RALLYE

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Erinnerungen eines Sportreporters
Fotos: Hollie McRae, Motorsport Images, Peter Klein privat

Colins Daughter

Am 22. November 2025 gab Colin McRaes Tochter ihr Rallye-Debüt - motorline-Kolumnist Peter Klein erinnert sich gerne zurück an die McRaes…

Peter Klein für den Motorline Paddock Corner

Ich sehe regelmäßig die ZiB im ORF. Um mich zu informieren, wie es denn so steht um die Welt. Ab und zu wähle ich aber auch den britischen Sender BBC, oder auch Amerikas CNN, aber am letzten Freitag war es der britische Sender und nach einer Weile hörte ich eher ein wenig gelangweilt die Sportnachrichten als am Ende ein Name fiel, der mich förmlich elektrisierte: McRae!

Ich blickte auf und sah das Bild einer hübschen Blondine eingeblendet. Was war geschehen? Ich wusste, dass Colin nach seinem tödlichen Hubschrauberabsturz, bei dem auch sein Sohn ums Leben kam, seine Frau und eine Tochter zurückgelassen hatte. Ich wollte unbedingt wissen, was es mit dieser Meldung auf sich hatte und Firefox sollte mir Auskunft geben.

Ich erfuhr, dass seine Tochter Hollie hieß und auch, dass sie fast am gleichen Tag ihr Rallyedebüt geben wollte, wie ihr Vater 30 Jahre zuvor! Im November 1985 gab der damals noch 17-jährige Colin McRae sein Debüt bei den Kames Stages und wurde gleich 17. der Gesamtwertung.
Es ist sicher ein wenig weit hergeholt heute, wegen Colin McRae`s Tochter meine Erinnerungen zu erzählen. Und doch sind die „McRaes“ seit mehr als 40 Jahren ein fixer Bestandteil meiner Gedanken.
 
Es war 1982 unmittelbar nach der Jännerrallye im Raum Freistadt, Rudi Stohl war mit seiner Lada hinter Wittmann, Fischer und Kalnay Vierter geworden, als mich der Teufel ritt. Was bedeutet es eigentlich, Rallye zu fahren? Was geht da im Auto ab? Du stehst am Start, vor Dir steht einer von der Zeitmessung und hält dir die Hand vors Gesicht, noch 5 -4 -3 -2 -noch eine Sekunde und ab geht’s im Höllentempo.

Welche Emotionen werden wach? Kommt es auch im Winter zu Schweißausbrüchen? Wie anstrengend ist rallyefahren und was bewirkt ein Ausfall, ein Überschlag, eine Zieldurchfahrt? Damals habe ich seit nunmehr vier Jahren von Rallyes berichtet und wollte endlich wissen, wie es im Auto wirklich zugeht. Ich wollte wissen, worüber ich berichte!

Ich fuhr privat eine Lada wie Stohl, aber eben mit 70 PS und kam mir manchmal selbst wie ein Held der Landstraße vor, wenn ich durch die Kurven des Helenentales flitzte. Aber rallyefahren, echt eine richtige Rallye? Also tat ich das Naheliegendste und sagte zu Rudolf Stohl: „Rudi, was kostet es mich, mit einer deiner Ladas eine Rallye zu fahren?“ Rudi blickte ein wenig nachdenklich um schließlich zu meinen: „Wos wüst übahaupt foan und wo?“ Ich wollte auf keinen Fall in Österreich fahren, zu groß war die Angst vor einer durchaus möglichen Blamage und ich sah in Gedanken schon Zeitungsmeldungen wie: „ORF-Reporter fährt nur einen Kilometer Rallye bis zum Überschlag!“ oder „ORF Reporter wird bei der XY-Rallye zur Belästigung nachfolgender Teilnehmer!“.

