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Erinnerungen eines Sportreporters: You must be crazy!
Privat & Daniel Fessl

You must be crazy!

Ein letztes Mal blickt Peter Klein für uns auf die Karriere in der WRC von Manfred Stohl zurück, als er in einem "steinalten" Peugeot 307 schneller fuhr, als es sich Marcus Grönholm auch nur vorstellen konnte.

Peter Klein für den Motorline Paddock Corner

2005 hatte Marcus Grönholm eine Art Hassliebe zu seinem Peugeot 307 entwickelt. Der zweifache finnische Rallyeweltmeister von 2000 und 2002 verzeichnete zwar zwei Siege in Finnland und Japan sowie sechs weitere Podestplätze, aber auch sechs Ausfälle,- davon 5x technisch bedingt. Völlig entnervt hatte Marcus in Australien sein Arbeitsgerät abgestellt, bei Ford unterschrieben und etwas kopfschüttelnd kommentiert: „Really, Manfred will be driving this car next year“ ? Immer wieder schielte Grönholm dann 2006 auf die Ergebnislisten und nicht einmal kam er zum Serviceplatz von Peugeot/Bozian, um Manfred zu erklären: „You must be crazy, how can you drive this car so fast, the Peugeot is now about two years old"?

Noch drei WM-Läufe waren 2006 zu bestreiten. Und alle drei – Australien, Neuseeland und Wales – zählen auch heute noch zu Manfred`s Favoriten. Es waren aber auch meine letzten drei Rennen, von denen ich für den ORF berichten sollte, danach wartete die Pension auf mich. Ein wenig wehmütig war ich am 24. Oktober nach Perth geflogen und mir beim Zwischenstopp in Singapur geschworen, beim nächsten Mal, in der Pension, nur mit viel Zeit dieses Land zu besuchen, mich zu akklimatisieren und Westaustralien zu genießen! Es war stets ein ewiges Hetzen gewesen: Flug, einen Tag vor der Rallye ankommen, und nach dem Bewerb sofort wieder in den Flieger und ab in die Heimat um den Beitrag erstellen. Dabei ist nicht nur die moderne Hauptstadt Perth mit ihren rund 1,3 Millionen Einwohnern liebens- und lebenswert, auch die Fahrt in das nahe gelegene Freemantle und über Mandurah ins südliche Margret River (heißer Tipp für Chardonnay-Liebhaber) sind eine Reise samt längerem Aufenthalt wert. Die Sonderprüfungen nördlich von Perth sind heute noch legendär und wer Urlaub mit prächtigen Tauchgängen verbringen will, ist rund um Exmouth mit dem Ningalooreef bestens beraten. Verzeiht mir dieses Abweichen von Rallye und Sonderprüfungen, aber ich liebe dieses weite Land, wo die Menschen so hilfsbereit einem offen begegnen, die prächtige Natur mit ihren wunderbaren Golfplätzen und die traumhafte Unterwasserwelt.

Im Langley Parc am Swan River wurde Donnerstag Abend traditionsgemäß die Rallye mit zwei kurzen, zwei Kilometer langen Sonderprüfungen eröffnet. Sebastien Loeb hatte nach acht Siegen und vier zweiten Plätzen Urlaub erhalten und schon in der Türkei seinen machtlosen Konkurrenten das Feld überlassen. Der Weltmeistertitel war ihm nur noch theoretisch zu nehmen und so versuchten seine Mitstreiter bei Citroën, die Spanier Pons und Sordo, hier zumindest einen Podestplatz zu holen. In der Marken-WM führte Ford mit nur zwei Punkten Vorsprung auf Citroën und die Engländer hofften nun auf Unterstützung von Subaru mit Petter Solberg und dem Einheimischen Chris Atkinson. Grönholm hatte aber seine eigene Meinung, als er wieder einmal im Zelt von Bozian/Peugeot auftauchte und Manfred listig die Frage stellte: „Can you beat the Citroens?" und Manfred lächelte mild „definitely"! Und es war nicht nur das Wissen um sein Können, es war auch das unbedingte Wollen! Er wollte Citroën unbedingt beweisen, dass er weit mehr konnte, als man ihm mit dem Xsara zugelassen hatte.

Schon auf der ersten Sonderprüfung hatten sich Grönholm und Sordo einen mächtigen Rückstand eingehandelt und am Ende des ersten Tages lag Stohl hinter Hirvonen, Petter Solberg und Pons an vierter Stelle,- neun Sekunden hinter dem Citroën Werksfahrer. Beim abendlichen Service schaute erneut Grönholm vorbei, ein fragender Blick zu Stohl der beruhigend lächelte: „Tomorrow we drive Bannister"! Am zweiten Tag machte Manfred auf den extrem schwierigen Prüfungen aus rund 10 Sekunden Rückstand 20 Sekunden Vorsprung und ließ dem Pons auch am letzten Tag keine Chance. Hirvonen gewann vor „Mister Hollywood“, wie man Petter Solberg ob seiner Strahlekraft liebevoll nannte und dem Duo Stohl/Minor. Marcus Grönholm schaffte noch Rang Fünf, aber damit war der Fahrer-Weltmeistertitel fix an Sebastien Loeb vergeben. Mit dem zweiten Podestplatz nach Mexico flogen unsere beiden Österreicher bereits nach Neuseeland, während ich den Beitrag mit tollen Bildern für das ORF-Magazin DRIVE gestalten durfte.

