Erinnerungen eines Sportreporters: Wittmanns erster Quattro | 15.04.2020
Erinnerungen eines Sportreporters: Wittmanns erster Quattro
Vielleicht hatte man in der Neuburger Straße 75 in Ingolstadt tatsächlich eine gute Nase als man beschloss, das neuentwickelte Auto in die Hände eines Österreichers zu geben?
Peter Klein
Vielleicht hatte man in der Neuburger Straße 75 in Ingolstadt tatsächlich eine gute Nase als man beschloss, das neuentwickelte Auto in die Hände eines Österreichers zu geben. Vielleicht war aber auch der Druck aus Österreich, genauer gesagt aus Salzburg groß genug geworden. Vielleicht hatte auch „der kommende Mann" Piech seinen Einfluss geltend gemacht. Ganz sicher spielten aber die vergangenen Erfolge des „Holzhändlers aus Niederösterreich“ eine sehr große Rolle.
Natürlich wollte man viel lieber einen Deutschen die Weltpremiere des Audi Quattro bestreiten lassen. Aber wer hatte die Qualität, wem konnte man diese delikate Angelegenheit anvertrauen? Walter Röhrl. Aber der war Weltmeister mit Fiat geworden und hatte bereits einen hochdotierten Vertrag bei Mercedes. Und Jochi Kleint? Im Vergleich zu Wittmanns Erfolgen ein kleines Licht! An weitere deutsche Piloten hatte man keinen weiteren Gedanken verschwendet.
Wittmann, Wittmann, Wittmann, - was hatte er bisher erreicht,- studierte man im Haus der vier Ringe. Na ja, immerhin schon 5-facher österreichischer und einmal Europameister, Siege mit dem VW-Käfer, BMW, Opel Kadett und Porsche. Dann der sensationelle volle Erfolg mit dem Audi 80 bei der Jänner-Rallye 1980 und das mit fast eineinhalb Minuten Vorsprung auf Sepp Haider im Opel Ascona! Der Kerl kann sichtlich mit jedem Auto gewinnen dachte man, egal ob Hinter- oder Vorderradantrieb.
Warum also nicht auch mit Allrad? Der Perfektionist aus dem „hintersten Niederösterreich“ soll vor allem auf Eis und Schnee testen und die Erfahrungen weitergeben. Soll bei der Weltpremiere rund um Freistadt, vor dem ersten Weltmeisterschaftslauf in Monte Carlo bestätigen, was wir glauben und hoffen. Wir hier, in Ingolstadt. Für die erste Saison mit dem Audi Quattro in der Rallye-Weltmeisterschaft.
Für 1981 hatte man, wie es sich gehört, einen Finnen engagiert: den damals 38 jährigen Hannu Mikkola. Der hatte zuletzt 1980 gleich sieben Podestplätze erreicht, unzählige Erfolge mit dem Ford Escort gefeiert und auch schon den Quattro getestet. Und dazu im zweiten Quattro Michelle Mouton, diese rassige Schönheit aus Frankreich. 29 Jahre jung und ein Vollweib, ein Vulkan. Die rabenschwarze Michelle hatte bereits sieben sehr erfolgreiche Saisonen hinter sich und war die ideale Ergänzung zum blonden Finnen aus Joensuu.
Dieses Duo war natürlich ein so genannter Eyecatcher, ein gefundenes Fressen für Pressefotografen und TV-Kameras. Die Promotion war schon längst angelaufen doch nun galt es zu beweisen, was mit einem allradgetriebenem PKW möglich ist! Also lassen wir mal den Österreicher zeigen was er kann und wenn es mit ihm noch nicht klappt, war es kein Werksfahrer und auch kein Deutscher. So dachte man,- vermutlich…
Und Wittmann begann mit seinen Vorbereitungen, trainierte in einem Ausmaß welches viele für übertrieben hielten, Jede Sonderprüfung 5 x, auch 10 x und öfter besichtigt, bis er sie auswendig konnte. Nichts wurde dem Zufall überlassen, Eisspione wurden verpflichtet, Reifenspezialisten nach Freistadt geholt, der Franz wollte es allen zeigen!
Zum 12. Mal wurde die Castrol-Jänner Rallye ausgetragen und der logische Favorit war Wittmann mit seinem Co-Piloten Dr. Kurt Nestinger. Die Konkurrenten spielten im Kopf des Österreixchers keine Rolle obwohl klingende Namen die Nennliste zierte. Und diese waren mit ein Grund, dass der ORF in einem Ausmaß berichtete, wie es heute undenkbar wäre. Eineinhalb Stunden im ORF vor einem Millionenpublikum – denn der erste Privatsender Deutschlands ging erst 1984 an den Start. Und von den schreibenden Medien waren die Top-Journalisten anwesend,- alle wollten bei der Weltpremiere dabei sein.
Shekhar Mehta hatte 1980 neben der Safarirallye gleich sechs weitere Rallyes gewonnen,- startete in Freistadt aber erstmals auf Eis und Schnee! Per Engseth, Primgeiger aus Norwegen mit einem Opel Ascona 400 und sein Landsmann. John Haugland, sehr erfolgreicher Werkspilot bei Skoda, beide Eis- und Schneespezialisten,der Deutsche Peter Mattig im Opel Acona, Seriensieger Attila Ferjanc aus Ungarn. Der Finne Hämäläinen, der Tscheche Kvaizar und dazu die österreichische Armada angeführt von Georg Fischer, Sepp Haider, Wilfried Wiedner, Gerhard Kalnay, John Peter Bittner, Andy Stigler und Kurt Göttlicher um nur einige zu nennen.
Und es herrschte tiefster Winter zwischen Freistadt und Königswiesen,- klirrende Kälte zwischen Sandl und Lasberg! Und dennoch kamen an diesem Wochenende mehr als 200.000 Menschen zu den Sonderprüfungen im Mühlviertel,- darunter auch Weltmeister Walter Röhrl. Der „Lange", stets interessiert an technischen Innovationen, wollte seiner kommenden Konkurrenz genau auf die Finger schauen.Im ORF analysierte er: „vier Radln schieben hoit doppelt sovü an, wia zwoa,- ganz logisch". Shekhar Mehta stammelte seine ersten Worte in deutscher Sprache in mein Mikrofon: „Schnee is Scheise" und wurde mit dem Datsun 260 Z tapferer 12.
Georg Fischer konnte am zweiten Tag nicht starten,- weil er den Autoschlüssel im Hotel vergessen hatte. Haugland und Engseth lasen fassungslos die Sonderprüfungszeiten und Ferjanc hatte nur noch Zähren in den Augen.Sepp Haider war einem Nervenzusammenbruch nahe,- mit dem Opel Ascona 400 mehr als ein halbe Stunde hinter seinem Lieblingsfeind und so war es auch logisch, dass Wittmann diese Weltpremiere mit dem Audi Quattro überlegen gewann.
Die Art und Weise aber war es, die die Mannen in Ingolstadt euphorisch stimmten. „Der Holzhändler hat alle Sonderprüfungen gewonnen,- Vorsprung auf den Zweiten Haugland fast 21 Minuten - Weltrekord „ jubelten sie. Die Weltpremiere grandios bestritten, Sieg auf Eis und Schnee- siegestrunken fuhr das Audi - Werksteam nach Monte Carlo. Ohne Franz Wittmann, ein schwerer Fehler,- wie sich schnell herausstellte, aber das ist eine andere Geschichte .