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WEC: Silverstone

Vorschau auf die Langstrecken-WM 2016

Mit 33 Fahrzeugen startet die Langstrecken-WM in Silverstone in ihre Saison 2016: Setzen Audi und Toyota die Porsche unter Druck?

Die Langstreckenweltmeisterschaft startet am kommenden Wochenende mit dem Sechs-Stunden-Rennen von Silverstone in ihre Saison 2016. Die Augen sind dabei nicht nur auf die LMP1-Hersteller Audi, Porsche und Toyota gerichtet, die im Kampf um Gesamtsiege erneut unter sich sein werden; auch in den drei anderen Klassen darf Spektakel erwartet werden. In der LMP2-Kategorie ist die Leistungsdichte hoch wie nie, in der GTE-Pro-Klasse stößt Ford zum Wettbewerb.

Die wichtigste Frage vor dem Start ins neue Rennjahr lautet jedoch: Können Audi und Toyota mit ihren neu entwickelten Fahrzeugen das Niveau von Porsche erreichen? Die Konkurrenz des Weltmeisterteam hat hohen Aufwand betrieben, um in der Saison 2016 wieder ganz vorne mitmischen zu können. Audi bringt einen überarbeiteten R18 an den Start, Toyota geht mit dem gänzlich neuen TS050 auf die Jagd.

"Ich gehe davon aus, dass es enger werden wird", meint Titelverteidiger Mark Webber, der sich die Startnummer 1 wieder mit Timo Bernhard und Brendon Hartley teilen wird. Die Besatzung des Schwesterautos (Romain Dumas, Neel Jani und Marc Lieb) hofft, das Pech des Vorjahres endlich hinter sich lassen zu können. Bei den offiziellen Testfahrten der Serie in Le Castellet war Porsche erneut in Front, aber keines der Werksteams hat schon alle Karten auf den Tisch gelegt.

LMP1-Werksautos machen weiteren Schritt

Die einzig wirkliche Erkenntnis dieses Vorsaisontests: Die LMP1-Hybridautos werden trotz einer Energiereduzierung um zehn Megajoule kaum langsamer sein als im Vorjahr. "Da stellt sich jetzt die Frage, ob es auf jeder Strecke so sein wird. Man hat das ja schon im vergangenen Jahr gesehen: Auf einer Strecke waren wir sehr viel schneller unterwegs als 2014, auf anderen hingegen weniger", schildert Brendon Hartley seine ersten Eindrücke der diesjährigen Fahrzeugspezifikation.

"Alle Hersteller haben bei der Entwicklung der Autos richtig Gas gegeben, vor allem bei den Hybridsystemen", erklärt Toyota-Pilot Anthony Davidson. Die Japaner hinterließen mit ihrem TS050 beim Paul-Ricard-Test einen starken Eindruck – vor allem mit dem Le-Mans-Aerodynamikpaket, das allerdings in Silverstone nicht zum Einsatz kommen wird. "Es geht ins dritte Jahr mit einem stabilen Regelwerk. Es wird spannend, ob die drei Hersteller die Spitze der Entwicklungspyramide gleichzeitig erreichen", so Davidson.

"Wenn das Reglement stabil ist, bleibt immer weniger Raum für Entwicklungen. Dadurch rückt die Konkurrenz näher zusammen – das ist zumindest meine Theorie, und darauf hoffe ich sehr", meint der Brite vor seinem Heimspiel in Silverstone. "Das wäre nicht nur für uns, sondern für die gesamte Meisteschaft sehr gut. Die zweite Saisonhälfte 2015 war etwas zu vorhersehbar. Das ist für den Rennsport nie besonders toll, aber jetzt wird es bestimmt viel besser."

Auch Audi möchte wieder an der Spitze mitmischen. Zwar ist man dem konzernintern zweifellos umstrittenen Dieselmotor treu geblieben, hat jedoch dank neuer Hybridsysteme den Sprung in die 6-MJ-Klasse realisiert. "Man spürt den zusätzlichen Schub schon sehr deutlich", sagt Marcel Fässler. Der Audi R18 lebt nicht allein von der höheren Systemleistung, sondern vor allem von seiner aggressiven und konsequenten Aerodynamik. "So radikal war im LMP-Bereich noch keiner", meint André Lotterer sogar.

LMP1-Privatiers mit neuem Reifenausrüster

Weil die LMP1-Hersteller erneut gewaltige Fortschritte gemacht haben, werden die beiden Privatteams ByKolles und Rebellion wohl auch in der Saison 2016 kaum die erhofften "Abstaubererfolge" landen können. Immerhin sind der P1/01 und der R-One, die beide vom AER-V6-Turbo angetrieben werden, ein wenig näher an die Topteams herangerückt. Damit haben die beiden privaten LMP1-Teams auch endlich einen soliden Abstand zu den LMP2-Fahrzeugen.

Bei Rebellion wird Nelson Piquet junior den bisherigen Stammpiloten Mathias Beche ersetzen, im Lager von ByKolles begrüßt man Oliver Webb als Neuzugang. In Silverstone wird sich der Brite das Auto mit Simon Trummer und James Rossiter teilen. Rossiter wurde als Ersatzmann für Pierre Kaffer verpflichtet, der in der Frühphase der Saison mehrere Terminüberschneidungen mit seinen Audi-Einsätzen im GT3-Sport hat. ByKolles und Rebellion fahren neuerdings auch auf neuem Reifenmaterial, das bislang einen starken Eindruck hinterließ – zumindest bei trockenen Verhältnissen.

