RALLYE

  • Motorline auf Facebook
  • Motorline auf Twitter
Erinnerungen eines Sportreporters
Fotos: Dominik Butschell, Harald Illmer, Stohl privat

Hat die Vergangenheit eine Zukunft?

Im dritten Teil seiner Trilogie "Gestern-Heute-Morgen" blickt der ehemalige ORF-Reporter und motorline.cc-Kolumnist Peter Klein in die Zukunft und stellt die Frage in den Raum, wem diese wohl gehört?

Peter Klein für den Motorline Paddock Corner

Naturgemäß hat man ja im Herbst seines Lebens viel mehr über die Vergangenheit zu erzählen. Und im Allgemeinen sind es fast immer nur die positiven Erlebnisse, die uns bis ans Ende unserer Wege begleiten. Weil man Negatives gerne verdrängt und sich nur zu gerne an das Schöne erinnert. Aber mit einem realistischen Blick in die Zukunft muss man die Vergangenheit außer Acht lassen und Österreichs aktuelle Protagonisten neutral betrachten.

Simon Wagner

Ich habe großen Respekt vor Simons Einsatz. Er klappert wohl immer wieder mögliche Sponsoren ab, opfert sehr viel Freizeit und hat auch eine kongeniale Partnerin. Seine Erfolge in Österreich sind logisch – auch international ist er in der Europameisterschaft ein Garant für gute Platzierungen.  Doch ich glaube, dass sein Hang zur Komfortzone der falsche Weg ist. Was nützt der österreichische Meistertitel Nummer Fünf nach sechs Rennen? Mit dem Budget dafür und eventuell jenem für die Rally Roma di Capitale könnte man locker zwei Weltmeisterschaftsläufe bestreiten und sich tatsächlich mit den Besten der Welt messen! Darauf hinzuweisen, dass die Piloten der ERC zumindest ebenso stark wären wie jene in der Weltmeisterschaft ist meiner Meinung eine bewusste Selbsttäuschung. Bestes Beispiel sind aktuell die beiden Tschechen Mares (Zweiter bei der Bohemia - Rallye hinter Wagner) und Cerny ( Dritter bei der Jännerrallye hinter Wagner) - sonst also harte Gegner des Österreichers. Diese beiden sind beim WM-Lauf Central-European-Rallye klar hinter Solberg, Cachon oder Rossel. Aber immerhin auf den Plätzen vier und fünf der Klasse RC 2 bei einem WM-Lauf, profitieren in der Folge von einigen Ausfällen und landen schließlich in der Gesamtwertung unter den besten Zehn und in der RC 2 auf den Rängen zwei und drei! Ein ähnliches Ergebnis wäre auch Wagner durchaus zuzutrauen und er hätte sicher mehr Aufmerksamkeit in den Medien, als zum Beispiel ein Sieg in Judenburg. Natürlich kenne ich nicht die Vorgaben seiner Sponsoren, aber wenn auf Starts in Österreich und Tschechien bestanden wird, dient dies sicher nicht der Popularität in den heimischen Tageszeitungen oder Fernsehen. Doch darauf kommt es letzthin an, um wirklich potente Sponsoren zu lukrieren.
 
Hermann Neubauer
 
Hochachtung vor diesem Mann, der den Rallyesport bekanntlich eher als Hobby betreibt, denn seine Familie und die Firma haben absolute Priorität. Während der Lungauer Familienvater heuer fünf Mal an den Start gegangen ist, kommt Wagner auf 15 Rallyes im Jahr 2025. Dennoch ist Neubauer immer ein Mitfavorit und es ist schade, dass er das Rallyefahren nur nebenbei betreibt. So ist also vom Salzburger international, also bei einem WM-Lauf, nichts mehr zu erwarten. Gleiches gilt auch für
 
Raimund Baumschlager
 
doch dies aus anderen Gründen. Die großartigen Erfolge des Oberösterreichers sind wohl noch allen in bester Erinnerung und Raimund hat neben seinen 14 Meistertiteln auch bei EM und vor allem in der Weltmeisterschaft tolle Resultate erzielt und damit auch über Jahrzehnte viel für die Popularität des Rallyesports in Österreich getan. Dass es für den „ Opa aus Rosenau am Hengstpass“ noch immer für einen Podestplatz reicht nötigt bei seinem Alter Respekt ab. Aber ab dem 25. November gilt für ihn: Mit 66 Jahren, da fängt das Leben an….

