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Motorsport: FIA-Akademie Shootout 2011

18 Jungpiloten kämpfen um zehn Akademieplätze

In Melk findet das Shootout zur ersten FIA-Akademie statt. Piloten wie Philipp Eng oder Andreas Mikkelsen müssen Instruktor Alex Wurz und Co überzeugen…

Michael Noir Trawniczek
Fotos: FIA Academy, motorline.cc

Auf dem Flipchart Rap-Texte über Philipp Eng, auf dem Teppichboden Spielkarten und eine Rolle Klopapier – wo sind wir hier gelandet?

Keine Sorge, wir befinden uns in einem Hotel nahe dem Melker Wachauring - auf diesem findet das erste Shootout der neu gegründeten FIA-Akademie statt, an dem 18 Jungpiloten aus aller Welt um zehn Fixplätze für 2011 kämpfen.

Und im besagten Hotel werden die Youngsters psychologisch in Bezug auf Teambuilding abgeklopft. Was es mit den Karten und dem Klopapier tatsächlich auf sich hatte, erzählt Philipp Eng, der österreichische Teilnehmer im motorline.cc-Interview, zu finden über die Navigation oben rechts..

Idee von Alex Wurz

Alex Wurz hat an diesen Tagen viel zu tun. Vor vier Jahren hatte der Niederösterreicher die Idee zu der neuen Akademie, deren Gallionsfigur er heute ist.

Seine Firma „Test and Training International“ absolviert die fahrtechnische Ausbildung der Jungpiloten. „Sie könnten, falls es nichts mit der Motorsportkarriere werden sollte, dann sogar als Fahrinstruktor arbeiten“, sagt Wurz.

Den Hang zum Unterrichten, zum Weitervermitteln von Fachwissen verspürte Wurz schon recht früh, wie er erzählt: „Ich bin quasi im Fahrtechnikzentrum aufgewachsen, hab mir mein Taschengeld beim Kursehelfen verdient. Und war dann auch immer beim theoretischen Teil dabei.“

„Und ich habe dann irgendwann verstanden: ‚Haltaus! Ich verstehe jetzt, wie der Reifen funktioniert. Und draußen fühle ich es. Dann kann ich es aber auch dem Kursteilnehmer vermitteln und kommunizieren. Das sind ein paar Elemente, die ich herausgefunden habe, die mir diese Karriere speziell als Test- und Ersatzfahrer ermöglicht haben, die ja eine sehr lange und gute Karriere war.“

Verkehrssicherheit soll profitieren

Mit seiner Firma hält Wurz gemeinsam mit seinem Vater Franz weltweit in eigenen Fahrtechnikzentren Sicherheitskurs für Berufs- und Alltagsfahrer ab, die Firma arbeitet auch eng mit der FIA zusammen. Wurz erzählt: „Meine Aufgabe ist es, die Verhaltensweise der Verkehrsteilnehmer zu verändern – indem man Best Practise Systeme über die Industrie anbietet. In Österreich gibt es die Mehrphasenausbildung. Und das bewirkt, dass die Jugendlichen ihr Verhalten verändern.“

Das war nicht immer so: „Lange Zeit hat es geheißen: ’Das kann man nicht verändern!’ Aber mit einer Reduktion der tödlichen Unfälle von den ersten 34 Prozent und 32 bzw. 33 Prozent in den Folgejahren, in der Risikogruppe, hat man gemerkt, dass es doch funktioniert. Da ist Österreich ein gutes Beispiel und viele Länder folgen.“

“Es scheitert selten am Talent“

In der FIA-Akademie sind die Teilnehmer allesamt zwischen 17 und 23 Jahren alt. Auch bereits bekannte Piloten wie Andreas Mikkelsen oder eben Philipp Eng sind mit dabei. Mikkelsen bestreitet heuer in einem von Skoda England eingesetzten Fabia S2000 die Intercontinental Rally Challenge und ist auf den Titel angesetzt. Eng möchte es in die Formel 1 schaffen und möchte 2011 in der World Series by Renault unterkommen.

