Erinnerungen eines Sportreporters: Der Mann mit dem Laptop ist da! | 05.11.2020
Mutter, der Mann mit dem Laptop ist da!
2005 war es soweit, Ilka Minor und Manfred Stohl saßen im Citroen Xsara WRC, einem echten Werksauto! Mit wenigen Ausnahmen waren die Ergebnisse aber eher ernüchternd, war der Mann mit dem Laptop mitschuld?
Ilka und ich sind mit dem Mittagessen im „Tsatsiki“ – meinem Lieblingsgriechen – fertig. Ich bestelle mir noch einen „ellinikos kafes“ und Ilka beginnt vom ersten WM-Lauf im Jahr 2005 zu erzählen. „Viele Testkilometer gab es nicht und Manfred mühte sich mit dem Citroen vorerst ab. Immer ein wenig mieselsüchtig, unsere Gespräche betrafen nur die Rallyes, was zu tun sei und wann wir aufstehen müssen, wie es mir ging schien ihn nicht zu interessieren.“
Manfred war immer voller Zweifel, wenn im Service vom Werksteam Citroen der Mann mit dem Laptop kam um alles auszuwerten, aber er war damals in Gedanken oft bei seiner Michaela, dann kam noch seine Firma die er 2002 mit Vaters Hilfe gegründet hatte und eben die Rallye-WM – sonst nichts.
Er war schon als Jugendlicher eher verschlossen, ohne große Reden, aber immer mit großen Plänen. Über ihn und seine Eigenschaften will ich euch später mal erzählen, über seine Stärken und Schwächen, Hoffnungen und Träume. Auch im großen Kronos-Team fühlte sich Ilka eher einsam, Kontakte gab es eher zu anderen Teams, zu Journalisten und ein toller Gesprächspartner war und ist auch heute noch Daniel Elena, der Co-Pilot von Sebastien Loeb. Das Privatleben beschränkte sich auf Gemeinsamkeit mit Gatten Gavin und auf Skitouren in den heimischen Bergen.
Monte Carlo war ein „Herantasten“ und brachte am Ende einen zufriedenstellenden 6. Gesamtrang. Nur Platz 9 dann in Neuseeland und erstmals stille Proteste von Manfred der gerne andere Reifen gehabt hätte – aber nie bekam. Auf Sardinien benötigte Stohl, der auf Schotter wie wir wissen zu den Besten der Welt zählte, fünf Sonderprüfungen um überhaupt einmal unter die ersten Zehn zu kommen.
Und erstmals konnten wir in einer Sonderprüfung Loebs Xsara nach einer engen Bergauf-Kurve und einer folgenden, etwa 500 Meter langen Geraden mit dem Citroen von Stohl vergleichen und kamen zu dem Schluss: der Österreicher verlor auf rund einem halben Kilometer fast eineinhalb Sekunden!
Am Ende kamen die ersten Zweifel, hatte man das richtige Team gewählt? Stohl wurde permanent unter seinem Wert geschlagen. Und dann Zypern, mit den brutalsten Rallyepisten Europas. Der Belgier Francois Duval, zweiter Werksfahrer bei Citroen, lag von Beginn an deutlich zurück, auch Grönholm hatte mit seinem Peugeot 307 größte Mühe. Nach den ersten drei Sonderprüfungen kam in der Servicezone wieder der Mann mit dem Laptop – und das Duo Stohl/Minor reihte sich schon nach der fünften Sonderprüfung hinter Loeb auf Rang Zwei ein. Sie behielten diesen Rang souverän bis ins Ziel und für Ilka ist dieser Riesenerfolg heute noch ein unvergessliches Erlebnis.
