennen - ein kleines Feuer sorgte für eine Schrecksekunde beim letzten Stop - und holten sich durchaus überraschend den Sieg in der Eifel.
Dahinter nicht minder überraschend der Ferrari 430 (Farnbacher/ Simonsen/Keen/Seefried) mit einer Runde Rückstand, gefolgt vom Audi R8 mit der Startnummer 97 (Rostek/Luwig/Bronzel/Winkelhock), der schlussendlich doch noch für einen Stockerlplatz der Ingolstädter sorgte.
Gemischte Gefühle im Lager der Österreicher
Von den ÖsterreicherInnen im Feld war am Sonntag-Morgen gemischte Fortune zu vermelden. Zwei aus heimischer Sicht interessante Autos kamen sogar aufs Zielfoto, weil es sich gerade so ausging.
Den größten Einzelerfolg vermeldet Hari Proczyk mit dem Klassensieg in der Gruppe V5, das bringt ihn auf Gesamtposition 37 - der schnellste VLN-Serienwagen im Feld, wir gratulieren! Vor allem, weil der Steirer nach sienem Auftritt im Mini-Challenge-Rennen am Samstag-Vormittag dann zusätzlich noch insgesamt zehn der 24 Rennstunden im Auto saß; zwei der vier Teamfahrer übernahmen den Löwenanteil der Fahrzeit, eine bemerkenswerte Leistung.
Das Histo-Cup-Team mit dem plutoniumgrünen BMW 325 war nach dem Motto „nice & easy“ weiterhin problemfrei unterwegs, Fischer/Hollerweger/Lipp steuerten das Auto nach dem Absprung des vierten Piloten knapp vorm Rennen ja zu dritt.
Am Vormittag war man auf dem 85. Gesamtrang und konnte sich bis zur Zielflagge sogar auf Rang 76 verbessern. In der Klasse bedeutet das den Sprung aufs Stockerl: Platz 3!
"Das ganze Team hat 24 Stunden lang keinen einzigen Fehler gemacht, und am Auto ist kein Kratzer", freuen sich Michael Hollerweger, Geri Fischer und Stephan Lipp. Erich Trinkl wollte ja bei diesem Team noch zusteigen, was leider nach dem Qualifying nicht mehr möglich war; der Tiroler hatte in puncto Problemen mehr zu erzählen.
Bei diesem Team, in seiner Klasse ebenfalls prominent besetzt, wurde in der Nacht knapp zwei Stunden lang gezangelt, denn die Motorhaube flog auf und demolierte Windschutzscheibe und Umgebung. Und das ausgerechnet auf der schnellen Döttinger Höhe!
"Wir hätten gewinnen müssen", kommentierte Trinkl, denn zu diesem Zeitpunkt lag die Mannschaft auf Platz 1 ihrer Klasse, mit 5 Minuten Vorsprung. Auch der Hauptschalter wurde beschädigt, somit war das Fahrzeug stromlos und musste erst wieder ins Fahrerlager gebracht werden. Danach besann man sich darauf, Klassenrang 4 nachhause zu bringen, Rang 87 stand für Trinkl/Kratz/Schettler/Delavina am Ende zu Buche.
Das Team rund um Günther Spindler zog sich „Montezumas Rache“ zu, zwei Fahrer mussten am Sonntag mit akuten Beschwerden w.o. geben. Die Herren Fournier und Purtscher fuhren den BMW auf dem guten 73. Rang ins Ziel. Dr. Armin Zumtobel erreichte ebenfalls das Ziel auf Rang 98 und der 9. Position in der Klasse V5.
Alter Motor, neuer Motor?
Der Honda S 2000 von Dieter Svepes & Co. umkreiste den Ring genau auf Platz 100, und recht grimmig schlug das Schicksal beim Ford-Team von Daniela Schmid zu. Der Focus, mit WRC-Star Jari-Matti Latvala und Unterstützung vom Werk, musste um Mitternacht zum Motorwechsel antreten – damit waren drei Stunden weg, es ging von da ab nur mehr um den olympischen Gedanken, am 117. Endrang.
„Um den Sieg in der Klasse war es sicher eine enge Geschichte, obwohl auch einige etwas langsamer unterwegs waren als erwartet. So hätten wir doch Chancen gehabt, etwas Gutes zu erreichen“, haderte die Tirolerin etwas mit dem Schicksal, „durch den Motorwechsel haben wir halt zuviel Zeit verloren.“
Ironie des Schicksals: Das Team wechselte vorm Rennen aus Sicherheitsgründen auf eine neue Maschine, die dann also prompt den Geist aufgab – „jetzt haben wir wieder den alten Motor drinnen…“
Nach dem Motorenwechsel ging man kein Risiko mehr ein: „Die Grundgeschwindigkeit des Autos wäre eigentlich sensationell, man bräuchte gar nicht so sehr zu pushen, um vorne mitzufahren.“ – Eine Endposition unter den Top 30 wäre mit dem relativ seriennahen Focus RS (daran soll sich im Lauf der Saison noch einiges ändern) wohl in Reichweite gewesen.
