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Erinnerungen eines Sportreporters
Fotos: Stohl privat

Acropolis adieu?

ORF-Reporterlegende Peter Klein erinnert sich in einer launig-charmanten Kolumne an die vielen Abenteuer rund um die Akropolis - er und Acropolis-Rally-Heroe Rudi Stohl bedauern, dass dort heuer kein österreichischer Pilot am Start ist...

Peter Klein für den Motorline Paddock Corner

Mit der Zahl 20 gibt es viele Übereinstimmungen zwischen mir und den Stohls. 20 x fuhr Vater Rudolf Stohl die Safarirallye in Kenia – 20 x war ich dabei. Und ebenfalls 20 x berichtete ich von der „Rally Acropolis" – allerdings mit Rudi und Sohn Manfred, doch auch in Griechenland war Stohl sen. 20 x am Start – davon 2 x als Co-Pilot. Rudi ist heute noch der „Kyrios Acropolis" (Mister Acropolis) denn kein anderer Ausländer hat diese Rallye öfter bestritten! Am Freitag wird dieser Weltmeisterschaftslauf zum 68. Mal gestartet. Nicht so wie einst traditionell in Athen am Fuße der Akropolis, sondern in Lamia, einer Stadt mit rund 75.000 Einwohnern die angeblich nach der Tochter Poseidons so benannt wurde. Lamia also, einst gerade mal Serviceort heranbrausender Service- und Rallyeautos – und das macht mich doch ein wenig traurig, bin ich doch ein Mann der einiges auf Tradition hält. Was wäre die Rallye Monte Carlo ohne diesen Nobelort, Argentinien ohne Cordoba oder Finnland ohne Jyväskylä. Aber es hat sich mit den Jahren leider doch vieles verändert, wie zum Beispiel die Teilnahme österreichischer Piloten an WM-Läufen im Allgemeinen und in Griechenland im Besonderen. 1977 gab es tatsächlich 17 österreichische Nennungen – die Akropolis-Rallye wurde damals bereits zum 24. x ausgetragen und die Ausfallsquote war gigantisch, sie lag bei 82 Prozent. Noch schlimmer war es allerdings aus österreichischer Sicht, denn nur Georg Fischer/Fritz Weixelbraun kamen als 16. von 29 ins Ziel, dabei waren unter anderem so honorige Herren wie Wittmann, Haider, Göttlicher und Stohl gestartet.

Bei meinem ersten Einsatz in Athen 1980 konnte ich von sieben österreichischen Besatzungen berichten – der sechste österreichische Ausfall traf Rudi Stohl mit seiner legendären Lada in der vorletzten Sonderprüfung. Damals erzählte mir der großartige Björn Waldegard, dass er schon 1966 in Athen erstmals am Start gewesen war und in der Folge ebenfalls sechs Mal nicht das Ziel erreichen konnte. 1986 waren sechs Paare aus Österreich in Griechenland am Start und mit Stohl, Wittmann und Josef Pointinger kamen immerhin drei Piloten ins Ziel.
1980 betrug die Gesamtlänge noch mehr als 2.700 Kilometer – davon fast 1000 Sonderprüfungskilometer auf übelstem Schotter!
Vor 20 Jahren waren es nur noch knapp 400 SP-Kilometer – und da zeigte Manfred Stohl im französischen Semi-Werksteam von Bozian mit einem 6. Gesamtrang erstmals richtig in der Weltklasse auf. An die Bestleistung des Vaters kam er dennoch nicht ganz heran – Rudi war beim WM-Lauf 1988 mit dem Audi Coupe`Quattro gar Fünfter geworden.

Zurück zu den Anfängen meiner internationalen Rallyeberichterstattung, denn Griechenland war ja mein erster WM-Lauf als Redakteur für den "Sport am Montag". Wir wohnten exakt in der Einflugschneise des alten Flughafens am Stadtrand von Athen. Die landenden Flugzeuge schienen zum Greifen nahe und die Nachtruhe wurde gefühlte 97 Mal gestört. Das Hotel trug den stolzen Namen PERLA und es hatte einen einzigen Vorteil: Es war äußerst billig und so war diese Gasse in Glyfada fest in österreichischer Hand. Nicht nur Rudi Stohl und seine Mechaniker waren hier zugegen, von Beppo Sulc bis Sepp Pointinger traf man hier alles, was hoffnungsfroh und gut war. Der legendäre Co-Pilot Kurt Mödlhammer nahm hier beim „Schrieb ausbessern" so manches Bier zu sich oder ging 80 Meter hinunter „zum Teich", wie er das Meer bezeichnete. Später wurde dieses Hotel ein sündiger Ort, wo lebenslustige Damen lüsternen Herren nicht nur zur Hand gingen. Jahre später wurde das Hotel Perla zu einem Altersheim – man trifft sich ja im Leben immer zwei Mal!
2004 wurden hier vor Glyfada am saronischen Golf die olympischen Segelbewerbe ausgetragen und ich durfte von den zweiten Goldmedaillen der Herren Hagara/Steinacher mit dem Tornado und der ersten Goldmedaille von Windsurfer Christoph Sieber berichten. Heute ist Glyfada ein luxuriöser Nobelort geworden – nur „das Perla" gibt es nicht mehr.

