Erinnerungen eines Sportreporters: Stig und die Stallorder | 04.08.2020
Stig und die Stallorder
Während Rudi Stohl Lada fuhr und nebenbei einen Audi 80 quattro mit Rolf Schmidt aufbaute, sah sich Stig Blomquist in Argentinien mit einer Stallorder konfrontiert.
Nach dem vermurksten Einstandsjahr 1981, in dem Franz Wittmann Audi bei der Weltpremiere soviel versprochen hatte, welches andere dann nicht halten konnten, nach dem gleichfalls nicht berauschenden Jahr 1982, sollte 83 für Audi unbedingt ein Titel her. Die Markenwertung war und ist für Hersteller natürlich von besonderer Wichtigkeit doch auf Grund der Fahrzeugüberlegenheit sollte auch der Fahrer-Weltmeistertitel für einen Audi-Werkspiloten endlich geholt werden. Der Finne Hannu Mikkola war die logische Nummer Eins im Team und die schöne Michelle Mouton bei Gott nicht nur weiblicher Aufputz, aber eben die Nummer Zwei.
Franz Wittmann hatte die Saison erneut mit einem Sieg bei der Jänner-Rallye eröffnet – diesmal mit schlappen siebeneinhalb Minuten Vorsprung – und bekam erneut keine Chance auf Eis und Schnee sein Können bei einem WM-Lauf zu zeigen. Man setzte in Ingolstadt lieber auf Mikkola, Blomquist und Mouton, die aber schon in der 11. Sonderprüfung den Quattro von der Straße schickte. Und Röhrl bewies einmal mehr, dass die „Monte“ zu seinen Lieblingen zählte und lehrte die Nachfolgenden, wie man wirklich Rallyes fährt. Im Ziel folgte Lancia-Markenkollege Alen mit knapp sieben Minuten Rückstand auf Rang Zwei, dahinter Blomquist mit dem A1 auf Rang Drei.
Mikkola mit 14 Minuten Rückstand auf den Sieger verstand die Welt nicht mehr und in Schweden dann sicherlich auch nicht Blomquist. Er bekam, damals noch schlanke 36 Jahre jung, in seiner Heimat keinen Platz im Audi-Werksteam… Lancia verzichtete dankend auf einen Start in Karlstad und so holte sich Mikkola als Topfavorit den Sieg vor Blomquist der einen Gruppe B Audi 80 an den Start gebracht hatte und im Ziel nur 47 Sekunden zurück lag. In Portugal wollte man dann doch wieder Stig im Team, jedoch das Getriebe im Audi wollte nach 26 Sonderprüfungen nicht mehr. Als wäre dies des Schweden Schuld gewesen, gab es prompt kein Auto für Blomquist bei der Safari, man setzte lieber den Einheimischen Vic Preston in den Audi, den dieser prompt in der afrikanischen Savanne zu Putzfetzen verarbeitete.
Stohl: Kein Sponsor aber Quattro!
Stohl war gar nicht erst am Start und das hatte folgenden Grund: Dem schlauen Rudolf war die Allradtechnologie natürlich längst ins Auge gestochen, doch die Vernunft ließ ihn schon zu Beginn 1982 wissen: einen Gruppe B Audi Quattro kann ich mir nicht leisten. Im gleichen Jahr war Jürgen Bertl schon in Diensten von Audi Ingolstadt und als Beobachter in Kenia für das Erstauftreten der Quattros 1983. Er bewunderte den Einsatz der österreichischen Truppe und half selbst an diversen Servicepunkten. Er war es auch, der bei der Beschaffung einer Audi-Karosserie half und so wurde, unter der Aufsicht des begnadeten Meisters Rolf Schmidt ein Gruppe A Audi 80 Quattro aufgebaut.
Es gab zwar (noch) keinen Sponsor, also fuhr Stohl weiter seine Lada immer unter der Mithilfe seines Arbeitsgebers „ÖAF Gräf&Stift“, vor allem aber auch Dank der sogenannten „kleinen Sponsoren“ wie Castrol, Hella, Semperit usw. die ihm stets zur Seite standen. Und er dankte es auch 1983 mit tollen Ergebnissen und Medienpräsenz: starker 12. Platz mit 140 PS bei der Akropolisrallye noch vor etlichen Werkspiloten wie Warmbold, Toivonen und allen Wartburgs, 9. in Admont und noch einmal 12. bei der Semperit.
