MOTORSPORT

  • Motorline auf Facebook
  • Motorline auf Twitter
{**} {**} {**} {**}
Formel 1: Kommentar

Konnte Brawn gar nicht anders?

Ross Brawn, im „Schumacher-Dreamteam“ und im eigenen Team mit Doppeldiffusor erfolgreich, hat den „Geheimtest“ entschieden. Ein Oldschool-„Rennfuchs“…

Michael Noir Trawniczek

Ross Brawn – schon rein optisch stellt er so etwas wie die „Schlitzohrigkeit in Person“ dar, einen Gebrauchtwagen würde man ihm wahrscheinlich nicht abkaufen. Diesen leicht verschlagenen, hinterlistig wirkenden Gesichtsausdruck des Ross Brawn kennt man in der Formel 1 schon lange…

Doch nicht nur optisch passt Brawn in das Klischee eines „britischen Rennfuchses“ – eines Mannes also, dem alle Mittel Recht sind, wenn sie nur zum Ziel, zum Sieg oder noch besser, zum Titel führen.

Und auf diesem Wege wurden und werden auch unbequeme, unpopuläre und zum Teil auch für den Sport wenig hilfreiche, sogar schädliche Entscheidungen getroffen.

Man erinnere sich an den unsagbar unsympathischen Funkbefehl an Rubens Barrichello beim Grand Prix von Österreich im Jahr 2002, im erst fünften Saisonrennen wurde der Brasilianer, der bis dahin das gesamte Rennwochenende dominieren konnte, zurückgepfiffen: „Let Michael pass for the Championship!“ Es war die Stimme und auch die Entscheidung von Ross Brawn, die hernach mit einem Buh- und Pfeif-Konzert von den Fans „quittiert“ wurde…

Ganz ähnlich die Situation heuer in der „Stallorderaffäre“, als Nico Rosberg befohlen wurde, er müsse hinter Lewis Hamilton die Position halten – erneut war es Ross Brawn, der diese Entscheidung sogar gegen den Willen Hamiltons durchboxte. Hernach verteidigte Brawn seinen Beschluss mit den Worten: „Natürlich war das hart für Nico und ich verstehe seine Enttäuschung, aber wir haben jetzt ein Auto, mit dem wir vorne mitkämpfen können, und es werden sich in dieser Saison noch viele Möglichkeiten ergeben, um gute Resultate zu erzielen."

Dass es rund um diese Stallorder sogar im eigenen Team Zweifel an dieser Strategie gab, unter anderem vom neuen Mercedes Grand Prix-Vorstandsvorsitzenden Niki Lauda, war Ross Brawn egal. Sein Fokus ist seine Aufgabe, den Titel zu holen – und dieses Ziel wird gnadenlos verfolgt.

Ross Brawn war eine der wesentlichen Säulen des sogenannten „Dreamteams“ rund um Michael Schumacher, zunächst bei Benetton, dann bei Ferrari. In Maranello hat Brawn in der Praxis erfahren, wie wichtig Testfahrten sind, wie wichtig es ist, sich einen technologischen oder anderweitigen Vorsprung respektive Vorteil zu holen.

Rund um Brawn gab es stets Gerüchte – schon zu den Benetton-Zeiten hieß es immer wieder, das Team rund um Brawn würde „tricksen“, also die Grenzen des Reglements ausloten und vielleicht sogar in der einen oder anderen Grauzone darüber hinaus gehen…

Man erinnere sich an die leidigen Spekulationen rund um eine angebliche illegale Traktionskontrolle im Benetton. Bei Ferrari war es nicht anders: 2006 hieß es immer wieder, die Flügel des Ferrari seien illegal, weil sie sich im Fahrtwind zu sehr verbiegen würden. Der Technische Direktor hieß Ross Brawn, er warnte die Konkurrenz: „Wir haben Videomaterial von allen Konkurrenzautos, welches zeigt, dass sich deren Flügel ebenfalls verbiegen." Zu den Journalisten sagte er damals: "Wenn ihr euch unsere Videos ansehen würdet, dann würdet ihr zur Erkenntnis gelangen, dass alle Autos illegal sind.“