Kris Rosenberger
 
einst Fixstern der heimischen Rallyeszene, der auch in der Weltmeisterschaft immer wieder erfolgreich zu sehen war ist rund zehn Jahre jünger. Aber mit 56 zählt man nicht mehr zum hoffnungsvollen Nachwuchs, auch hat der Businessmann nun ganz andere Interessen. Mal in Afrika, an der Costa Brava oder Mallorca fährt er nur noch zu seinem Privatvergnügen. Ähnliches gilt auch für
 
Manfred Stohl
 
Österreichs erfolgreichsten Rallyefahrer aller Zeiten. Nur acht Rallyes insgesamt fuhr der 53-jährige Wiener in den vergangenen sechs Jahren wettbewerbsmäßig zu seinem ganz privaten Vergnügen - und verblüfft dennoch immer wieder mit herausragenden Ergebnissen. Würde er regelmäßig und auch mit Tests fahren, er wäre wohl heute noch Österreichs Nummer 1. Doch wer seinen Namen mit Motorsport googelt wird mit Erstaunen feststellen, welches Imperium Manfred in den letzten 15 Jahren geschaffen hat – und wie wenig Zeit ihm daher verbleibt. Nicht zu vergessen der bald 55jährige
 
Achim Mörtl
 
der für seinen geliebten Sport in jeder Beziehung mehr riskiert hat, als jeder andere zuvor. Er war der erste Mann mit einem WRC in Österreich, holte Meistertitel in Rekordmanier und war doch in der Weltmeisterschaft oft vom Pech verfolgt. Aber er, oder auch andere wie z.B. Raphael Sperrer oder Willi Stengg können heute für die Popularität des Rallyesports nichts mehr bewegen. Dafür hat sich der Kärntner in der Autoindustrie als Testfahrer und kritischer Beobachter einen Namen gemacht, seine Testberichte sind meist sehr realistisch und kritisch genug, um auch glaubhaft ernst genommen zu werden.
 
Wer also sind die Protagonisten, die den heimischen Rallyesport in Zukunft populärer und medienwirksamer gestalten können? Wo sind die „wilden Jungen“, die der Welt „einen Haxn ausreißen“ könnten? Zellhofer oder die Brüder Dirnberger? Luca Waldherr ist auch schon jenseits der 30, Maximilian Lichtenegger vielleicht oder Luca Pröglhöf? Ehrlich gesagt, ich sehe bei keinem der Genannten den unbedingten Willen und Einsatz, sich international zu behaupten. Aber auch nicht die finanziellen Möglichkeiten, das notwendige Sponsoring zu bekommen, um in der höchsten Spielklasse Fuß zu fassen. Gibt es keine Manager, Förderer oder Mäzene, die dem Nachwuchs vertrauen und eine Chance geben?
 
Da fällt mir ein bekannter Spruch von Henry Ford ein, der einst sagte: „Zusammenkommen ist ein Beginn, Zusammenbleiben ist Fortschritt und Zusammenarbeiten ist Erfolg!“
 
Ich erinnere mich an die frisch ernannte Pressedame eines Generalimporteurs, die mich im Frühjahr 1997 etwas verzweifelt angerufen  hat und um ein gemeinsames Mittagessen bat. Nun war ich bei sogenannten „Einladungen“ immer vorsichtig, zu schnell geriet man schon damals in den Geruch der Bestechlichkeit. Die Dame hatte offiziell in der ORF-Sportredaktion um Berichterstattung von einem WM-Lauf, bei dem ein Österreicher mit dem Produkt ihrer Firma starten sollte gebeten – und war beim falschen Redakteur gelandet. „Ned amoi ignorieren“ war die Devise, die es manchmal auch damals schon auf dem Wiener Küniglberg gab. Noch nicht lange in der Position als Pressesprecherin sollte natürlich ein Erfolg her, also was tun? Natürlich hätte ich mich erfolgreich für den Generalimporteur in der Redaktion einsetzen können, aber Neid und Missgunst sind böse Geschwister. Ein guter Plan war von Nöten und da fielen mir die vielen Produktwerbungen für das Auto ein. „Sie haben doch sicher eine Agentur oder eigenen Werbefachmann die das Budget für die ORF–Werbung vergeben? Man sollte das Thema mit der Werbeabteilung des ORF besprechen mit dem Hinweis, dass man vielleicht Platzierungen, also sehr kostspielige Werbeeinschaltungen, neu überdenken müsste !“

Die Dame war mit diesem Tipp mehr als nur glücklich, ich übernahm die Rechnung für das gemeinsame Essen und war neugierig auf die ORF-Reaktion.