Aber noch ehe diese Rallyes gefahren waren, klopfte eine Europameister an Stohls Türe. Franz Wurz, 1982 mit Audi Rallyecross-Europameister geworden, hatte eine Idee: „Du host a Auto, i hob ein Sponsor, foa ma a Rallye, am bestn an WM-Lauf!“ Kurz darauf klingelte mein Telefon und es gab wieder einmal eine Besprechung in Wien Donaustadt. Der Rallyekalender wurde zur Hand genommen, das Budget kalkuliert, die Angebote der Veranstalter waren nicht so toll, Korsika zu nah und auf Asphalt, Neuseeland zu weit, Finnland, na ja und plötzlich der Gedanke an Argentinien.
Der Veranstalter versprach Tickets und Übergepäck in der Aerolinas Argentinas, Audi hatte schon genannt, vielleicht könnte man ja mitpartizipieren… Ein Anruf bei Rolf Schmidt nach dem Befinden des Audi 80 – man könnte in der Gruppe A eine Weltpremiere fahren! „Des Kastl is fertig, die Elektronik mocht da Schuller, host scho an Murl?“ wollte Schmidt wissen. Aufbruchstimmung in der Donaustadt – saure Gurkenzeit Mitte August im „Sport am Montag“ – Sendezeit garantiert, aber ein Hinweis aus der Redaktion: in Argentinien herrscht Militärdiktatur!
Egal, wir flogen Ende Juli von Wien via Frankfurt – Madrid – Rio de Janeiro nach Buenos Aires, fassten einen Renault als Leihwagen aus und machten uns auf den Weg mehr als 1.250 Sonderprüfungskilometer zu erkunden. Zwar war bekannt, dass im europäischen Sommer im Argentinien Winterzeit herrscht, dass uns aber tatsächlich Schneefahrbahn erwarten würde, hätten wir nie gedacht.
Tag und Nacht zu den Anden
Die erste Etappe inklusive „Gebetsbuch“ schreiben schafften wir in zwei Tagen. Buenos Aires – San Carlos de Bariloche ist eine Strecke von knapp 1.600 Kilometern, davon rund 460 km Sonderprüfungen. Bariloche liegt am Fuße der Anden auf rund 900 Meter Seehöhe am wunderschönen See Nahuel Huapi. Dort trafen wir auf liebe alte Bekannte aus der Audi-Servicecrew und erfuhren auch, dass Hannu Mikkola nicht nur diese Rallye unbedingt gewinnen, sondern auch Weltmeister werden sollte.
Nun war mir klar, dass Audi hier auf Schotter und Schnee der klare Favorit ist, aber was ist mit den anderen Vier? Mit Blomquist, Mouton, Shekhar Mehta und Luis di Palma, wollte ich wissen! Die müssten dann Platz machen war das Echo, wobei man eher Blomquist favorisierte. Das war doch ein arger Dämpfer in meinem kindlichen Glauben an das Gute. Beim Abendessen wurde der nächste Tag besprochen, wann denn der 80er Quattro käme und wann die Servicecrew? „Da Audi kummt übamurgn mit`n Fliga und da Schmidi soillt scho untawegs sei“, berichtete Rudi Stohl.
Tatsächlich hatte sich Rolf Schmidt schon auf den Weg gemacht, vorerst mit der Bahn und das hatte seinen Grund! Aerolinas Argentinas hatte Verständnis für Übergepäck ab Zürich, nicht aber die AUA für den Flug Wien – Zürich und die Sache wäre sehr teuer geworden... Also fuhr der gute Rolf vorerst mit der Bahn von Wien nach Zürich und enterte dort den Flughafen mit 85 Kilo Übergepäck. Über das Einchecken, die Verzweiflung beim Bodenpersonal und die folgende Rallye selbst erzähle ich Euch im nächsten Beitrag.