Kubik zum Quadrat
Manfred Kubik war diesmal als Marathonmann unterwegs, er pilotierte gemeinsam mit zwei Teamkollegen alle beide Autos des Derichs-Teams, den ehrwürdigen Audi V8 und den neueren Audi A8W12, beide mit Automatik: "Das war mehr oder weniger ein Abfallprodukt; wir haben das neue Auto sehr spät bekommen, da waren alle schon darauf eingestimmt, dass wir mit dem alten V8 fahren."Die minimale Ruhezeit beträgt zwei Stunden, mehr gab es für Kubik & Co. pro Zwischenhalt nicht: "Es war für Fahrer und Crew sehr hart. Man hat weniger Ruhepausen, statt wie bisher mindestens vier oder fünf Stunden. Wir müssen aber die Stints dafür um eine halbe Stunde verlängern, weil sich das mit der Ruhezeit sonst vielleicht um ein paar Minuten nicht ausginge. Und die Rennleitung achtet darauf tatsächlich."
Stellt man tatsächlich nur die Automatik auf Drive und fährt los? "Viel anders ist es tatsächlich nicht. Der W12 ist schwieriger zu fahren, weil Fahrwerk und Bremsen noch nicht passen; wir haben das Auto erst vor sechs Wochen gekauft. Genau dort waren wir anfangs auch mit dem V8, der sich mittlerweile wie ein Gokart fahren lässt."
Mit 1,7 Tonnen Leergewicht ist der A8 keine Ballerina, dennoch rollte der Direktionswagen rechtschaffen problemfrei auf Platz 102, der ältere V8 platzierte sich ("heuer wahrscheinlich zum letzten Mal") auf Rang 104.
Bomben-Leistung des OPC Race Camp
In Anbetracht der starken Besetzung in den größeren Klassen war die Leistung der Zweiliter-Turbos umso bemerkenswerter. Der schnellste Wagen der Klasse SP3, ein Audi TTS, kreiste auf Gesamtrang 16.
Und die Rookies des OPC Race Camp in ihren Opel Astra geigten wirklich fulminant auf: Der schnellere der beiden Boliden kam in die Top 20, das Schwesterauto war mit Platz 22 nicht weit dahinter.
Eine großartige Leistung für buchstäblich „frischg’fangte“ Fahrer in ihrem ersten 24h-Rennen; die Opel-Mannschaft stellte dazu zwei bombensichere Fahrzeuge hin, man präsentierte sich als ernstzunehmendes Werksteam. Und OPC Race Camp-Teamchef Manuel Reuter zieht eine positive Bilanz:
"Wenn man sieht, wie viele Teams hier bereits Probleme hatten, muss ich unseren Jungs um so mehr ein Lob aussprechen. Sie haben eine hervorragende Leistung gezeigt. Dabei soll man nicht vergessen, dass sie vor einem Jahr noch als Zuschauer hier vor Ort waren und nun in diesem starken Feld vorne mitgefahren sind."
Somit endet die 38. Ausgabe der 24 Stunden in der Eifel mit etlichen positiven Überraschungen; der späte Ausfall von Ragginger und Lietz schmerzt aus rot-weiß-roter Sicht allerdings schon. Nächstes Jahr wird das bitte hoffentlich korrigiert!
Pressekonferenz: Die Stimmen der siegreichen Piloten
# 25 (Müller / Farfus / Alzen / Lamy) BMW M3 GT2 BMW
Motorsport-Direktor Dr. Mario Theisen: „Das waren sehr dramatische 24-Stunden mit einem sehr emotionalen Finale. Wir hatten nach einer Stunde durch den Unfall der Nummer 26 nur noch einen Sieganwärter. Dennoch haben die Jungs nach der Reparatur eine tolle Aufholjagd von Position 180 auf Platz sieben gezeigt. Das zweite Auto lief bis auf zwei kleinere Defekte perfekt. Ich habe die 24h immer verfolgt, schon als Schüler stand ich 1970 am Zaun und habe den Sieg von Stuck beobachtet. Hier am Ring gibt es ein riesiges Aufeinandertreffen von Fans und Motorsportlern, das ist auch für uns von BMW ein großes Ereignis. Es ist das größte Motorsportereignis in Deutschland, von Europa, wenn nicht sogar der ganzen Welt.“
Pedro Lamy: „Jeder Sieg von mir hier am Ring war schwer, aber dieser ist etwas Besonderes. Es war der schwierigste Sieg. Jeder bei uns im Team hat einen tollen Job gemacht. Ich bin sehr glücklich.“
Jörg Müller: „Die Getriebeprobleme waren schon heftiger. Es wäre untertrieben zu sagen, dass man es nur hören konnte – es hat richtig gescheppert. Der vierte Gang war weg und das ist bei einem sequentiellen Getriebe problematisch. Charly Lamm hat mich in das Auto gesetzt, mit der Bitte, das Getriebe zu schonen. Alles in allem haben wir auch Federn gelassen, aber immerhin haben wir es über die Ziellinie geschafft. Mein Dank geht an das Team. Ich kenne viele seit Jahren und mit dem Sieg ging ein Traum in Erfüllung. Unsere Mechaniker werden heute die glücklichsten Menschen sein. Wir waren immer konstant unterwegs, das ist bei diesem Rennen das wichtigste. Wir haben alles aus dem Auto herausgeholt.“