Als ich 1986 zum ersten Mal, damals noch mit Rudi Stohl in Neuseeland war (siehe "1986 - Triumpfe und Tragöden"<), war ich von meiner Abreise aus Leobersdorf bis in die Motorlodge Auckland 36 Stunden unterwegs gewesen: Wien-Frankfurt-Singapur-Sydney-Auckland und das ohne Schlaf, der Jetlag war unbeschreiblich und verfolgte mich damals fast drei Tage lang. „Wir haben jetzt eine viel bessere Verbindung" wurde mir im Reisebüro erklärt! „Mit Lauda Air von Wien direkt nach Kuala Lumpur, nach einem Tankstopp weiter nach Sydney und erst dort mit einer Stunde Umsteigzeit in die Air New Zealand nach Auckland.“ Hocherfreut bestieg ich am 14. November in die Boeing, Niki war nicht an Bord und die Maschine hob mit einer mehr als eineinhalbstündigen Verspätung ab. Ich war ein wenig skeptisch wegen der kurzen Umstiegszeit in Sidney, doch die Stewardess beruhigte: „auf der langen Strecke kein Problem, das holen wir locker auf". Bis Kuala Lumpur holte Lauda Air 12 Minuten auf, - die charmante Stewardess war nicht mehr zu sehen und bei der Landung in Australien sah ich die Air New Zealand nach Auckland auf die Startbahn rollen … eine zusätzliche Nacht in Sydney war die Folge und plötzlich hatte ich Niki nicht mehr lieb!

Drei Tage später war ich aber nicht nur getröstet, sondern auch mächtig stolz auf Manfred, auf Ilka und zufrieden mit der ganzen Welt. Elf Sonderprüfungen und über mehr als 300 Kilometer lang hatte Manfred den Citroen-Werkspiloten einen erbitterten Kampf geliefert und lag hinter den Fordpiloten Grönholm und Hirvonen sensationell an dritter Stelle. Trevor Hudson, jener Audi Geschäftsführer, der Rudi Stohl zwanzig Jahre zuvor mit einem serienmäßigen Motor ausgeholfen hatte, war in die Servicezone nach Mystery Creek gekommen. Wir fielen einander in die Arme, erinnerten uns an 1986 und Trevor stammelte beglückt: „I have to see Rudi`s son, he`s even crazier than his father“!

Aber noch standen sechs Prüfungen auf dem Programm, noch waren knapp 100 SP-Kilometer zu fahren und von Citroën kam der Befehl an die beiden Werkspiloten: „voller Angriff auf Stohl, wir brauchen zumindest den Podestplatz"! Dani Sordo hatte nur 17 Sekunden Rückstand auf Stohl – Pons 32, die besten Reifen standen zur Verfügung und die Xaras waren auf dem letzten Stand. Nebenbei bemerkt, es war dies der zweite WM-Lauf des „Doctor`s“ Valentino Rossi! Der neunfache Motorrad-Weltmeister hatte schon neun Jahre zuvor seine Liebe zum Rallyesport entdeckt, aber echte Chancen auf eine Topplatzierung hatte er nie,- in Neuseeland gab es Rang 11 im Werks-Subaru, selbstverständlich mit der obligaten Startnummer 46 und einer Mittagspause Rückstand. „Madonna, e ho sempre pensato di essere veloce" stöhnte er mir ins Mikrofon, was so viel bedeutet: „Madonna und ich dachte, ich bin schnell …“

Auf zwei Prüfungen schob sich Sordo an Stohl heran,- Pons hatte seinen Rückstand gar halbiert als Manfred vor der Prüfung Wahanga Coast grimmig brummte: „Jezd reichts, jezd is vorbei mid da Hetz!" Über knapp 30 Kilometer fährt Manfred die dritte Zeit, 7,8 Sekunden hinter Grönholm im neuen Ford Focus, sechs Sekunden hinter Hirvonen, aber sieben Sekunden schneller als Petter Solberg im ebenfalls neuen Subaru und gar rund 15 Sekunden schneller als die beiden Spanier. „So, jezd muass a Ruah sein" stöhnte Manfred zufrieden beim letzten Service „mia woan um fast a hoibe Minutn schnölla ois vurigs Joah midn Xsara!“ Aber noch immer gab man sich bei Citroën nicht geschlagen, Pons fuhr entfesselt, weil er wusste, ein dritter Gesamtrang würde einen neuerlichen Werksvertrag für 2007 bedeuten. „Gebts uns seine Zeitn über Funk durch" verlangte Stohl von seinem Service, ehe er die letzte Sonderprüfung Wahanga Coast II in Angriff nahm. Vorsprung auf Pons noch 28,6 Sekunden.

