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Erinnerungen eines Sportreporters: Das Beste kommt zum Schluss
Fotos: Peter Klein privat

Das Beste kommt zum Schluss

motorline.cc-Kolumnist und ORF-Legende Peter Klein erinnert sich an den tollkühnen Fallschirmsprung von Gabi Husar...

Peter Klein für den Motorline Paddock Corner

Ich lernte einst, dass der Flughafen Vöslau/Kottingbrunn in unserer Geschichte von besonderer Bedeutung sei. 1955 flog von hier die österreichische Regierungsdelegation zur Staatsvertragsverhandlung nach Moskau. Gabi Husar würde also auf historischen Boden landen, sollte sie tatsächlich den ersten Fallschirmsprung wagen. Die erste Einschulung hatte sie bereits hinter sich gebracht, der Fallschirm war gepackt, der Instruktor kam mir bekannt vor, ich hatte zwei Jahre zuvor einen Beitrag über Österreichs beste Fallschirmspringer produziert. Ich war ein wenig erleichtert, denn eigentlich machte ich mir Vorwürfe. Hatte ich Gabi ermutigt, mit einem „Sport am Montag“-Beitrag gelockt? Was, wenn das ganze schief geht? Wenn sie zu spät abspringt und auf der Bundesstraße landet, wenn sie zu spät den Fallschirm zieht, wenn sie im Stress überhaupt auf den Fallschirm vergisst und im freien Fall….?

Mir wurde schlecht, ich wollte dieses Vorhaben abbrechen, wollte Gabi den Wahnsinn ausreden. Ein Blick zu ihr, sie besprach sich mit dem Fallschirmsprunglehrer, ruhig und sachlich, nickte noch einmal und ging, mit dem Fallschirm am Rücken und Reserveschirm vor der Brust zur einmotorigen Maschine. Ich stürzte zu ihrem Lehrer, packte ihn am Ärmel und stöhnte „Schafft sie das, kann sie das, geht das auch wirklich gut ?“

Der gute Mann, zumindest 1 Meter 90 groß, hatte mehr als 8.000 Sprünge hinter sich und meinte lapidar: „Wenn sie springt, dann wird alles gut gehen, die Griffe sitzen perfekt, Stress kennt das Mädl nicht und wir sind ja auch noch da.“ Ich blickte zweifelnd von ihm zum Flugzeug, Gabi saß am Ausstieg, ein letztes Interview vor dem Start, dann dieser Blick und ich sah es wieder - diese wilde Entschlossenheit, dieser Wille zu tun, was man tun will, ja tun muss.

Wir schauten der kleinen Maschine nach, vorne der Pilot , dahinter der Fluglehrer mit Helmkamera, Gabi und mein Kameramann der ihre Entschlossenheit bildlich einfangen sollte. Ich stand bei meinem zweiten Team, auf der Kamera eine 600er Optik. Das Flugzeug schraubte sich in die Höhe. Minuten vergingen, dann über Funk die Kommandos. „Fertigmachen“ – der Absprung musste auf die Sekunde genau passieren, der Wind wurde berechnet damit die Landung auch mitten auf dem Gelände erfolgen kann. „Drei, zwei, eins, ab!“

Ein Körper fällt aus dem Flugzeug, danach ein zweiter im schwarzen Anzug mit weiten Ärmeln, ich zähle die Sekunden 21, 22, 23, 24, 25, 26, „Zieh Gabi“ stöhne ich, der Rundkappenschirm öffnet sich, sie schwebte langsam zu Boden. Ein Blick zu meinem Kameramann, er hatte alles im Bild auch eine fast perfekte Landung, sie hatte es tatsächlich getan:

"A große Gschicht: Die Angst im Sport"

Natürlich sprang Gabi an diesem Tag gleich noch einmal ohne Probleme, die Selbstsicherheit war verblüffend, das Selbstbewusstsein für das kommende Jahr gestärkt. Zurück in der Redaktion wollte Sigi Bergmann wissen: „Und? Is ghupft“ ? Ich nickte kurz aber auch sehr zufrieden, eine tolle Story war gedreht und ich freute mich schon auf den Filmschnitt. Da sprang Sigi hoch: „Nächstes Jahr machen wir  a grosse G´schicht: die Angst im Sport“ und i hupf a mit an Fallschirm!“ Und Herr Bergmann sprang sechs Monate später über Wiener Neustadt ab, allerdings erst im dritten Anlauf, sorry Sigi!