Augusto Farfus: „Das ist für mich der erste Sieg beim 24h-Rennen. Das ist etwas ganz Besonderes. Ich hatte die Möglichkeit, von meinen Teamkollegen viel zu lernen. Zu Beginn des Rennens war die Zielankunft unser Ziel – dass wir jetzt gewonnen haben ist einfach klasse. Besonders die letzten Runden des Rennens waren noch einmal sehr speziell. Ich gratuliere dem ganzen Team.“
Uwe Alzen: „Ja es stimmt: Wir hatten ein paar Probleme. So flog mir zum Beispiel auf der Döttinger Höhe ein Holzstück eines vorausfahrenden Teilnehmers in den Kühler. Die Schnitzer-Truppe musste daraufhin in Rekordzeit die ganze Schnellwechseleinheit vorne erneuern, wofür sie vom Publikum in der Box Applaus bekam. Das ganze Rennen war aufregend. 2000 war ich hier zuletzt auf dem Podium, nun komme ich nach 10 Jahren mit BMW zurück. Es ist für mich eine Riesenehre für BMW fahren zu dürfen und fühle mich im Team sauwohl. Der Zusammenhalt bei BMW spiegelt sich in der Performance wieder. Hut ab – tolles Ergebnis – mehr geht nicht“.
# 43 (Farnbacher / Simonsen / Lehman / Seefried) Ferrari F 430 GTC
Leh Keen: „Das Geheimnis unseres Ferrari waren die Hankook-Reifen. Wir haben alle toll zusammengearbeitet, aber zum totalen Triumph hat noch ein Platz gefehlt.“
Allan Simonsen: „Nach dem nicht so erfolgreichen Qualifying mussten wir uns erstmal durch das Feld arbeiten. Wir waren schnell in den Top Zehn und heute morgen schon unter den ersten fünf. Da war uns klar, dass wir eine Chance haben würden, wenn wir nicht in Unfälle geraten und gute Boxenstopps machen würden. Viele Teams hatten Probleme. Bei einem 24h-Rennen muss man eben erst einmal ins Ziel kommen.“
Dominik Farnbacher: „Grüß Gott und Glückwunsch an BMW. Es war für uns sehr aufregend, denn wir haben nicht mit diesem Ausgang des Rennens gerechnet. Hauptziel für uns war es, gemeinsam mit Hankook den Fans eine gute Show zu bieten und eine Top-Ten-Platzierung einzufahren. Das Team hat super gearbeitet und Platz zwei ist einfach unbeschreiblich.“
Marco Seefried: „Die Jungs haben das sensationell hingekriegt, es sind eben Profis. Es stimmt, ich habe sicherlich auf dieser Strecke die meiste Erfahrung, doch einen Doppelstart werde ich künftig nicht mehr machen. Da das zweite Auto ausgefallen ist, hatte ich es dann etwas einfacher.“
# 97 (Rostek / Ludwig / Bronzel / Winkelhock) Audi R8 LMS
Marc Bronzel: „Auch wir sind nicht von technischen Problemen verschont geblieben. Aber es waren lösbare Aufgaben. Unsere Taktik war es, das Rennen defensiv anzugehen und das Material zu schonen. Am Anfang hatten wir ein Reifenproblem. An Ende sind wir auf dem Podest gelandet, das hatten wir uns wohl alle erträumt.“
Dennis Rostek: „Es waren anfangs so viele Audis, und wir sind übrig geblieben? Irre. Unser Team ist relativ kurzfristig zusammen gewürfelt worden. Toll wie uns die Fans unterstützt haben und dem R8 LMS zugejubelt haben.“
Luca Ludwig: „Für mich wird heute ein Traum wahr. Ich war als Kind schon immer mit meinem Vater bei den Rennen. Er ist selbst bis 2007 gestartet und gewann hier drei Mal. Nun kann ich in seine Fußstapfen treten und auf dem Podium stehen. Das ist für mich eine Ehre und es macht mich stolz, dass ich in diesem Team fahren durfte.“
Markus Winkelhock: „Für mich ist es etwas ganz Spezielles beim ersten Mal gleich auf´s Podium fahren zu können. Ich kannte die Nordschleife bisher kaum und bin nur ein paar Runden mit dem Privat-Pkw gefahren, deshalb musste ich vergangene Woche noch einen Nordschleifenlehrgang machen um überhaupt starten zu dürfen. Aufgrund der mangelnden Streckenkenntnis wusste ich im Training manchmal nicht ob es nach einer Kuppe rechts oder links weitergeht. Im Rennen wurde ich von Stint zu Stint schneller, da ich ohne Druck fahren konnte. Unser Auto war nicht unbedingt für einen Podestplatz gedacht – unser Ziel war ein Resultat unter den Top-Ten. Deshalb sind wir jetzt mit dem dritten Platz umso glücklicher."