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Erinnerungen eines Sportreporters: Co-Pilot, ein Leben lang
Fotos: Walter Blieberger privat

Co-Pilot, ein Leben lang

Peter Klein widmet seine dieswöchige Kolumne dem Thema "Co-Piloten" und hat sich mit Walter Blieberger einen ganz besonderen Freund und Wegbegleiter herausgepickt.

Peter Klein für den Motorline Paddock Corner

Im Verlauf von 28 Jahren Rallye-Fernsehberichterstattung habe ich die verschiedensten Charaktere und liebenswerte Menschen kennen gelernt. Aber auch Schmarotzer und Wichtigmacher, kleine und große Helden, Freunde, die für ihre Fahrer buchstäblich durchs Feuer gingen. Co-Piloten, die gegen Bargeld professionell ihren Job machten und solche, die kostenlos ihre Freizeit zur Verfügung stellten und deren Einsatz oft unbedankt, oder auch selbstverständlich hingenommen wurde.

Waren es am Beginn Namen wie Pattermann, Dr. Nestinger oder Michael Weinzierl, später dann die viel zu früh verstorbenen Ferdl Hinterleitner, Peter Diekmann, Jutta Gebert oder Susanne Smrzka bis hin zu Peter Müller, Heike Feichtinger oder Sigi Schwarz um nur einige zu nennen. Alles wahre Persönlichkeiten die allerdings von einer hübschen Kärntnerin ein wenig in den Schatten gedrängt wurden: Ilka Petrasko-Minor, für mich die absolute Nummer Eins mit dem Prädikat Weltklasse. Und dennoch habe ich einen ganz persönlichen Co-Piloten in meinem Leben: Walter Blieberger, genannt „da Blie“.

Es war mein erster WM-Lauf für die Sendung „Sport am Montag“ und es war in Griechenland. Sechs österreichische Besatzungen am Start zur 27. Akropolisrallye und zwischen dem Hotel Perla in Glyfada (hier entstand 20 Jahre später das Segelrevier für die olympischen Spiele 2004 in Athen) und der Ferienanlage in Lagonisi am Saronischen Golf war der heimische Dialekt häufig zu hören.

Oft auch gemischt mit z.B. burgenländischer Diktion von Stohls Co-Pilot Mödlhammer: „I geh jetzd zum Deich obe“ (zu Deutsch: Ich gehe zum Meer) oder auch kerniger Wiener Ausdrucksweise, wenn der Mechaniker bei 36 Grad unter dem Rallyeauto schuftete: „I sch… jezd drauf“ (seinen Unwillen bekunden). Es war ein seltsames Wirrwarr zwischen dem steirischen Dialekt eines Dr. Kurt Nestinger, wenn er Wittmanns Gebetsbuch vorlas, oder Georg Fischers nonchalantes Schönbrunner-Deutsch, wenn er die Gegnerschaft vornehm analysierte.

Und dann gab es noch einen aus Niederösterreich, der erfolgreich gegen Körpergröße angekämpft hatte: Walter Blieberger, Co-Pilot bei Fritz Heisler im Ford Escort. Etwa 1,65 Meter hoch mit sehr rauer Ausdrucksweise. „da Blie“, wie ihn fast alle nannten, sichtlich Persönlichkeit genug, weil er allgegenwärtig Anerkennung fand. „Wo kummstn Du hea?“, wollte er von mir wissen und ich sagte, „seit zwei Monaten lebe ich in Bad Vöslau!“ Er runzelte überrascht die Stirn: „und wiso ken i di daun ned? i leb seit dreissg Joa duat!“ Ich sah keinen Grund mich deshalb zu entschuldigen und wollte von ihm ein Interview.

„Wos, fias Feansegn? Sowos hob i no nia gmocht“, stammelte er plötzlich nervös. Mir tat der kleine Mann, der sichtlich ein großes Kämpferherz hatte, ein wenig leid und ich erbarmte mich. „Wir machen jetzt eines zur Probe und dann vor laufender Kamera“, sagte ich und gab meinen beiden Kameramännern ein verstecktes Zeichen mit drehendem Zeigefinger. Das Interview war kurz und bündig, Herr Blieberger antwortete auf meine Fragen wie ihm der Schnabel gewachsen war und ich bedankte mich für das Gespräch.

„I hob ma denkt, du wüst a Intavju mid mia?“ wollte er verdattert wissen und ich sagte nur verschmitzt: „Danke, das haben wir soeben gemacht!“ Darauf er: „I glaub, Du bist a foischa Hund“, und nickte anerkennend. Es war der Beginn einer wunderbaren Freundschaft. Der Co-Pilot aus Bad Vöslau war als solcher sehr beliebt, er hatte keine Scheu auch bei Anfängern ins Auto zu steigen und seine Chauffeure hatten klingende Namen: Johannes Husar Anfang der 70er Jahre, dann der legendäre Vic Dietmayer, die „Osterer-Brüder“, Fritz Heisler, Rudi Stohl, Hans Rehrl, Hubert Katzian, Georg Fischer, Willi Stengg sen. und Herbert Grünsteidl, dem er im Ford Fiesta bei einer zumindest sechsfachen Rolle im Waldviertel, zur Seite saß…

Nach der Akropolisrallye 1980 trafen wir einander dann natürlich in unserem Heimatort Bad Vöslau. Walter machte mit mir spezielle Führungen durch alle Heurigenlokale im Umkreis von zehn Kilometern und lehrte mich, Zweigelt pur zu konsumieren. Ich möchte ausdrücklich betonen, dass mir zu diesem Zeitpunkt purer Wein fremd war, aber Gelegenheit macht… Ich lernte seine Verlässlichkeit zu schätzen, seine Handschlagqualität und seine Kunst zur Improvisation. Bei seinem Lieblingsheurigen in Sooß war der damalige Hausherr ein Fan des „Blie“, der gelernter Tischler war und auch schon Mal diverse Reparaturen in den verschiedensten Lokalen vorgenommen hatte.

Blieberger war und ist stets ein „Hans Dampf in allen Gassen“, ein Meister im Organisieren. Er half bei seinem Lieblingsheurigen aus, machte bei den Gästen kostenlos die Honneurs und wurde vom Heurigenchef taxfrei zum „Prokuristen“ ernannt. Kam denn ein Gast ohne vorheriger Reservierung frug er nicht die Kellnerin nach einem Tisch, sondern nach dem „Herrn Prokuristen“ und Walter erledigte alles zu aller Zufriedenheit. Mit diesen Erkenntnissen wurde mir klar, der Mann ist gut, versteht auch noch den Rallyesport - den hole ich mir.

„Walter, Du kannst zwar bei mir nichts verdienen, aber Du lernst die Welt kennen wenn Du mit meinem zweiten Kameramann fährst und aufpasst, dass er erstens pünktlich dort steht, wo ich ihn einteile und vor allem dort, wo ihm nichts passieren kann. Flug, Hotel und Essen wird übernommen, Du hast keine Kosten“, lockte ich ihn. Und so zog „da Blie“, der auch heute noch kein Wort Englisch spricht, mehr als 20 Jahre mit mir um die Welt, brachte den jeweiligen Kameramann stets pünktlich zum Drehort und auch immer heil wieder zurück.

Unsere Freundschaft vertiefte sich 1987 nach einem schweren Unfall, aber davon erzähle ich Euch kommenden Montag.

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