FIA-GT: Dubai | 14.11.2005
Karl Wendlinger im Gespräch mit motorline.cc
Karl Wendlinger kämpft in Dubai um die FIA-GT-WM. Zuvor sprach er mit motorline.cc über FIA-Gewichte, F1-Regeln, CDG-Flügel, K.O.-Quali u. v. m.
Text/Fotos: Michael Noir Trawniczek
Karl Wendlinger ist längst in Dubai - dort hofft er, schon im vorletzten Rennen FIA-GT-Weltmeister zu werden, zum zweiten Mal seit 1999.
motorline.cc hat mit dem sympathischen Tiroler im Rahmen einer Präsentation von Dieter Quester (der im Januar binnen 17 Tagen 3 Langstrecken-Rennen bestreiten wird, u. a. auch mit der Unterstützung von Karl Wendlinger) geplaudert - damals wollte die FIA den Maserati-Piloten noch 40 Kilogramm an außerordentlichem Zusatzgewicht aufbrummen, mittlerweile hat die Sportbehörde eingelenkt und das Gewicht auf 20 kg reduziert.
Im Fokus standen bei dem Gespräch die Formel 1 und, im zweiten Teil [am Mittwoch auf motorline.cc], die persönliche Karriere von Karl Wendlinger...
Karl, die Fans fragen sich: Wieso kann die FIA einfach so, in der laufenden Saison, jemandem ein Zusatzgewicht aufbrummen?
Karl Wendlinger: So ist das Reglement, leider. Die von der FIA sagen: 'Der Geist des Reglements besteht darin, dass kein Auto überlegen ist.' Die sagen: 'Der Maserati ist überlegen.' Was aber trotzdem meiner Meinung nach eine politische Aktion war, denn wir haben bei den letzten Rennen - in Spa waren zwei Maserati vorne, in Oschersleben zwei Maserati und in Istanbul drei Maserati - aber immer nur deshalb, weil die Konkurrenz Probleme hatte. Und nicht nur, weil wir so gut waren. Aber das ist der FIA egal. Die sagen: 'Okay - zu schnell, da kommt das Gewicht rein.'
Die FIA ist mit ihren Regeländerungen auch in der Formel 1 umstritten. Was hältst du von den neuesten Regeln in der Königsklasse? Dem Knock Out-Qualifying?
Karl Wendlinger: Ich weiß es nicht - man muss sich das einmal anschauen. Für mich war das beste Qualifying jenes von früher - Freitag Nachmittag eine Stunde, Samstag Nachmittag eine Stunde.
Und mit leerem Tank?
Karl Wendlinger: Genau. Das war immer spannend, das war immer unterhaltsam. Mit dem ganzen Scheiß jetzt - der eine fährt im Regen, der andere fährt als Erster, wo noch die Strecke dreckig ist - das verzerrt das Kräfteverhältnis. Meine Lösung wäre: Zweimal eine Stunde mit Low Fuel - und dann geht' s dahin!
Hast du den Grand Prix von Japan in Suzuka gesehen? Das war meiner Meinung nach eines der besten Rennen seit langem...
Karl Wendlinger: Ja, weil das Training ein bisschen ein Durcheinander und die Startaufstellung somit anders als sonst war - doch nur deshalb, oder?
Ja.
Karl Wendlinger: Von dem Rennen habe ich nur ein paar Ausschnitte gesehen - aber: Ja. Nur - es ist ja nicht der Sinn der Sache, dass man immer ein verregnetes Qualifying haben muss, damit das Rennen dann spannend wird, oder?
Stimmt.
Karl Wendlinger: Auf der anderen Seite - wenn du ein Qualifying über eine Stunde machst, dann sind die hinteren Fahrer nie vorne. So sind sie halt ein paar Mal vorne. Aber trotzdem...
Spannend wird ein Rennen ja zu einem großen Teil durch Überholmanöver - und da gibt es in der aktuellen Formel 1 ja das Problem, dass der Hintermann weniger Abtrieb erhält und so sein Auto instabil wird. Gibt es bei euch in der GT-Serie auch eine Dirty Air?
Karl Wendlinger: Ja schon, man spürt es schon. Wenn du zu knapp dran bist, hast du auf der Vorderachse keinen Abtrieb mehr, dann hast du ein Untersteuern. Das gibt es bei uns auch.
Aber nicht so stark, oder?
Karl Wendlinger: Nein, nein - bei weitem nicht so stark. Aber du spürt es auch bei diesen Autos. Dieses Problem gibt es in jeder Motorsport-Serie. Du musst aus einer schnellen Kurve schnell rauskommen, damit du den Gegner am Ende der nächsten Geraden dann ausbremsen kannst. Und aus einer schnellen Kurve kommen wir aber nicht schnell genug raus, weil man nicht so knapp an den Vordermann ranfahren kann. Weil sonst hast du keinen Abtrieb mehr auf der Vorderachse und du fährst geradeaus. Aus einer langsamen Kurve beschleunigt jeder in gleichem Maße raus.