Zwei Tage später wurden die Flüge gebucht, Hotelzimmer bestellt und Autos zu Verfügung gestellt. Der Rallyepilot ließ mich mit einem neunten Gesamtrang vor Carlos Sainz frohlocken, der Beitrag lief wie gewohnt im „ Sport am Montag“, die Pressedame hatte ein tolles Ergebnis in ihrer Firma und ich einen neuen Partner aus der Industrie!

Da denke ich wieder an Manfred und sein Konsortium „Stohl Group“  in Groß Enzersdorf. Dort, wo nicht nur Rallyeautos, sondern schon einige Male Elektroautos für Ford gebaut wurden, für das berühmte Pikes Peak Bergrennen in den Rocky Mountains und vieles andere mehr. Und auch, wo es „Stohl Appartements“ zu mieten gibt und außerdem Opel Deutschland auf den guten Ruf von Stohl vertraut – nämlich mit dem Einsatz im internationalen ADAC Opel e Cup. Prompt wurde mit dem Dänen Calle Carlberg die Gesamtwertung 2025 souverän gewonnen. Aber Manfred Stohl hat auch ein hochtalentiertes Pflänzchen unter seine Fittiche genommen, dem eine recht erfolgreiche Zukunft zuzutrauen wäre. Aber nur, wenn es keine Einflussnahmen von familiärer Seite, oder sogenannten „ guten Freunden“ gibt.
 
Marcel Neulinger
 
heißt der 20-jährige junge Mann aus der Marktgemeinde Schenkenfelden. Stohl hat dem Oberösterreicher die Chance gegeben, sich im Opel e Cup praktisch als Semi-Werksfahrer auch international ins Rampenlicht zu setzen. Ich kenne Marcel nicht persönlich, doch erinnert er mich an den „jungen Stohlito“ und ich verfolge seine bisherige Karriere sehr aufmerksam. So fährt er bei der Central Europa Rallye im ADAC Opel e Cup von 10 Sonderprüfungen vier Mal Bestzeit und gewinnt gegen die Konkurrenten aus gesamt fünf Ländern.

Vielleicht ist dieser junge Mann ein Hoffnungsstrahl, wenn er auf seinen Förderer hört und auch weiterhin Chancen bekommt, sich international zu bewähren.

Ich hoffe das sehr, denn sonst hat nach einer großartigen Vergangenheit die Gegenwart keine Zukunft.

Ähnliche Themen:

News aus anderen Motorline-Channels:

Erinnerungen eines Sportreporters

Weitere Artikel:

Herbstrallye: Bericht AARC

Alpe Adria Cup feierte das Grande Finale

Internationales Teilnehmerfeld und prominente Gäste bei der Herbstrallye 2025. Der Alpe Adria Rally Cup feierte einen gebührenden Saisonabschluss.

WRC, Zentraleuropa: Weitere Fotos

Die besten Bilder von der CER

motorline.cc-Fotograf Daniel Fessl präsentiert weitere Fotos von der Rallye Zentraleuropa - die besten Bilder vom Freitag.

Erinnerungen eines Sportreporters

Gestern - Heute - Morgen: Heute

Im „Heute“-Teil der Trilogie von motorline.cc-Kolumnist Peter Klein befasst sich der langjährige ORF-Reporter mit der Gegenwart.

ARC, Herbstrallye: Bericht Wanko

Sieg der Einfachheit

Auch die jüngste Ausgabe der Herbstrallye konnten Mario Wanko und Eva Kollmann zuverlässig und plangemäß beenden. Wobei naturgemäß dem Streben nach Höchstgeschwindigkeit mit dem Lada teils unüberwindliche Grenzen gesetzt waren.

ARC, Herbstrallye: Bericht Baumschlager

Dritter Platz beim Saisonfinale!

Mit Platz 3 bei der 28. Herbst Rallye im Waldviertel und dem Gesamtsieg in der Jahreswertung der Austrian Rallye Trophy endete die Saison für Raimund Baumschlager / Thomas Zeltner in Niederösterreich besonders erfreulich.