Ich saß damals im TV Compound im Regiewagen, sah die Bilder von Pons, der tatsächlich fulminant attackierte und dann rollte Manfred zum Start,- noch eine Minute. Wieder der Umschnitt auf Pons der bei der 2. Zwischenzeitnehmung überlegene Bestzeit gefahren war, fast zehn Sekunden schneller als Landsmann Sordo! Der Hubschrauber mit einem Kamermann an Bord stand etwa 25 Meter ober dem Peugeot mit Startnummer 7 als die Jagd über die Küstenstraße begann. Erste Zwischenzeit nach etwa sieben Kilometer: Pons fünf Sekunden schneller,- bei der zweiten Zwischenzeit waren es schon neun Sekunden. Ilkas Ansagen kamen klar und deutlich, ich hörte im Regieraum ihre Stimme: „150 links Vier minus plus 200 über Kuppe 300 – Vorsprung noch 18 Sekunden – Jump 250 in rechts 4 – 5!" Der Hubschrauber schwebte über dem Meer auf Straßenniveau, der Kameramann zoomte auf Manfreds Gesicht, es waren unglaublich tolle Bilder und im Regieraum hörte man nur noch kurze Kommandos des Regisseurs – sonst atemlose Stille: „Cam sixteen" – und wir sahen Pons kurz vor dem Ziel und dann: „Cut Heli Two" und der Helikopter begleitete Pons im Citroën die letzten 800 Meter ins Ziel – überlegene Bestzeit: 21, 09. 7 – Jubel bei Citroën nach dem Blick auf die dritte Zwischenzeit; Stohls Vorsprung nur noch 12 Sekunden. „Cut Heli one" kam das Kommando des Regisseurs und wir sahen bildfüllend Manfred Stohl als er Ilkas Stimme vernahm: „noch 9 Sekunden – noch gut 11 Kilometer, Achtung 150 links vier in rechts 3-4, 200 über Welle plus 5 voll.“

Ich wurde langsam nervös, hörte nur noch im Unterbewusstsein die Kommandos des Regisseurs und sah, wie sich Manfred`s Kinn nach vorne schob. Er war sichtlich entschlossen, diesen dritten Rang um alles in der Welt zu verteidigen. Drei Minuten später kam über Funk vom Peugeotservice: „You are now leading by 13 Seconds" und Manfred lächelte mild. „Cut Cam 16 for a moment and now Heli-Cam" erklang die gehobene Stimme der Regie – und ich war fertig mit der Welt. Pons überlegene Bestzeit hielt, - aber Stohl war Zweiter, war um rund 24 Sekunden schneller gefahren als beim ersten Mal und im Ziel noch knapp 17 bzw. 25 Sekunden vor den beiden Werkspiloten von Citroën und damit Dritter der Gesamtwertung.

Auf der Nennliste für den letzten Weltmeisterschaftslauf fand man 17 WRC A8 Autos, darunter mit Stohl und Andreas Aigner zwei österreichische Piloten. Meine letzte Dienstreise führte mich also am 29. November nach Cardiff und es war für mich natürlich das Erlebnis des Jahres. Noch einmal Stohl, der in der WM-Wertung nur noch einen Punkt hinter Dani Sordo lag, neugierig auf Andi Aigner im Skoda Fabia WRC, Rückflug am 04. Dezember, Material sichten, Schnitt, Synchronisation und danach sofort ab in den Urlaub ohne über den Abschied vom ORF viel nachdenken zu müssen.

Am Ende des ersten Tages ließ uns Manfred jubeln: 1x Vierter, 4x Dritter, eine Bestzeit und gesamt hinter Grönholm und Solberg an dritter Stelle, noch vor Latvala im zweiten Focus, vor den Citroens mit Pons und Sordo! Der Dezember in Wales ist grausam! Kalt, feucht, wenig Tageslicht, - aber schööön – weil Manfred schon auf der ersten Prüfung an "Mister Hollywood Solberg" vorbeizog und ein wenig traurig, weil Andi Aigner nach Unfall ausgefallen war. Über den gesamten zweiten Tag dann ein unglaubliches Duell – und am Ende war das Duo Stohl/Minor knapp 50 Sekunden vor Solberg, weil dieser einmal lieblos die Straße verlassen hatte. Auch drei Bestzeiten am letzten Tag nützten dem Norweger nichts,- weil Stohl geradezu großartig seinen Vorsprung verwalten konnte. Dabei hätte es fast noch zum Sieg gereicht, doch eine Menge Zuschauer schoben Grönholm aus einem tiefen Graben zurück auf die Straße.

Damit enden meine Erinnerungen an Manfred Stohl und die Rallye-Weltmeisterschaft. Dabei gäbe es in der Folge noch jede Menge über ihn zu erzählen, doch darüber ein anderes Mal. Noch heute sehe ich das Bild vor mir: zwei Österreicher/innen als Gesamtzweite beim letzten Marken-WM-Lauf 2006 und Manfred Vierter der Fahrer-WM, das beste Ergebnis in der Geschichte des heimischen Rallyesports.

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