In der Formel 1 möchte man dieses Problem mit dem neuen zweigeteilten CDG-Flügel bekämpfen - was hältst du von dem Ding?
Karl Wendlinger: Ja, schaut witzig aus. Ich denk mir dann, wenn das von der Aerodynamik und den Verwirbelungen her besser ist und wenn die Flügeln so weit unten sind, dann haben die doch um 20 oder 30 km/h mehr Topspeed, oder? Weil da muss dann ja der CW-Wert auch viel geringer sein. Und die fahren doch jetzt schon so schnell - also ich weiß nicht, ob das dann unbedingt die gescheitere Lösung ist.
Nochmal zu dem Knock Out-Qualifying - manche befürchten ja, dass die Rennen dadurch wieder an Spannung verlieren werden.
Karl Wendlinger: Ja, das sehe ich auch so. Denn durch dieses Ausscheidungs-Theater sind dann ja sowieso wieder die Guten vorne. Aber gut - das ist halt einfach so, die Guten sollen ja auch vorne sein. Man sollte halt irgendetwas machen, so wie dieser neue Heckflügel, den du erwähnt hast - damit irgendwann einmal wieder das Überholen einfacher wird in der Formel 1. Nur weißt du - auch wenn das Überholen leichter wird: Wer im Training vorher der Schnellste war, ist auch im Rennen der Schnellste.
Du hast am Beginn deiner Formel 1-Karriere einige sehr tolle Resultate erzielt mit dem grün-türkisen Leyton House-March. War das Überholen damals auch schon so schwierig?
Karl Wendlinger: Ja, es war immer schwierig. Damals vielleicht sogar noch ein bisschen mehr. Weil damals die Aerodynamik um so viel weniger eingebremst war als heuer. Die Flügel hatten nicht diese Mindesthöhe, wodurch du mehr Downforce hattest - und wenn du knapp hinter einem Anderen hergefahren bist, hast du auch mehr Downforce verloren. Heute, mit der Mindesthöhe, den schmäleren Spurweiten und den reduzierten Flügeln, die nicht so viel Abtrieb aufbauen und dadurch auch weniger Abtrieb verlieren, ist es etwas einfacher - aber selbst jetzt ist es ja nur sehr schwer möglich, jemanden zu überholen.
Was sagst du zu Michael Schumacher? Wird er 2006 zurückschlagen? Oder erst 2007, wenn der Einheitsreifen kommt?
Karl Wendlinger: Wenn es einen Einheitsreifen gibt, dann haben einmal alle die gleichen Voraussetzungen. Heuer war der Bridgestone-Reifen ein gewisser Nachteil für den Schumacher, glaube ich. Aber ich glaube auch, dass sie bei Ferrari irgendwann einmal draufgekommen sind, dass sie zu wenig Downforce am Auto haben.
Den F2005 hat erstmals Aldo Costa, der Nachfolger von Rory Byrne, konstruiert.
Karl Wendlinger: Ja, aber der Aldo Costa ist schon jahrelang dabei. Und der Rory Byrne war ja immer noch in das Projekt involviert. Ich glaube, dass sich die alle ein bisschen vertan haben. Und dann geht das Formel 1-Geschäft so schnell voran - und die anderen entwickeln ja genauso weiter - das haben sie dann einfach nicht mehr aufholen können. Manche Rennen hatten sie, wo sie sehr konkurrenzfähig waren, da hat man noch geglaubt, Ferrari ist wieder dabei.. Aber ich glaube einfach, dass die Reifenperformance nicht konstant genug war.
Weil Bridgestone wegen dem Reifenwechselverbot im Rennen ein bisschen zu vorsichtig war?
Karl Wendlinger: Oder weil Michelin so gut war.
Dafür hatte Michelin einige haarsträubende Reifenschäden, die haben da doch auch ihren Preis gezahlt, irgendwie.
Karl Wendlinger: Ja - die haben ihren Preis gezahlt. Aber die Reifenschäden gab es ja eigentlich fast nur in Indianapolis - und sonst war der Michelin sicher der überlegene Reifen und das hat auch den Michelin-Teams sehr geholfen. Es ist ja nicht nur so, dass du den überlegenen Reifen hast, sondern man hat als Team dann ja eine Sorge weniger. Man kann sich in der Entwicklung mehr auf andere Dinge konzentrieren. Und das kann dir dann den entscheidenden Schub vorwärts bringen.
Lesen Sie am Mittwoch den zweiten Teil unseres Exklusivinterviews mit Karl Wendlinger - über den schrecklichen Unfall 1994, das schwierige F1-Comeback und Karls Zukunftspläne.