„Schoda oda Asphalt?“, wollte Rudi wissen. Lieber war mir natürlich Schotter - zu gut hatte ich die Bilder von Rallyegrößen wie Waldegard, Röhrl, Salonen oder auch Mikkola in Erinnerung. „Schotter, Rudi. Was gibt es da im Ausland wo mich keine Sau kennt?“, wollte ich wissen. Rudi überlegte kurz und meinte dann: „Foast hoit die Halkidiki Rallye, des is a EM-Lauf , Koeffizient 20, is zwoa ka Akropolis oba a gaunz schee…“

Ich jubelte laut ohne zu wissen, worauf ich mich da gerade einlassen wollte. „Kriagst a Lada und zwa Mechanika de da des Auto noch Porto Carras bringen und des Service foan! Wos des kost kaun i da no ned sogn, oba mid 20 Tausenda muasst scho rechna! De Rallye is im Summa, do kaunst dan Urlaub a glei mochn.“

Mir sagte EM und Koeffizient 20 doch einiges, hatte aber meinen Co-Piloten schon in meinen Gedanken: Walter Blieberger, der sich ja in Griechenland auskannte. „Bist du deppat“, sagte er - und wollte wissen: „Wast Du, wos durtn fia Leit foarn?“

Ich hatte keine Ahnung, aber es war mir auch egal, ich wollte endlich mal das Feeling erleben, dieses „am Start stehen und das Gaspedal melken“. Schließlich war ich ja, wie alle Männer glauben, nicht nur ein blendender Liebhaber, sondern auch ein großartiger Autofahrer…!

Ich fuhr also zum OEAMTC um eine Lizenz zu lösen, Rudi präparierte eine Lada mit etwa 120 PS und auch die Mechaniker waren mir wohl bekannt.

Die Nennung wurde abgegeben, zwei Wochen später sah ich erstmals die Nennliste – und mir wurde kotzübel. Nicht nur die Creme de la Creme Griechenlands hatte genannt, auch Namen wie Italiens „Tony“ und Andrea Zanussi im Lancia 037 waren zu lesen, die französischen Werksfahrer Beguin und Colsuil, Griechenlands Werkspiloten Iaveris und Leonidas, als Topfavorit Jimmy McRae.

Insgesamt 85 Nennungen, wenn ich mich recht erinnere. Dazu noch die österreichischen Piloten Fritz Heisler, der im gleichen Jahr beim WM-Lauf bei der Rally Akropolis Zwölfter geworden ist und der alte Routinier Rudi Brandstädter. Die Flucht aus Österreich war also sinnlos geworden, die Peinlichkeit vorprogrammiert.

„Scheiß di nix“, meinte Co-Pilot Walter Blieberger beim Heurigen in Sooss. „Du foast ned uman Sieg; mia woiln afoch ins Zü und daun segn ma weida!“

Und so fuhren wir mit dem Auto nach Porto Carras, wo uns Rudis begnadete Mechaniker bereits erwarteten. Natürlich hatten wir auch unsere weiblichen Partnerinnen im Schlepptau und ich hoffte auf Trost nach dem zu befürchtenden Desaster.

Vor dem Start lernte ich im Fahrerhotel einen gewissen McRae kennen, der diese Rallye quasi als Familienausflug sah und mit Kind und Kegel vor Ort war. Wir waren der gleiche Jahrgang und Jimmy zeigte stolz auf seine Familie: „Look Peter, these are my sons, Colin and Alister, they also want to become Rallydrivers one day.” Ich nickte artig, war aber gedanklich schon mit der Rallye beschäftigt. Das alles war Ende August 1982 und wir waren gar nicht so schlecht unterwegs. Fritz Heisler und Rudi Brandstädter fielen beide bereits in der fünften Sonderprüfung aus, doch nach der neunten SP mussten auch wir die Segel streichen - ohne Licht sieht man nächtens einfach nichts…

Ein Jahr später war ich erneut in Porto Carras am Start, wieder mit Lada, wieder mit Co-Pilot Walter Blieberger und  ich wollte einfach diese Rallye über mehr als 420 Sonderprüfungskilometer bis ins Ziel fahren. Nicht mehr, aber auch nicht weniger - und die Nennliste war noch deprimierender als im Jahr zuvor. Zanini, Shekhar Mehta, Frequelin und der junge Miki Biasion, alle mit feinster Ware, also Werksautos. Dazu noch die komplette Haute Voilee Griechenlands wie Iaveris und Leonidas - die älteren Leser wissen diese Namen zu schätzen - und natürlich auch Vorjahrssieger Jimmy McRae mit seinem Opel.

