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Erinnerungen eines Sportreporters: Wenn der Winter nicht mehr weit ist
Privat

Wenn der Winter nicht mehr weit ist

Es war wieder einmal Zeit für einen "Achterlabend", gut besucht nicht nur durch Peter Klein, sondern auch so manch "Altspatzen" der österreichischen Rallyeszene. Klar, dass es danach wieder viel zu erzählen gibt ...

Peter Klein für den Motorline Paddock Corner

Eigentlich wollte ich eines von Daniel Fessl's Actionbilder am Beginn meiner heutigen Erinnerungen setzen und da gibt es ja einige in prachtvollen Farben im Spätherbst, ein solches kommt aber erst später. Doch dann habe ich zufällig dieses gefunden und möchte es, mit seiner freundlichen Erlaubnis, gerne hier auf motorline.cc präsentieren. Es erinnert mich an die Landschaftsbilder von Paul Cezanne und ich finde, Daniels Drachenwand hätte auch der gute Paul in Aix-en-Province nicht schöner malen können.

Und eigentlich gingen meine letzten Erinnerungen zurück in die 80er Jahre, ich wollte mich endlich dem Kapitel „Baumschlager" widmen – ist er doch dieser Tage erst 63 Jahre jung geworden – und auch diverse Rallye-Ergebnisse vergleichen. Aber dann kam, nach der langen Sommerpause, der wieder eingeführte „Achterlabend“ – diesmal im romantischen Irenental nahe Purkersdorf. Dort, wo Rudi Wallner samt Gattin zu Hause ist, das sind jene braven Leute, die gemeinsam mit dem „Kellner Hans" vor mehr als 41 Jahren die legendäre „Semperitrallye“ in kürzester Zeit wiederbelebt hatten.

Einer der Ersten, dem ich die Hand an jenem Mittwochabend schüttelte, war der aus Salzburg angereiste Jörg Pattermann. „Wie geht es dir?" wollte ich wissen, als auch schon sein langjähriger Chauffeur Franz Wittmann eingetroffen war. Es erstaunt mich immer wieder, wie viele „Altspatzen" oft hunderte Kilometer in Angriff nehmen, um alle drei bis vier Monate an solchen Achterlabenden teilzunehmen. Natürlich war auch Rudi Stohl gekommen, sein ehemaliger Co-Pilot und toller Mechaniker Ernst Rohringer war zum ersten Mal dabei. Kurt Göttlicher, ex-Staatsmeister Christoph Dirtl, Gabi Husar, Achim Mörtl mit Gattin aus Kärnten kommend und der "Vater aller Co-Piloten", der wieder genesene Harald Gottlieb, um nur einige zu nennen.

Als seltener Gast war auch der ehemalige Purkersdorfer Gastronom Robert Strobl ins nahe Irenental gekommen, der einst Sewi Hopfer im Renault 5 Turbo den Weg gewiesen hatte. Natürlich durfte auch der Meister des bewegten Rallyebildes Helmut Deimel nicht fehlen, die Ikone der Pressefotografie, Professor Kristian Bissuti und Armin Holenia, der wie gewohnt launig durchs Programm führte. „Also wie geht es Dir jetzt im Ruhestand?" wollte ich von Jörg Pattermann wissen? „Wenn ich daran denke, dass ich noch vor ein paar Jahren um diese Zeit arg im Stress war, die Leute oft unangemeldet in die Werkstatt kamen, um auf Winterreifen umzusteigen, da musste ich oft genug aushelfen. Sogar in den Salzburger Nachrichten gab es fast im Jahresrhythmus darüber Berichte.