Wurz sagt: „Bei meinen Kollegen in den Rennformeln habe ich oft gesehen: Es scheitert selten am Talent, speziell wenn du so weit rauf kommst. Aber das Basiswissen hat oft gefehlt. Und das soll die nächste Generation nicht mehr haben.“

Wurz möchte die jungen Rennfahrer auch auf das Thema Verkehrssicherheit und im Speziellen auf die Vorbildwirkung sensibilisieren: „Am Schluss sollen der Motorsport und die Verkehrssicherheit davon profitieren.“

Verantwortung & Vorbildwirkung

Piloten, welchen wegen Verkehrsdelikten der Führerschein abgenommen wird, würde Wurz sofort die Rennlizenz entziehen: „Ja, ich wäre dafür, dass du sofort die Lizenz hergeben musst.“

„Aber wir wollen es jetzt anders machen. Anstatt runter zu drücken, wollen wir erreichen, dass sie es freiwillig machen. Er soll es im Blut haben – wir denken uns alle: ‚Ein Junger soll wild sein!’ Soll er auch – aber alles zu seiner Zeit.“

Wie war das mit Lewis Hamilton, als dieser in Melbourne seinen Burnout fabrizierte? Wurz dazu: „Der wurde bei seiner Burnout-Aktion von den umstehenden Zuschauern regelrecht aufgestachelt. Alle haben gesagt: ‚Mach es! Mach es!’. Ich möchte ihn hier nicht verteidigen. Aber Hamilton hat dadurch kapiert, dass er eine Vorbildwirkung hat – er macht jetzt sehr viele Verkehrssicherheitsaktionen. Das ist vielleicht wie die Faust auf das Auge – aber im Endeffekt ist es sehr gut, wenn sich ein Betroffener dann so verbessert.“

Im M3 auf der Wasserplatte

Verbessern sollen sich die Jungpiloten der FIA-Akademie auch im Cockpit. Auf der Renn- und Trainingsstrecke des Wachaurings, der auch ein ÖAMTC-Fahrtechnikzentrum ist, tummeln sich jeweils sechs Jungpiloten in einheitlichen BMW M3 Boliden mit Hinterradantrieb. Wurz steht mit den anderen Instruktoren im Beobachtungshäuschen, über Funk wird kommuniziert.

Wurz sagt: „Es ist interessant, die Gruppendynamik zu beobachten – also die Unterschiede zwischen den drei Gruppen.“ Die Piloten müssen über die Wasserplatte, dort wird der Wagen abrupt instabil. „Die Wasserplatte ist optimal, denn so wird die Reaktion verlangsamt. So können die Teilnehmer aber auch wir viel besser beobachten, wie die Fahrer auf das instabile Fahrverhalten reagieren. Auf trockenem Asphalt geht alles viel schneller vonstatten.“

Ein 19-jähriger lässt sich von der Wasserplatte überhaupt nicht aus dem Konzept bringen, er fährt ruhig und unspektakulär - doch man merkt, dass Wurz Gefallen an seiner Performance findet.

Wurz nickt: „Er hat das sehr schön gemacht – in der Kehre hat er den Lastwechsel sehr gut hinbekommen, sodass der Wagen einlenkt. Das sind genau jene Kleinigkeiten, wo du siehst: Der schaut sich das an, denkt mit, lernt und setzt es um.“

“Hat er Steigerungspotential?“

Wurz und Co machen sehr wohl Unterschiede zwischen einem 17- und einem 23-jährigen. Ganz allgemein gilt: „Du musst zuerst herausfinden, wo er in seiner Entwicklung steht – du kannst ihn ja nicht dafür bestrafen, dass er in seiner Entwicklung hinten nach ist. Es geht darum, zu schauen, ob er ein Steigerungspotential hat.“

Die Gruppen sind an diesem Sonntag aufgeteilt auf jeweils sechs Piloten. Eine Gruppe auf der Teststrecke, eine im Hotel beim Teambuilding und eine weitere in einem Turnsaal des nahe gelegenen Klosters, wo Fitnesstests auf dem Programm stehen.

“Sagt er die Wahrheit?“

Am Dienstag findet der letzte Tag der Sichtung statt. Wurz erklärt: „Da gibt es großteils Interviews. Da haben wir einen Psychologen. Da geht es eben auch um die Vorbildwirkung – da musst du mal schauen, ob er die Wahrheit sagt. Und ob er offen ist oder stur, wie er mit dem Ganzen umgeht. Dann geht es noch um ihre Präsenz – sie müssen ein Interview vor der Kamera machen, da schaut man dann, wie sie reagieren.“

