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Erinnerungen eines Sportreporters: Stig sauer, Stohl happy
Fotos: Rudi Stohl & Peter Klein privat

Stig sauer, Stohl happy

Rudi Stohl und Franz Wurz sorgten für eine gelungene Premiere im Audi 80 der Gruppe A, Stig Blomquist ging indes mit dem Audi-Werksteam einen Deal zur Stallorder ein.

Peter Klein für den Motorline Paddock Corner

Wir sitzen beim Heurigen in Perchtoldsdorf, Stohl senior, Rolf Schmidt, „Mister Vredestein“ Adi Rankl, der Autor dieser Zeilen und natürlich auch unsere „besseren Hälften“. Und es wird Benzin getratscht, in Erinnerungen geschwelgt und als auch Tochter Schmidt, die Catherina, am Tisch Platz nimmt, erzählt ihr Daddy: „Die Fahrt mit dem Zug nach Zürich war schon ein Albtraum, wia ma den 85 Kilo schweren Koffer im Abteil unterbrocht hobn – und waun i ans Aussehebn denk, kriag i heit no an Kraumpf in die Schuitan. Und daun steh i vuam Schoita bei Aerolinas Argentinas und die Dame find mi glei auf ana Listn.“

Sie blickt über den Zettelrand und nickt freundlich: „Herr Schmidt, Sie fliegen zur Rallye nach Buenos Aires und haben auch Übergepäck angemeldet, das geht alles in Ordnung, wünschen Sie einen Fenster- oder Gangsitz?“, wollte sie wissen. „Gaungsitz hätt i gern“, bestätigte Rolf und hob wie spielerisch seinen privaten Koffer aufs Band. 22 Kilo waren kein Problem „und das da ist ihr Übergepäck?“, wollte die charmante Dame wissen. Jo, äh, des is oba a bisserl schwera“, seufzte der gute Rolf. „Moment, ich rufe Hilfe, das haben wir schnell erledigt“, lächelte die Dame vom Bodenpersonal und winkte einen strammen Schweizer herbei.

Der junge Mann könnte gut und gerne als „Berner Schwinger“ durchgehen, lächelt mild, als er das Gepäckstück betrachtet, bückt sich und verharrt Sekunden später in einer Schockstarre – ein Irrtum? Ungläubiges Staunen macht sich breit, in seinem Gesicht findet eine dramatische Veränderung statt. Von Zweifel geprägt packt er noch einmal zu, die Schultern werden breiter, doch fast zur gleichen Zeit wird das Gesäß enger! Panische Angst in seinen Augen, als könnte er die unmittelbar bevorstehende Flatulenz nicht verhindern, lässt er verzweifelt von seinem Unterfangen ab und murmelt leise: „Ich hole jetzt einen Stechkarren“. Rolf, „da Schmidi“, nickt nur zustimmend und lächelt heimlich als er die Gepäcksbestätigung in den Händen hält. Zwei Tage später wird der Audi fertiggestellt und zig-tausende begeisterte Rallyefans erleben am 2. August 1983 in Buenos Aires die Weltpremiere des Gruppe A Audi Quattro!

Und Rolf erzählte weiter, dass der damalige Audi-Einsatzleiter Roland Gumpert bedauernd erklärt hatte, es gäbe keine Möglichkeit einer Unterstützung, Audi hatte schließlich fünf Quattros im Bewerb. Nach extrem langer Anfahrt, etwa rund 240 km Etappe, kam endlich die erste Sonderprüfung – und das erste Staunen im Werksteam. Nicht Mikkola oder Mouton, schon gar nicht di Palma oder Mehta lagen voran. Stig Blomquist fuhr die erste Bestzeit ohne vorher auch nur einen Meter besichtigt zu haben und „Kapten“ Cederberg, Stig`s Co-Pilot freute sich diebisch über die erste Bestzeit, 25 Sekunden vor Mikkola. Nach vier Prüfungen und 356 SP km (!!!) betretenes Schweigen im Audi-Team.