Auch 1985 wusste Gabi Husar zu glänzen, von zehn Rallyes in Österreich beendete sie acht, landete drei Mal auf dem Podest, fiel in Admont aus und hatte bei Walter Röhrls Supershow im Audi S1 bei der Semperitrallye  großes Pech. Im letzten Parc Ferme begutachtete „der Lange“ noch neugierig den Porsche 911 SC: „Die Gnädigste ist Fünfte Gesamt“, nickte er anerkennend, doch dann streikte die Technik.

Für 1986 wurden zwei WM-Läufe geplant, doch in diesem Jahr wollte lange Zeit gar nichts gehen. Rang elf bei der Jänner-Rallye war kein Grund zur Freude, dann Ausfall bei der ARBÖ-Rallye im Raum Gloggnitz und auch in Portugal gab es keine Zielankunft. Dann Griechenland, Gabi Husar startete dort zum ersten Mal mit dem Porsche, wie gewohnt mit Sissi Fekonja am Beifahrersitz. Sechs Jahre zuvor war Wittmann mit einem Porsche schon nach vier Sonderprüfungen liegen geblieben. Startnummer 53 war keine gute Ausgangsposition hinter einem weiteren Porschefahrer namens Jäger, pikanterweise ebenfalls aus Niederösterreich. Nach sechs Kilometern tauchte sie in die Staubwolke ein, keine Chance zu überholen. Frau Husar erweiterte ihren Sprachschatz enorm, angeblich fielen auch schlimme Worte, sie hupte, blinkte, tobte, aber im Staub sah auch der Vordermann nichts. Kurz vor dem Ziel der ersten Sonderprüfung kam das Damenteam dann doch vorbei und bescherte uns dieses Bild!

Der erste Sieg

Als 49. begann sie die zweite Sonderprüfung und nach zwei Tagen und 41 Sonderprüfungen war sie auf Rang 17. Doch Bauxite Way wurde zum Verhängnis: Der dritte Ausfall in Folge. Ende August wieder Österreich und Rang sechs in der Steiermark. Gabi war sauer und nachdenklich. Das Töchterchen musste in die erste Klasse Volksschule und die FIA beschloss, nach den tödlichen Unfällen in Portugal und Korsika ein neues Regulativ - was bedeutete, dass der Porsche für das kommende Jahr nicht mehr homologiert wurde.

Noch zwei Meisterschaftsläufe in Österreich, der nächste Ende September in Kärnten . Rund 70 Teilnehmer, darunter Haider, Baumschlager, Pfeiffer, Sewi Hopfer, Ernst  Harrach und alle staunten über Gabi Husar, die stets unter den erste Drei platziert war. Nach zwei tollen Bestzeiten übernahm sie kurz vor Schluss die Gesamtführung und holte sich schließlich souverän den ersten Sieg in der heimischen Meisterschaft. Nie zuvor und nie mehr danach gelang einer Frau dieser Husarenritt. Sogar die auflagenstärkste Tageszeitung berichtete vom ersten Rallyesieg einer Österreicherin.

Eineinhalb Stunden sind wie im Flug vergangen, Gabis Ehemann, ebenfalls beneidenswert schlank und austrainiert kommt auf die Terrasse um sich zu verabschieden. Er muss noch in die Ordination und ist als Medizinalrat ein viel gefragter Arzt. Sein Hobby war nie der Motorsport, aber golfen geht er gerne gemeinsam mit seiner Frau. Im Auto ist Gabi sicher die Nummer Eins,-aber am Golfplatz ist der Herr Doktor klar voran. Ich bitte Gabi Husar mir doch einige Fotos zur Verfügung zu stellen und habe noch eine Frage. Nach all den Jahren, Erfolgen und Niederlagen, nach dem Skisport, fast zwei Jahrzehnten Rallyesport voller Freude, Anspannungen und Triumphen, nach Fallschirmspringen und Business im Sportgeschäft, was Gabi war deine glücklichste Zeit? Da lächelt sie leise, blickt noch ihrem Helmut hinterher und seufzt versonnen: „Meine glücklichste Zeit ist jetzt .“

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