Wurz fügt hinzu: „Mein Teil ist es, herauszufinden: Wie weit ist er technisch? Was weiß er über die Abstimmung? Was weiß er über die physikalischen Gesetze? Da musst du auch unterscheiden zwischen Rallye und Rundstrecke. Sitzt er nur drin und fährt? Oder hat er auch eine Ahnung davon, was in einem Auto vorgeht? Und ob er schon einmal daran gedacht hat, hier einen Wettbewerbsvorteil zu sehen.“

Die Bewertung der Kandidaten erklärt Wurz folgendermaßen: „Sie kriegen für alles, was sie machen Punkte – und parallel dazu, das hat sich bei uns in der Managementsprache als ‚Best Practice-System’ herausgestellt, dass nämlich jeder Instruktoren auch sein eigenes Ranking macht. Über 95 Prozent deckt sich das dann immer – und das ist sehr schön.“

“Bauchgefühl soll mit entscheiden“

„Weil manchmal macht einer einen blöden Fehler, dreht sich, aber er war sonst sehr gut. Da würde er zu viele Punkte verlieren, da muss schon auch ein bisschen das Bauchgefühl mit entscheiden. Aber wir haben eigentlich für jede Station mindestens zwei Arten der Bewertung.“

„Es gibt auch innerhalb der Disziplinen verschiedene Kategorien. Einer ist zum Beispiel in Anaerobic sehr gut aber er hat zum Beispiel eine schlechte Bauchmuskulatur oder ist verspannt und dehnt nicht gut. Und das muss er dann verbessern – denn einem Sportler muss klar sein, dass es nicht nur um Exklusivität oder Ausdauer geht. Nein, du musst auch gut gedehnt sein. Du musst flexibel sein, wenn du einen Unfall hast.“

Enttäuschte Gesichter? „Kein Problem!“

Das Schlimme an einem Shootout sind am Ende immer die enttäuschten Gesichter jener Kandidaten, die nicht ausgewählt werden. Tut sich Wurz diesen Anblick an? Der Niederösterreicher nickt: „Sicher sehen wir uns die an. Wenn du in den Motorsport einsteigst, dann musst du auch lernen, mit einer Niederlage umzugehen. Da gibt es vielleicht ein paar Tränen, ein paar Schimpfwörter, ein paar Fragen – und dem stellen wir uns auch.“

„Man darf nicht vergessen, dass wir hier ohnehin schon die Gewinner haben, die aus über 160 Leuten jeweils von ihren nationalen Motorsportbehörden vorgeschlagen wurden. Wenn jetzt einer nicht genommen wird, kann er sich im nächsten Jahr wieder bewerben.“

Neben den Interviews wird am finalen Dienstag aber auch noch einmal Gas gegeben: „Am Dienstag ist dann ein ‚Race of Champions’, da fahren immer zwei gegeneinander, einer scheidet aus. Das geht dann bis ins Finale.“

Entscheiden wird am Ende aber die Punkteanzahl aus allen Bewerben und den persönlichen Rankings der Instruktoren. Neben Wurz fungiert noch Robert Reid, der 2001 als Co-Pilot von Richard Burns Rallye-Weltmeister wurde als Instruktor. Mit seiner Firma „Elite Sports Performances“ kümmert er sich um jene Belange abseits der Strecke.

Betreuung & Kontakte

Was gewinnen die zehn glücklichen Sieger eigentlich? Sie werden ein Jahr lang von der FIA-Akademie betreut. Geplant sind sieben bis acht mehrtägige Workshops in der Saison 2011.

Wurz dazu: „Das werden wir wochentags abhalten, da die Jungs ja alle ihre Rennprogramme absolvieren. Wir kümmern uns um alle Belange – neben der Fahrtechnik auch darum, wie es den Piloten seelisch ergeht. Und natürlich stellen wir auch unsere Kontakte zur Verfügung – und diese gehen eben bis in die Formel 1 und die Rallye-WM.“ Und es weiß jeder: Kontakte sind im Motorsport, ob Rundstrecke oder Rallye, quasi unbezahlbar…

Finanzieren jedoch müssen die Piloten ihre Saison selbst – allerdings betragen die Kosten der Betreuung rund 65.000 Euro pro Fahrer. Wichtig ist: Jene zehn Piloten, welche in der ersten Ausgabe der FIA-Akademie Platz finden, sollten 2011 schon über ein Cockpit verfügen. „Sonst würde eine solche Betreuung ja wenig Sinn machen“, sagt Wurz – und widmet sich mit seiner Mappe unter dem Arm wieder seinen Jungpiloten…

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