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Das Faszinierende am Rallye-Sport - und wie er sich verändert hat

Teil 2 unserer Tischrunde mit dem langjährigen OÖN-Reporter Fritz Wiesmayr und Special Fan Heribert Reschinsky - Faszination Rallye...

Michael Noir Trawniczek

Im Rahmen einer Tischrunde haben wir versucht, die Faszination des Rallye-Sports auf den Punkt zu bringen und auch zu ergründen, in wie fern sich die Rallye-Welt verändert hat. Dabei waren Fritz Wiesmayr, der langjährige Rallye-Reporter der Oberösterreichischen Nachrichten, sowie Heribert Reschinsky, ein Zuckerbäcker, der seit vielen Jahren die Rallye-WM verfolgt, immer wieder auch WM-Läufe besucht. Den ersten Teil des Gesprächs finden Sie in der Navigation rechts.

Michael Noir Trawniczek (MNT): Es geht ja nicht nur um das Zuschauen, sondern auch um die Anfahrt zu den Prüfungen, die ja auch abenteuerlich sein kann.

Fritz Wiesmayr (FW): Ja, das ist ein richtiges Abenteuer. Du, da kommt der McRae auf drei Rädern um die Ecke, dem fehlt ein Rad - die Zuschauer sehen das und applaudieren. Und der fährt trotzdem weiter wie ein Geistesgestörter. Wahnsinn! Das ist Rallye-Flair. Wie gesagt: Auf der Rundstrecke, wenn da irgendwo ein Ölfleck ist, dann wacheln sie schon mit den gelben Fähnchen herum - und in der Rallye bist du eben allein auf der Prüfung und wenn du ein Problem hast, musste du dir überlegen: „Okay, wie schaffe ich das jetzt? Wie komme ich weiter?“

Das ist zwar jetzt nicht WM - aber der Raimund Baumschlager ist einmal mit einem Nissan gefahren, der fast unfahrbar war. Der geriet in eine Situation, der Wagen geriet ins Schleudern, er musste sich entscheiden: „Was mache ich jetzt? Fahr ich links und nehme das Geländer mit oder kommt mir dann dieser Zaun sonst vorne rein?“

Was hat er gemacht? Er hat das Auto einfach quer gestellt, ist quer dahin gerutscht. Er hat nachher gesagt: „Ich weiß es nicht, wie das gegangen ist - aber ich bin glücklich davongekommen.“ Die wären sonst richtig in diesen Zaun hinein gekracht - das wäre gefährlich gewesen, mit diesen scharfen Spießen. Wenn die ins Auto kommen, kann das unheimlich gefährlich sein.

Da sieht man, dass selbst die großen Meister Situationen zu bewältigen haben, wo sie am Ende gar nicht wissen, warum sie das geschafft haben. Beim Manfred [Stohl, d. Red.] gab es auch schon solche brenzligen Situationen. Das erleben viele Piloten - dass sie einfach instinktiv reagieren und sich im Nachhinein auch nicht wirklich erklären können, wie sie das noch geschafft haben. Und oft bringen sie schwer beschädigte Autos noch ins Ziel, da gehört auch ein Können dazu.

MNT: Die FIA will künftig verbieten, dass man, wie Sébastien Loeb, auf drei Rädern herumfährt.

FW: Dabei ist das für diese Fahrer überhaupt kein Problem, auf drei Rädern zu fahren.

Heribert Reschinsky (HR): Aber ich sag dir: In England stellt der Loeb ab. In Argentinien fährt er auch heim. Griechenland ist da anders.

FW: Du, ich erinnere mich an die Wales-Rallye, früher RAC. Marcus Grönholm kommt aus einer Sonderprüfung mit drei Rädern, fährt die Verbindungsetappe zum Service. Hält ihn die Polizei auf, sagt der Polizist: „Das geht nicht. Sie können so nicht weiterfahren.“ Sagt der Grönholm: „Glauben Sie mir: ich kann das!“ Doch der Polizist blieb hart - Grönholm musste aussteigen.

HR: Ja, da ist ihm die Polizei nachgefahren, und sie haben gesagt: „Nein, auf drei Rädern, das gibt es bei uns nicht.“

FW: Rallye ist eine eigene Art von Motorsport. Das Ureigenste dieses Sports ist ja, dass man dich früher einfach irgendwo hin geschickt hat. Dass du dort ankommen musstest.

MNT: Dass du einfach ein Ziel erreichen musstest.

FW: Ja, genau. Das war eine Abenteuerreise. Es gibt sie eh noch, die großen Abenteuer. Safari war ein großes Abenteuer, und man möchte diese Rallye ja wieder in den Kalender hineinbringen. Derzeit gibt es viel mehr Bewerber als man Rallyes fahren kann. Was ich sagen möchte: Diese langen großen Abenteuer-Rallyes wie die Safari es war - das kann man mit den Sprint-Rallyes, die heute gefahren werden überhaupt nicht mehr vergleichen. Das verlangt auch eine total andere Fahrweise.

Ich erinnere mich, wie der Walter Röhrl einmal, als irgendein Finne so fest Gas gegeben und überlegen geführt hat, gesagt hat: „Lasst ihn nur fahren.“ Denn dort gibt es Löcher, die sind größer als dein Auto. Und da sind viele rein geflogen. Doch dann war der Röhrl total sauer, weil das Auto des Finnen das ausgehalten hat. Da war er wirklich angefressen, weil er eben taktisch fahren wollte. Das kann man bei den Sprint-Rallyes, die wir jetzt haben, sicher nicht anwenden.