Stig führte bereits mit knapp zweieinhalb Minuten Vorsprung auf Mikkola, mehr als viereinhalb Minuten auf Mouton und gar acht Minuten auf Shekhar Mehta. Tohuwabohu am Serviceplatz, auf der Etappe hechelten die Geprügelten dem großen Stig hinterher und kamen fast geschlossen zum ersten Service. Stig quietschvergnügt, die anderen beschämt und die Mechaniker in Unterzahl. Da griffen unsere beiden Österreicher ein, halfen wo sie nur konnten und versprachen der Einsatzleitung von AUDI jede erdenkliche Hilfe. Kaum war di Palma – den man kurzfristig ins Team genommen hatte – als letzter Audi-Werkspilot abgefertigt, kam auch schon mit Startnummer 18 das Duo Stohl/Wurz – Rudi hatte am Beginn das Steuer übernommen.

Keine Probleme am Audi 80 und natürlich wurde dieser Einsatz in der damaligen Gruppe A vom Werk genau beobachtet. Nach weiteren 130 SP-Kilometern das gleiche Spiel: Österreichs Parademechaniker Schmidt/Unger/Leopold unterstützen die Werksmechaniker von Audi und nun zeigt sich der Einsatzleiter dankbar. Er nimmt Rolf zur Seite, bedankt sich für die tatkräftige Unterstützung mit den Worten: „Ab sofort kannst Du auf unserem Serviceplatz mit Deinen Fahren stehen und auch unsere Garage mitbenutzen.“

Blomquists Vorsprung war auf über drei Minuten angewachsen, Mikkola wirkte am Ende des Tages in Bariloche angespannt und nervös, die Dominanz von Stig war erdrückend- und die Sonderprüfungen rund um die Stadt traumhaft schön. Wurz hatte am zweiten Tag das Lenkrad im Audi 80 Quattro übernommen, Recalde wie auch Soto, die Werkspiloten von Renault, stets im Griff und der Vorsprung wuchs mit jeder gefahrenen Sonderprüfung. Ab und zu war er sogar schneller als Vudafieri im italienischen Werksteam, Argentiniens di Palma hat seinen Quattro schon in die Botanik geworfen und Vudafieri tat gleiches mit seinem Lancia 037 am frühen Morgen des dritten Tages.

An diesem wurden noch rund 325 Sonderprüfungskilometer gefahren und zur Halbzeit, am Servicepunkt beim wunderschönen Nahuel, einem prachtvollen See nahe Bariloche, gab es ein Vier-Augen-Gespräch zwischen Teamleitung und Blomquist. Der Schwede möge doch Bitteschön irgendwo in eine der beiden letzten Prüfungen anhalten und die Natur genießen, oder auch in aller Ruhe zur Bratwurst ein großes Bier trinken. Sein Vorsprung auf Mouton betrug zu diesem Zeitpunkt fast 10 Minuten und Mikkola hatte gut zwei Minuten Rückstand und sollte doch Weltmeister werden! Und man würde sich dafür auch revanchieren, im nächsten Jahr!

Und so trödelte der tapfere Schwede pflichtgetreu die beiden letzten Sonderprüfung, stoppte 30 Meter vor der letzten Zeitnahme und wartete etwas gelangweilt, dass Mikkola passierte. So hatte am Ende alles seine Ordnung, der programmierte Sieger in der Gruppe B durfte gewinnen, die Weltpremiere in der Gruppe A wurde zum Riesenerfolg für Österreich und Rolf Schmidt konnte seine 85 Kilo Übergepäck beim Rückflug im Rallyeauto verstauen. Mikkola wurde tatsächlich Weltmeister, aber Audi holte sich einmal mehr nicht die Markenwertung, da hatte Walter Röhrl für Lancia was dagegen.

Franz Wurz feierte seinen größten Erfolg in der Weltmeisterschaft und Rudi Stohl musste auf einen Sponsor für seinen Audi noch zwei weitere Jahre warten – aber das ist eine andere Geschichte.

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