2009, als Brawn nach seinem Ferrari-Abschied Ende 2006 zwei Jahre später zu Honda geholt wurde und er das Team nach dem Ausstieg der Japaner aufkaufte, profitierte Brawn Grand Prix dermaßen vom Doppeldiffusor, der eine Grauzone des Regelwerks nützte, dass Jenson Button nach einer dominanten ersten Saisonhälfte Weltmeister werden konnte.

Dieser WM-Titel war es auch, der Mercedes dazu brachte, das Team zu kaufen. Nur: Bislang wiederholte sich 2009 nicht. Sobald der Vorteil des Doppeldiffusors aufgebraucht war, fuhren die nunmehr „reinrassigen Silberpfeile“ in etwa auf jenem Niveau, auf dem zuvor auch die wenig erfolgreichen Honda unterwegs waren. Da half auch die Rückkehr von Michael Schumacher nicht wirklich. Unter Ross Brawn wurde bei Mercedes auch ein passives DRS-System entwickelt, es hätte wieder einen Vorteil bringen sollen, setzte sich aber nicht durch.

Doch zuletzt legten die Silbernen zu. Nur: Der Mercedes war auch am Saisonbeginn 2013 ein „Reifenfresser“, obwohl längst bekannt war, dass es 2013 noch mehr auf den Umgang mit dem „schwarzen Gold“ ankommen wird….

Einer wie Ross Brawn, der mit Schumacher die glorreichen Benetton- und Ferrari-Zeiten erlebt hat, der ganz genau weiß, dass man um jeden noch so kleinen Vorteil kämpfen muss, konnte wahrscheinlich gar nicht anders, als der Einladung zum Pirelli-Test zuzustimmen.

Schließlich war der Umgang mit den Reifen der wunde Punkt seines aktuellen Autos. In gewisser Weise ist seine Denkweise nachvollziehbar: Man muss immer alles probieren. Vielleicht dachte er: „Ohne Erkenntnisse im Reifenbereich werden wir in jedem Rennen von der Pole aus durchgereicht, wir brauchen den Test, er wird uns helfen!“?

Ross Brawn ist ein Pokerface und er sieht seine Aufgabe ganz bewusst nicht darin, dem Sport mit angewandter Fairness zu helfen. Sein Fokus ist einzig und allein der Gewinn des WM-Titels. Sonderlich sympathisch wirkt das nicht, doch erfolgreich war der „Rennfuchs“ mit seiner kompromisslosen Herangehensweise schon des Öfteren…

Ähnliche Themen:

News aus anderen Motorline-Channels:

Formel 1: Kommentar

Weitere Artikel:

Das Saison-Highlight der Langstrecken-Rennen zweimal rund um die Uhr auf der Nürburgring Nordschleife bestätigte die ersten Saison-Ergebnisse: Die Porsche 911 GT3 sind aktuelle das Maß der Dinge, insbesondere die beiden türkisfarbenen Renner im Falken Design sowie der „Grello“ von Manthey.

Stardesigner frisst bei Red Bull zu viel Budget

Gazzetta: Newey-Wechsel zu Ferrari unmittelbar vor Bekanntgabe

Immer mehr Details werden bekannt zum Abschied von Adrian Newey bei Red Bull - und über den offenbar bevorstehenden Wechsel zu Ferrari! Christian Horner scheint aus Budgetgründen cool zu bleiben.

GP von Japan: Fr. Training

Regen in Suzuka: Oscar Piastri Schnellster

Oscar Piastri sicherte sich die Bestzeit im zweiten Freien Training zum Grand Prix von Japan und verdrängte damit Yuki Tsunoda noch von der Spitze