Ich traf Jimmy am Abend vor dem Start und auch einige andere wie Shekhar Mehta mit seiner Frau Yvonne, Zanussi mit seinem Co Sergio Cresto und auch der junge Biasion (damals gerade mal 25 Jahre alt ) genehmigte sich mit seinem Co Siviero einen Drink. „How are your sons?“, wollte ich von Jimmy wissen und McRae schüttelte den Kopf. „They need to study properly for school, they have too much cars on their minds.”

1983 gab es kein Happy End für McRae. Schon nach der dritten Sonderprüfung gab der Motor seines Werks-Opel Manta den Geist auf – und es folgten weitere, über 40 Ausfälle, darunter die Helden der 80er Jahre wie Biasion, Frequelin, Zanini und Moschus, Melas und Gallo, nur 38 von 81 Gestarteten kamen ins Ziel. Schon zu Halbzeit in Saloniki, nach der zwölften Sonderprüfung über mehr als 32 Kilometer war klar, auch diesmal sieht das Duo Klein/Blieberger nicht das Ziel in Porto Carras.

„Kaunst scho aufhean“, meinte ein Mechaniker, „die Hinterachse schaut aus wia a Ankerkipferl“. Doch dann dachten beide an Rudis strikten Auftrag „der Klein muass deamoi unbedingt ins Zü kuman!“. Und so wurde in kürzester Zeit die Hinterachse des Serviceautos, einem Lada Kombi ausgebaut, jene vom Rallyeauto detto und die serienmäßige vor einer staunenden Zuschauermenge in Windeseile eingebaut. Doch nun passten die Rallyefelgen nicht und so wurde ich mit den Sommerreifen des Serviceautos ausgestattet. Nach 39 Minuten war alles erledigt und wir konnten noch zeitgerecht in den Parc Ferme fahren.

Wir hatten eine eher unruhige Nacht in Ormilia, einem kleinen Nest mit großartigem Gasthaus. Vor dem schlafen gehen meinte einer der beiden Mechaniker noch lakonisch: „Waunst muagn laungsam foarst kummst vielleicht ins Zü, waunst zwa Potschn host is vorbei.“ Eine Meldung, die mich doch nachdenklich stimmte. „Mia baun des Kipferl no in die Service-Lada und schaun, wia ma zruck kumman nach Porto Carras.“
 
Noch zwölf Prüfungen am zweiten Tag, noch mehr als 210 Sonderprüfungskilometer auf übelstem Schotter mit feinen Sommerreifen von Semperit. Shekhar Mehta, den ich 1981 in Nairobi näher kennen lernen konnte, hatte den Mega-Job der beiden Mechaniker am Vorabend beobachtet und meinte am Morgen vergnügt: „Have a good trip, but take your time, otherwise we dont see us at the Hotelbar.“

Es war ein mulmiges Gefühl und auch mein Co wirkte angespannt. Ich litt wie ein Tier als mich in den folgenden elf Sonderprüfungen fast jedes Mal ein Konkurrent überholen konnte. Ich wich jedem größeren Stein, jeder Furche, jedem Felsen aus und fiel vom 18. auf den 30. Rang zurück.

Dann die letzte Prüfung, noch knapp 34 Sonderprüfungskilometer. 18 Kilometer auf Schotter, dann ein Übergang auf Asphalt bis ins Ziel. Nach knapp zehn Kilometern sah ich die Scheinwerfer im Rückspiegel und ich presste fast schon zornig heraus: „Walter wüfü haubm ma no bis zum Asphalt?“ „No zwa Kilometa. Gib Gas, jetzt is eh scho wuascht, loss kann mea vorbei!“ Beim Übergang von Schotter auf Asphalt war der Konkurrent mit seinem Ford Escort RS nur noch etwa knapp 100 Meter zurück, doch nun hatte ich schon das Messer zwischen den Zähnen – „Du überholst mich nicht auch noch!“ und ich jubelte, nunmehr auf Asphalt die Lada auf ihren Sommerreifen durch die Kehren zirkelnd, dass selbst der verwöhnte Co-Pilot jauchzte und endlich mit mir zufrieden war.