Bald darauf begann eine recht hitzige Diskussion über die Neuerungen der österreichischen Rallyemeisterschaft 2023, über nur noch sechs Veranstaltungen und wer sich tatsächlich für den neuen Modus ausgesprochen hat. In Anbetracht der internationalen Gegebenheiten eine Junioren-ÖM bis 25 Jahren auszutragen wurde weniger goutiert, ist doch das Durchschnittsalter der WM-Teilnehmer arg gesunken. Ein Elfyn Evans z. B. war schon im Alter von 23 Jahren ständig unter den ersten Sechs bei einem WM-Lauf, gleiches gilt für Ott Tänak, Neuville mit 23 Jahren permanent auf dem Podest, Oliver Solberg startete mit 16 Jahren zu seiner ersten Rallye, fuhr mit 17 den ersten WM-Lauf und Kalle Rovanperä begann in Litauen mit 14 Jahren und ist nun mit 22 Rallyeweltmeister!

Heftigen Widerspruch gab es vor allem gegen die sogenannte Ü-50 Wertung: „Wer ist denn auf die Idee gekommen? Wenn ich fahre, will ich gewinnen und nicht in der Behindertenklasse einen Pokal holen" war laut zu vernehmen. Unter den ehemaligen Top-Piloten herrschte Einigkeit, Franz Wittmann etwa: „I fahr um den Gesamt- nicht um irgendeinen Klassensieg!" Gabi Husar meinte „Super, aber wer gibt mir einen Porsche und zahlt die Einsätze?“. Achim Mörtl würde seine Gegner in Neubauer, oder Wagner sehen, nicht in einer WRC2 Master-Klasse. Und Rudi Stohl erklärt es auf seine Art: „I tät glatt den Audi aus der Garage hoin, oba in dera Klass foan nua a Handvoi Gstopfte! Es hot nua in Italien mehr ois 10 Teilnehmer gebn, in Neuseeland oder Estonia war gar nur ana am Start, ka Finne, ka Schwede üba 50 foart do mit und i frog mi, wer tät des zoin?"

Das fragten sich eigentlich alle, denn ohne Auto, also wenn man ein RC2 Rallyeauto mieten müsste (wer hat auch heute schon einen Skoda, Hyundai oder Ford Fiesta Rally 2 vor seiner Türe) kostet eine ÖM zumindest 200.000,- Euro ...

Jörg hatte zu diesem Thema eine ähnliche Meinung: „Wenn Du dir die paar Teilnehmer in der WM anschaust, viele davon sind ja schon über 60 Jahre alt, dann sind das vor allem Menschen, die sich das Rallyefahren selbst finanzieren können.“ Da erinnerte ich ihn an das Jahr 1990, als er einen doch recht begüterten Chauffeur hatte: Ernst Harrach, den „Graf aus Bruck an der Leitha". Und schon kam die Entgegnung von Pattermann: „Der Ernst hatte sehr wohl gute Sponsoren, Castrol, Toshiba, Bosch und natürlich den Generalimporteur selbst und seine Ergebnisse konnten sich tatsächlich sehen lassen. Am Ende des Jahres holten wir den österreichischen Meistertitel- und der Ernst war wirklich ein sehr guter Rallyepilot und auch privat ein angenehmer Mensch.“

Ich dachte nach, erinnerte mich an die ständigen Zweikämpfe in diesem Jahr mit Georg Fischer und an das packende Duell der beiden bei den Gutterniggs in Admont. Ich kontaktierte Ernst, der seit längerer Zeit in Spanien lebt und wollte wissen, woran er sich an die Zeit mit dem Jörg als Co-Pilot erinnern konnte? „Der Jörg, der war schon fast ein Garant für den Meistertitel! So perfekt vorbereitet, professionell und bestimmt. Wir hatten für die Semperitrallye trainiert, waren gut in der Zeit, nur ich war ein wenig stressig. Da gab es in einer Ortschaft im Waldviertel ein Konzert mit einem gewissen „Ostbahnkurti“ den ich gar nicht kannte - bin eher klassisch orientiert. Jörg wollte mich ablenken, besorgte Eintrittskarten und da standen wir in einem verrauchten Saal mit 150 Fans, die alle mitsangen und textsicher waren, ein Lied über die „Arbeit“ oder so - hat uns aber beiden gut gefallen. Völlig entspannt fuhren wir dann in Waidhofen auf Rang Zwei hinter Sepp Haider und wurden Staatsmeister. Später ist der Kurt Ostbahn ja richtig berühmt geworden und ich bin mit dem Lancia noch weitere zehn Jahre gefahren.“