Am Telefon meldet sich Rudi Stohl: „Pfiat di, i bin scho am Flughafen, i fliag wieda zur Akropolis und häng daun no a Wochn Urlaub aun.“ Man muss wissen, dass gerade diese Rallye Stohl sen. bis heute besonders fasziniert, ihn nie losgelassen hat. „Dort brauchst du gar nicht hinfahren, da hast du als kleiner Österreicher keine Chance", hatte man Rudi schon vor mehr als 52 Jahren gesagt. Tatsächlich begann er mit drei Ausfällen, ehe er 1978 doch zum ersten Mal das Ziel erreichte und das kam so: Unter den 160 genannten Piloten ging neben Rudi Stohl mit seiner Lada auch ein gewisser Helmut Stenger ins Rennen - gleichfalls mit Lada.
Damals gab es noch keine sogenannte „Superrallye“ wo man nach einem Ausfall tags darauf mit Strafzeit erneut an den Start gehen konnte. Ein Ausfall war damals eben ein solcher - man konnte einpacken und den Heimweg antreten, aus – fertig. Es begann also auf der dritten Etappe nach schlaffen 470 Sonderprüfungskilometern, als sich ein Haarriss am Motorblock in Rudis Lada bemerkbar machte - dabei standen noch die legendären Sonderprüfungen Karroutes, Desfina und Aliki auf dem Programm. Zum zweiten Mal am Servicepunkt nach Desfina angelangt schien für Stohl die Rallye zum vierten Mal ein Desaster zu werden - doch da stand auch das Wrack von Lada-Pilot Stenger! Keine Dämpfer mehr, das Fahrwerk irreparabel, die Vorderachse verbogen wie ein Salzkipferl – aber der Motor funktionierte! Und wie auch später so oft, leisteten die Mechaniker Überirdisches. Hinter einem Verschlag wurden die Motoren innerhalb der Ausschlusstoleranz ausgetauscht, Stohl hatte bei der Abschlusskontrolle einen regelkonformen Motor mit Kennzeichnung unter der Haube und nach der Zielankunft Rang 18 vorzuweisen! „Rudi das war aber eigentlich nicht erlaubt, ein Motortausch war doch verboten", war mein Einwand. „I woa daun eh beichtn, oba da Pforra hot gsogt, es woa Notwehr", war Rudis schelmische Antwort…..

Ich könnte tatsächlich über die Akropolis-Rallye Bücher schreiben, über die so erfolgreichen Österreicher, über ihre Mechaniker, die teilweise eine eigene Rallye in der Rallye fuhren - und denen der Lohn einer Zielankunft ihres Piloten weit mehr bedeutete als das so genannte Taggeld. Und gerade das Jahr 1986 ist mir besonders in Erinnerung - nicht nur weil kurz vor Griechenland der charismatische Henri Toivonen mit seinem Co-Pilot Sergio Cresta auf der 18. Sonderprüfung auf Korsika nach einem Unfall verstorben war. Markenkollege Markku Alen war vier Wochen später in Lagonissi, wo die Werkteams fast zur Gänze untergebracht waren noch immer nicht ansprechbar, nie waren Timo Salonen, Miki Biasion oder Juha Kankkunen derart schweigsam. Doch mit dem Start zur 33. Rally Acropolis rückte die Trauer in den Hintergrund, zu aufregend und faszinierend verlief dieser sechste WM-Lauf der Saison. Citroen war erstmals werksseitig mit dem Citroen BX am Start und erlebte ein wahres Desaster! Die Aufhängung bei den Autos von Chomat und Wamberque hielt keine zwei Sonderprüfungen und auf der dritten SP Loukissia warf Andruet den BX in ein paar unerbittliche Felsen. Wieder gab es 70 Prozent Ausfälle, Kankkunen duellierte sich erfolgreich mit Miki Bisasion und in der seriennahen Gruppe A war Werkspilot Kenneth Eriksson mit dem Golf II GTI der härteste Gegner von Rudi Stohl. Im Ziel lag der Schwede aber dann doch deutlich hinter dem Wiener auf Rang 7 – doch dieses Duell um den WM-Titel der Gruppe A wurde am Jahresende mangels Budget zu Gunsten von Eriksson entschieden.

Rudi wird heuer etliche Sonderprüfungen besuchen und sich bei manchen an die glorreichen Zeiten zwischen 1976 und 1996 erinnern. Die legendären Sonderprüfungen wie Tarzan, Dafni und Loutraki gibt es, wenn auch in verkürzter Form, noch immer. Nicht mehr gibt es die Konditorei Venezia am Rande von Glyfada - dort, wo ein Stück Torte gefühlte 3760 Kalorien hatte. Aber es gibt noch den „Hammelmörder von Kalyvia" etwa 35 km südlich von Athen. In diesem kleinen Dorf waren die Österreicher im etwa 30m2 großen „Restaurant mit Straßengarten" praktisch zu Hause. Mutter Katsaros mit einer grob geschätzten Körpergröße von 1,43 m trieb ihre beiden Söhne, gelernte Fleischhauer mit dementsprechender Statur zur Arbeit an, grillte auf offenem Feuer, sodass bei jedem Gesundheitsapostel der Magen rebellieren würde, die besten Lammsteaks von ganz Griechenland und nie schmeckte der Retsina besser als jener aus dem Kupferkännchen in Kalyvia. Inzwischen heißt der Enkelsohn die Gäste aus Österreich herzlich willkommen – und für den „Rudi from Avstria" wird heute noch stets ein Tisch frei gemacht. Doch Enkel Pericles ist heute auch schon 52 Jahre alt und für ihn ist „the second Stohl" der Hero aus AVSTRIA

Es gibt kein einziges österreichisches Paar am Start der Rallye Acropolis 2024. Nur Bernhard Ettl hält als Co-Pilot des Deutschen Fabio Schwarz Österreichs Fahne zaghaft in die Höhe. Und das finden wir sehr traurig, der Rudi und ich.

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