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Priaulx ist Weltmeister

Ein irres Drehbuch sorgte für einen Thriller der Sonderklasse in China, letzlich entschied ein einziger Punkt zugunsten des Titelverteidigers.

Johannes.Gauglica@motorline.cc

Lisboa Bend: Schrundiger, vernarbter Asphalt erzählt die Geschichte unzähliger Tragödien. Heuer kommt eine dazu, nämlich die vom Untergang der spanischen Armada. Bereits im Training hatte Seat außer Pech nur Unglück, beinahe das gesamte Werksteam fand sich ohne Quali-Zeit am Ende des Feldes versammelt.

Seat-Fahrer Gabriele Tarquini zum Dilemma des Rennfahrers am Guia Circuit: „Man sollte darauf achten, von den Leitschienen wegzubleiben - aber wenn man das wirklich tut, ist man nicht schnell...“ - Die Werks-Asse überließen dem stets bestens gelaunten Privatier Tom „Eat my dust“ Coronel im Warm-Up die Show.

2005 gewann mit dem BMW der Baureihe E46 ein Auto am Ende seiner Werks-Karriere die WM. Ähnliches hatte N.Technology mit dem Alfa 156 vor, dem Veteranen aus der prä-Fiat-Ära. Mit 80 Kilo musste Augusto Farfus jr. (Bild) praktisch einen ausgewachsenen Beifahrer mitschleppen, und er tat sich damit offenkundig schwer.

Lauf 1: Entscheidung vertagt

Lauf 1, Runde 1, Lisboa: Crash-Time! Jan Magnussen fädelt ein, und die übliche Hölle bricht los – unter anderem finden sich auch vier Werks-Seat im Stau wieder. Nur ein halbes Dutzend Fahrer sind unbeschadet auf dem Weg den San Francisco Hill hinauf, vorneweg die 320si von Priaulx und Duncan Huisman. Der einzige Seat mit einer Siegchance: Yvan Muller auf Platz 3.

Runde 2: Die Spitzengruppe läuft ausgerechnet vor der engen Melco-Haarnadel mit ihrem ewigen Überholverbot auf Stefano d’Aste auf, der einen „Dreiradler“ an die Box zurückschleppt. Fast bis zur Zielgeraden zurück müssen sich die Leader hinter dem langsamen Auto anstellen und legen dann de facto einen Re-Start hin. Farfus im schwergewichtigen Alfa verliert einen Platz an den flinken Honda von Gastfahrer Giovanardi. Keiner der führenden Fahrer hat irgendeine Unterstützung von Teamkollegen.

Priaulx darf wenigstens auf die Hilfe von Markenkollegen Huisman hoffen, der sich mit Platz 2 zufrieden gibt und nicht attackiert. In Runde 7 bricht am beschädigten Chevrolet Lacetti von Nicola Larini ein Rad weg, der Chevy schlägt am San Francisco Hill in die Leitschiene ein. Diese Passage bleibt für den Rest des Rennens Gelb-Zone.

Jörg Müller schiebt mittlerweile Farfus beinahe vor sich her, der Deutsche sucht verbissen einen Weg am Brasilianer vorbei – jeder Punkt kann am berühmten „Ende des Tages“ entscheidend sein. Auch für Andy Priaulx: Dem hält Huisman den Rücken frei, und der Guernseyman fährt einen wertvollen Sieg ein. Damit ist er nach Siegen (fünf) bereits der erfolgreichste Fahrer des Jahres. Auf Platz 5 bzw. 6 seine Rivalen Farfus und Müller. Entschieden ist noch nichts.

Lauf 2: Priaulx, Farfus oder Müller?

Ausgangsposition vor dem letzten Rennen des Jahres: BMW gewinnt die Marken-WM, aber um den Fahrertitel wirds knapp. Priaulx hat 69 Punkte, Farfus 64, Jörg Müller (Bild) 62 – nur diese drei haben noch Chancen auf die Weltmeisterschaft. Priaulx genügt Platz 5, die beiden anderen müssen wohl oder übel voll auf Sieg fahren.

Peter Terting und Tom Coronel in ihren Seat bilden die erste Startreihe, Müller legt den erwarteten Raketenstart hin und überholt die beiden ohne viele Diskussionen. Farfus versucht etwas Ähnliches, aber das geht ordentlich schief: In der Mandarin Bend rutschen beide Seat nach außen und schieben den Alfa in die Barriere. Damit enden die Titelhoffnungen der „Roten“, und kein einziger Alfa wird die Zielflagge sehen, ein bitterer Saisonausklang für N.Technology.

Lisboa, die Dritte: Huisman, Jordi Gené und Maurizio Ceresoli bauen mit ihrem Crash einen Massen-Stau, das Safety Car geht auf die Strecke. Während dieser neutralisierten Phase schmeißt Salvatore Tavano den letzten Alfa am Moorish Hill weg, die Renndistanz wird um zwei Runden verlängert. Müller führt, Priaulx ist auf Platz 6; damit wären die beiden punktegleich, und Priaulx nach Siegen Weltmeister.

Beim Re-Start hat Müller auf einmal sechs Sekunden Vorsprung! Das gesamte Feld wird von Peter Terting aufgehalten, dessen Seat ausgerechnet in diesem Moment den Geist aufgibt. Damit hat Müller das Rennen de facto gewonnen, ein schwacher Trost für ihn – durch Tertings Ausfall rückt Priaulx auf Platz 5 vor. Aber auch er darf sich noch nicht freuen, hinter ihm drängt Honda-Gaststar Giovanardi, vor ihm blockt Thompson im Seat.

Yvan Muller bekommt eine Drive-Through-Strafe, damit wäre für Priaulx endlich alles klar – aber die Strafe wird annulliert, Muller bleibt draußen, die Zitterpartie geht weiter. Gegen Ende hat der Routinier Giovanardi etwas Mitgefühl und stellt die Kampfhandlungen ein, damit steht es fest: Mit einem einzigen Punkt Vorsprung ist Andy Priaulx der alte und neue Tourenwagen-Weltmeister.

Ein atemberaubendes Ende der Saison 2006 also, und nächstes Jahr geht es hoffentlich genau so weiter. Seat wird seine Flotte auf 3 oder 4 Autos reduzieren, dafür kommt eventuell Alfa Romeo mit einem offiziellen Werksteam zurück. Und vielleicht können sich ja auch weitere Hersteller für die WTCC begeistern, eine der ausgeglichensten und damit spannendsten Meisterschaften weltweit.

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