Nach der Türkei wechselte Citroen auch für Griechenland Duval gegen Carlos Sainz aus – und Stohl sah von Beginn an kein Land gegen die Markenkollegen. Am Ende nur der 20. Gesamtrang bei der Akropolisrallye – ein Jahr zuvor war es noch der 6. Platz mit dem 206er Peugeot gewesen ... Nach einem unbefriedigenden 8. Rang in Argentinien folgten gleich zwei technische Ausfälle in Finnland und Deutschland ehe es in Wales mit dem fünften Gesamtrang wieder ein zählbares Ergebnis gab.
Zum Abschluss der Saison ging es wieder nach Westaustralien und für mich zählt Perth, mit rund einer Million Einwohnern, zu den schönsten Städten der Welt. Modern, mit vielen Parkanlagen und Golfplätzen rund um die Stadt lohnen sich Ausflüge nach Fremantle, einer kleinen Hafenstadt rund eine halbe Autostunde von Perth entfernt. Hier wurde 1987 die größte Segelregatta der Welt, der „America`s Cup“ ausgetragen und hier steht auch das berüchtigte „Fremantle-Prison“, eines der berüchtigtsten Gefängnisse des britischen Empire.
In den großartigen Fischrestaurants trifft man zur Rallyezeit immer wieder die Gourmets unter den Piloten, aber auch manchen Redakteur. Nicht weit davon entfernt liegt die Insel Rottnest Island, doch sind die Quokkas, die fast nur hier leben, keine Ratten, sondern kleine, putzige Beuteltiere. Rund um Margret River, etwa drei Autostunden von Perth entfernt, findet man die schönsten und größten Weingärten mit feinsten Restaurants und köstlichen Chardonnays. Am Retourweg kann man tolle Tierparks besuchen und neben riesigen Krokodilen findet man auch Kängurus in allen Größen und Schlangen ...
Zurück nach Perth zum letzten Weltmeisterschaftslauf des Jahres und zu einem weiteren Erfolgserlebnis von Manfred Stohl und Ilka Minor. Wie immer gibt es gegen Ende der Saison Gerüchte und Spekulationen über Fahrerwechsel und Teams, Grönholm soll schon bei Ford unterschrieben haben, das Werksteam Peugeot würde sich zurückziehen und die Firma Bozian übernähme die Werksautos, Petter Solberg bliebe bei Subaru und Duval würde von Citroen angeblich gefeuert.
Stohl, am Ende der Saison mit den Ergebnissen nicht wirklich zufrieden, spekulierte mit einem Autowechsel, doch zuvor wurde noch Rallye gefahren. 16 Werksautos am Start und Loeb stand als Weltmeister bereits fest als er in der 9. Sonderprüfunng den Xsara ins Gebüsch warf. Nach der 11. Prüfung war der erste Tag beendet und Stohl an der 5. Stelle, weil auch schon beide Peugeot-Piloten Grönholm und Carlsson ausgefallen waren. Beim Service in Perth bekam Stohl wieder Besuch vom Mann mit dem Laptop und auch die Reifen des ausgefallenen Loeb.
Prompt verbesserte sich Manfred tags darauf auf den vierten Gesamtrang und nach einem beinharten Duell mit dem australischen Werkspiloten Chris Atkinson, der hier praktisch zu Hause ist, beendeten Stohl/Minor die Saison mit einem weiteren Podestplatz auf Rang Drei! In der Fahrer-Weltmeisterschaftswertung gab es zwar den Sprung auf Platz Neun – zu wenig für Stohl, man hatte sich mit einem Werksauto von Citroen mehr erwartet.
Noch Ende 2005 gab es sehr gute Verhandlungsgespräche des Hauptsponsors OMV mit dem französischem Team BOZIAN – der Wechsel von Citroen zu Peugeot wurde perfekt gemacht. Und in meinem letzten Jahr als Sportredakteur beim ORF erlebte ich auch das erfolgreichste Jahr in der langen Karriere des nunmehr 33-jährigen Manfred Stohl der sich auch im Peugeot 307 WRC auf seine Co-Pilotin stets verlassen konnte. Ilka Minor hatte ihr Freizeithobby intensiviert, mehr dann wie immer in der kommenden Woche!