Damals war es auch nicht so, dass es ein Zentrum gibt und man in der Umgebung rund um dieses Zentrum fährt. San Remo war eine wunderbare Rallye. Da ist man am ersten Tag in San Remo vier bis sechs Prüfungen gefahren, dann wurde zusammengepackt und es gab eine 600 Kilometer lange Verbindungsetappe. Da bist du gefahren und dann hast du auf irgendeiner Tankstelle gesehen, wie einer umgebaut hat, das Fahrwerk von Asphalt auf Schotter umgestellt hat.

MNT: Hat sich der Rallye-Sport verschlechtert?

HR: Nein, nein. Es ist nur anders heute. Man begründet diese Änderungen mit der Kostenfrage. Wo heute die Autos im Parc Fermé drin stehen - früher haben die immer ein Serviceauto gehabt, diese Serviceautos sind immer hinterher gefahren, da war ein Verkehr, das war ja unfassbar. Das gibt es ja alles nicht mehr.

MNT: Das kann man sich heute nicht mehr leisten? Man hat doch heute mehr Geld als damals.

FW: Das liegt daran, dass die Entwicklung zu teuer geworden ist. Du musst dir vorstellen: Da sagen sie: „Wir wollen eine 1600er-Meisterschaft machen, damit es kostengünstiger wird.“ Und dann kostet dieses Auto 350.000 Euro! Und wenn du dann noch diesen oder jenen Teil weiter entwickelst, dann wuchert das derartig aus. Deshalb ist der Rallye-Sport so teuer. Es ist ja sinnlos, wenn ein World Rally Car, so wie das auch früher schon war, im nackten Zustand sieben Millionen Schilling (eine halbe Million Euro) kostet. Das Ganze ist verrückt.

MNT: Kann man also sagen, dass der Rallye-Sport sich insofern geändert hat, als dass eben nicht mehr dieser Reisegedanke dahinter steht, dass eine Rallye von Punkt A nach Punkt B führt? Und dass es eben jetzt konzentriert ums Fahren auf den Prüfungen geht?

HR: Schau, die heutigen Fahrer kennen es ja gar nicht anders. Die sind ja mit dieser Art von Rallye groß geworden. Da musst du einmal den Björn Waldegaard, einen Walter Röhrl oder einen Rudi Stohl fragen. Die Rallye Monte Carlo, das war eine Sternfahrt mit 1.000 Kilometer Anreise - da hat es ja dort schon die ersten Dramen gegeben. 1.000 Kilometer!

MNT: Ihr werdet aber weiterhin dem Rallye-Sport treu bleiben?

FW: Wenn du früher die Topstars gesehen hast, wie einen Walter Röhrl, wenn du denen zugeschaut hast und wenn du jetzt eben einem Herrn Grönholm oder einem Herrn Loeb zuschaust - im Grunde genommen fahren die alle derart im Grenzbereich, dass es unglaublich ist.

Das ist so etwas Gewaltiges, wie die ihr Auto beherrschen. Wir, die Normalsterblichen, wir bewegen ein Auto. Aber die, die können wirklich Auto fahren. Der kann es. Der weiß in jeder Zehntelsekunde genau, was er zu tun hat. Und das ist der Unterschied. So viele Leute glauben, dass sie gut Auto fahren können. Na dann setz ihn doch einfach in ein WRC...

HR: Es geht aber nicht nur um das Fahren, es geht auch um das gesamte Umfeld. Das gefällt mir besonders gut. Ich habe heute zugeschaut, wie sie bei Stohl Racing in zwanzig Minuten den Turbolader gewechselt haben, ich bin daneben gesessen und habe zugeschaut. Und es ist einfach schön mit an zu sehen, wie hier gearbeitet wird, das ist wie ein Ballett. Jeder weiß ganz genau, was er wann zu tun hat. Und wenn dann die Arbeit genau zwei Sekunden vor dem Ende der Sollzeit fertig ist, und wenn dann Zufriedenheit einkehrt, die Mechaniker stolz sind - das ist einfach geil.

FW: Wenn bei einer Rallye einer mit einem kaputten Getriebe reinkommt und die vier oder sechs Mechaniker wechseln das Getriebe binnen 24 Minuten. Da kann man nur jeder Werkstatt wünschen, dass sie das auch schaffen. Was bei mir noch dazukommt, warum ich den Rally-Sport liebe: Du bist in der Landschaft draußen, du siehst so viel von der Landschaft, du siehst wie die Menschen in dem jeweiligen Land leben.

Und wenn du dann auch noch selber in einem WRC sitzen darfst, als Beifahrer, und du siehst, wie die Bäume auf dich zufliegen - dann sagst du nur mehr: „Das gibt es ja alles gar nicht! Da fliegst du einfach dahin!“ Ich bin mit dem Kankkunen gefahren, auf dem Nürburgring. Der fährt auf einen Reifenstapel zu, ich habe die Augen zu gemacht.

Ich konnte nicht glauben, dass der da nicht reinkracht - und das mit einem Tempo jenseits von Gut und Böse. Und dann machst du die Augen wieder auf - und du bist schon längst vorbei an dem Reifenstapel. Und der Typ sitzt neben dir und macht einfach nur ein paar Handbewegungen. Abschließend kann man sagen: Irgendwie sind Rallyefahrer Verrückte - aber sie sind einfach unheimlich gute Autofahrer.

Teil 1 der Tischrunde finden Sie in der Navigation rechts.

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