An der Hotelbar saß Shekhar Mehta mit seiner Yvonne und auch McRae war nach seinem Ausfall am Vortag noch nicht abgereist. „Well done, Peter“, meinte Jimmy und auch Yvonne nickte mir freundlich zu. Ich gab eine Runde aus, war überglücklich im Ziel und sah mich bereits als hoffnungsvolles Talent – ehe ich am nächsten Morgen schon wieder nüchtern in die Zukunft blickte. Es war das letzte Mal, dass ich beim Frühstück Jimmy McRae sah.
 
15 Jahre später war ich wie gewohnt bei der Rallye Akropolis, Manfred Stohl hatte in der Gruppe N eines seiner unzähligen Duelle mit Gustavo Trelles, als ich am Ende der ersten Etappe in Livadia erstmals mit Colin direkt ins Gespräch kam. Was heißt Gespräch, Colin war bestens gelaunt und quatschte in schottischem Englisch, dass es keine Freude war. Ich blickte etwas verzweifelt zu Nicky Grist, seinem Co-Piloten und dieser gab dankenswerter Weise den Dolmetsch – und das „very british.“

Ich erzählte von Porto Carras und seinem Vater als Colin noch fünf Jahre alt war. Doch daran konnte er sich kaum erinnern und siegte im beinharten Duell mit Auriol, Sainz, Kankkunen und ich hatte einen neuen Heroe! Ein Jahr später wechselte er mit Nicky zu Ford, siegte erneut in Griechenland und war immer für ein Interview, dann schon etwas verständlicher, zu haben. In bester Erinnerung habe ich die Safari 2002 und das nicht nur, weil es mit einem elften Rang die Abschiedsvorstellung von Rudi Stohl in Kenia war.

Nach der zweiten Etappe hatte Colin mit dem Focus schon einen satten Vorsprung auf Radstroem, Loeb mit dem Citroen mehr als 20 Minuten zurück, viele Größen wie Sainz, Grönholm, Burns, Delecour und Petter Solberg waren bereits ausgefallen. Launig erzählte mir Colin, dass er ein tolles Angebot hatte, wollte aber keine Automarke nennen. Und nicht nur wegen dem bevorstehenden Sieg war er sichtlich bester Laune. Prompt war wenige Monate später sein Wechsel zu Citroen bekannt – und das mit dem alten/neuen Co-Pilot Derek Ringer.

Ein letztes Mal kam ich mit Colin 2003 in Cardiff ins Gespräch. Manfred Stohl fuhr mit dem Peugeot 206 WRC aus dem Hause Schmidt – Colin mit dem Xsara und der Schotte wirkte nicht mehr derart fokussiert, wie man es sonst von ihm gewohnt war. Der Mann, dem kein Risiko zu hoch war, der schier unglaubliche Unfälle einfach wegstecken konnte, dem Weltmeister von 1995 waren andere Prioritäten weit wichtiger geworden. Stolz zeigte er mir ein Foto seines Sohnes John Gavin und ein weiteres mit kompletter Familie, also Gattin und Tochter. Ich hatte den Eindruck, dass sich ein ganz Großer des Rallyesports bald zurückziehen würde….
 
Vier Jahre später, am 15. September 2007 kam der 39-jährige Colin mit seinem Hubschrauber beim Landeanflug ums Leben. Mit ihm sein fünfjähriger Sohn, dessen Freund und auch Colins Jugendfreund.
 
Am 22. November 2025 gab Colins Tochter in Carlisle bei der RAC Mini Rallye ihr Debüt. Und wie es zu den Eigenschaften der McRae`s einfach gehörte, war Hollie mit einer 18. Zeit nach der ersten Sonderprüfung nicht zufrieden – und fiel in der folgenden Prüfung nach einem Überschlag mit dem Mini Cooper aus.

Hollie McRae gab den Anstoß, diese meine Erinnerungen an die McRaes niederzuschreiben. Ich werde ihre Karriere sicher weiterverfolgen, mit vielen Erinnerungen an ihren Vater….

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