Viele Siegkandidaten im LMP2-Feld

In der LMP2-Klasse werden insgesamt elf Fahrzeuge um Punkte und Siege kämpfen. Die Leistungsdichte ist enorm, ein Favorit kaum auszumachen. Vor allem fahrerisch ist die Kategorie extrem stark besetzt. Manor setzt auf seine Ex-Formel-1-Piloten Roberto Merhi und Will Stevens, SMP schickt Vitaly Petrov in die Schlacht und Audi-Werkspilot René Rast verstärkt die G-Drive-Mannschaft um Roman Rusinov, deren Einsätze mit dem Oreca-Nissan von Jota durchgeführt werden.

Bei den Testfahrten in Le Castellet präsentierte sich ein neues Team besonders eindrucksvoll: Die RGR-Mannschaft von Ricardo Gonzalez wird voraussichtlich schon ab Silverstone ganz vorn mitfahren können. Der Mexikaner, der in seiner Heimat auch als Promoter des neuen WM-Laufs auftritt, hat mit Filipe Albuquerque und Bruno Senna prominente Kollegen an Bord eines Ligier-Nissan. Alpine greift in diesem Jahr mit zwei A460 (baugleich mit dem Oreca 05) an.

GTE-Klassen: Was kann Ford erreichen?

In der GTE-Pro-Klasse sucht man in diesem Jahr vergebens ein Werksfahrzeug von Porsche. Die Deuschen bereiten lieber ihre neue 911er-Generation fürs kommende Jahr vor und geben Richard Lietz in einem RSR unter dem Banner von Dempsey-Proton die Chance zur Titelverteidigung. Der Österreicher, der am Samstag gemeinsam mit Christian Ried und Gianluca Roda auch den ersten Lauf zur European Le Mans Series 2016 bestreiten wird, teilt sich den Wagen in der WM erneut mit dem Dänen Michael Christensen.

Lietz: "Unsere große Herausforderung in den ersten Rennen wird sein, uns schnell an das neue Team zu gewöhnen und zusammen die Voraussetzungen für eine gute Performance auf der Rennstrecke zu schaffen. Wo wir stehen, wissen wir erst nach Silverstone. Dort treten wir mit unserer bewährten Technik gegen die starke Konkurrenz der anderen großen Werke an, die mit neuen Autos kommen und zumindest von der Papierform her stärker sind als wir. Dass ich am Tag davor auch das Rennen der ELMS fahre, bedeutet sicherlich ein stressiges Wochenende, doch das macht mir nichts aus."

Die Konkurrenz für das Porsche-Duo ist in der Tat stark und umfangreich: zwei neue Ferrari 488 GTE, zwei Ford GT sowie zwei überarbeitete Aston Martin Vantage. "Es ist kaum vorhersagbar, wo wir im Vergleich zu Ferrari und Ford stehen", meint Aston-Martin-Werkspilot Darren Turner, der sich seinen Vantage mit Marco Sörensen und Nicki Thiim teilen wird. Seine langjährige Partnerschaft mit Stefan Mücke fand ein Ende, weil der Berliner ins Lager der "Rookies" von Ford wechselte. "In den USA fahren wir schon seit Jänner, aber jetzt geht es endlich auf die weltweite Bühne", freut sich Ford-Sportchef Dave Pericak.

"Wir haben in Silverstone noch nie getestet, müssen dort also noch viel am Setup arbeiten", erklärt Oliver Pla, der sich den Ford #66 mit Mücke und US-Pilot Billy Johnson teilen wird. "Wir haben alle den gleichen Fahrstil und fordern ähnliche Dinge vom Auto. Somit wird es uns nicht allzu schwer fallen, uns in die richtige Richtung zu bewegen. Wenn sich in Silverstone eine Chance bietet, dann wollen wir sie nutzen", sagt der Franzose, der Silverstone zu seinen Lieblingsstrecken zählt.

In der GTE-Am-Kategorie fahren zwar nur sechs Autos, aber diese kommen immerhin von vier verschiedenen Marken. Larbre setzt weiterhin auf die Corvette C7, AF Corse bringt einen bewährten Ferrari 458 Italia in den Wettbewerb und Aston Martin setzt für Paul Dalla Lana, Pedro Lamy und Mathias Lauda weiterhin einen Vantage ein. Als Konkurrenz warten drei Porsche 911 RSR von Gulf, KCMG, das nach einem starken Jahr in der LMP2-Klasse heuer kürzer tritt, und dem deutschen Team Proton Racing.

Dort teilt sich der Steirer Klaus Bachler das Cockpit wieder mit Khaled Al-Qubaisi (UAE) und erstmals mit dem Däne David Heinemeier-Hansson. Bachler, der heuer auch auf Gaststarts im Porsche Supercup hofft, fiebert dem WM-Auftakt entgegen: "Silverstone zählt absolut zu meinen Lieblingsstrecken. Der Kurs ist sehr anspruchsvoll und verzeiht keine Fehler. Ich glaube, dass wir sehr gut aufgestellt sind, und um einen Platz auf dem Podium in der Klasse ein Wörtchen mitreden werden, wenngleich die Konkurrenz heuer qualitativ sehr stark ist."

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