„Der Graf, lieber Jörg, war Dein zweiter Fahrer, der mit knapp 40 Jahren noch Staatsmeister werden konnte und im Jahr darauf gab es eine weitere Saison in einem Lancia. Allerdings mit weit jüngerem Fahrer!“ Und ich schaute über einige Tische und sah schräg von mir Christoph Dirtl im Gespräch mit Gabi Husar. Da schmunzelte Jörg und blickte auch hinüber - der Christoph war noch nicht 28 Jahre als auch er den Titel holte. Ein Riesentalent, der schon in den Jahren zuvor zweimal die seriennahe Gruppe N gewinnen konnte, aber auch ein lebenslustiger Mensch, für den das Rallyefahren eher ein schönes Hobby war. Schon die EXPO Rallye, die vorrangig in Ungarn gefahren wurde, konnte er deutlich gewinnen. Die Saturnus vor dem Kurt (Göttlicher) und Sewi Hopfer, beide im Cosworth. Wir hatten in diesem Jahr sechs Podestplätze und nur einen Ausfall und bei der Semperitrallye reichte ihm Rang Zwei – den fuhr er aber sicher nach Hause.“

Ich schlenderte hinüber zu Christoph und wollte wissen, wie war das so 1991 mit Pattermann als Co-Pilot. „Das war das Beste, das mir passieren konnte. Der Jörg hatte alles im Griff, mich, das Team, einfach alles und ich denke, nur mit ihm konnte ich Staatsmeister werden. Danach fuhr ich zwar noch eine Handvoll Rallyes und hatte dabei zwei schwere Unfälle, aber eigentlich war mit dem Titelgewinn meine Rallyekarriere auch schon zu Ende.“ Christoph Dirtl; also erst Pattermann fünfter Chauffeur - aber schon dritter Staatsmeister. Heute interessiert ihn der Rallyesport zwar nach wie vor, aber seine Nummer Eins ist jetzt der Golfsport – und das mit Handicap 12,9!

Fast hätte es im Leben des Jörg Pattermann einen weiteren, jungen Staatsmeister gegeben, nämlich Willi Stengg, mit dem es 1996 leider nur den Vize-Meistertitel gab. Und so erzählte Jörg: „Wir hatten in Österreich immer wieder große Talente, auch der Willi war ein Siegertyp, nur manchmal war er aber auch ein richtiger Pechvogel. Da begann er mit Rang Zwei und Michael Moser als Co-Pilot bei der Bosch-Rallye. Ich hatte geschäftlich viel zu tun und konnte nur vier Rallyes mit ihm fahren. Die Saturnus-Rallye haben wir dann gemeinsam vor Raphael Sperrer gewonnen und mit Michi Moser wurde er bei der Ring-Rallye wieder Zweiter hinter Raphael. Bei der Krappfeld haben wieder wir gemeinsam vor Raphael gewonnen und lagen in der Meisterschaft voran. In Admont fuhr Willi mit Moser und wurde wieder Zweiter hinter Ralph, es war über das ganze Jahr ein beinharter Zweikampf und als es im Waldviertel um alles ging,- ein technischer Ausfall. Aber Gott sei Dank hatte er schon im Jahr zuvor mit Moser seinen Meistertitel geholt - und den hatte er sich wirklich mehr als verdient!“

Damit sind meine Erinnerungen an den Jörg aus Salzburg fast beendet - über seine weiteren Jahre mit dem Franz und tollen Erlebnissen erzähle ich euch ein anderes Mal. Ich aber werde mich wieder ins Auto setzen und nach Kärnten fahren, denn für die Vorweihnachtszeit muss ich euch noch einmal von Achim Mörtl berichten. Über seine Erlebnisse mit Sigi Schwarz am Beifahrersitz, an die ich mich nur zu gerne erinnere, über seine Schicksalsschläge, die sein Leben verändert haben - und wie er trotzdem immer wieder auf die Beine kam …

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