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Erinnerungen eines Sportreporters: Werner - die Vögel sterben nie aus!
Privat

Werner - die Vögel sterben nie aus!

Weiter in der Karriere von Jörg Pattermann. In dieser hatte auch ein gewisser Tiroler, der von der Skipiste den Weg auf die Renn- und vor allem auch Rallyestrecken dieser Welt fand, ein wichtiges Kapitel beizutragen: Werner „Grizzly" Grissmann.

Peter Klein für den Motorline Paddock Corner

Werner Grissmann kenne ich natürlich aus dem Skizirkus und ich erinnere mich noch an einen verzweifelten Cheftrainer Karl "Charly" Kahr, der einst meinte: "Waun da Werner nua hoibat sovü Biss hätt wia da Fraunz (Anm.: Franz Klammer), warad a ned zum schlaugn“. Das war etwa Mitte der 70er Jahre und der etwas älteren Generation ist „Grizzly" Grissmann als „Zwischenzeitweltmeister“ in bester Erinnerung. Nach dem Ende seiner Skikarriere begab sich der Tiroler, wie Franz Klammer, auf die Rennstrecke und bewies auch dort sein Talent. Dass er 1990 als Weltrekordhalter mit einem Serienauto gar ins „Guinessbuch der Rekorde" kam, ist wohl nur wenigen bekannt (mit Doppler und Felbermayer sen. erreichte er im seriennahen Porsche 928 über 24 Stunden eine Durchschnittsgeschwindigkeit von knapp 268 km/h).

Davor machte er aber noch die Rallyestrecken in Österreich, Griechenland, Frankreich, Italien und Portugal unsicher, wobei nach Peter Vogel Jörg Pattermann sein Co-Pilot wurde - und das mit großem Erfolg! Was der jüngeren Generation vielleicht ebenso nicht bekannt ist: Jörg war bei vielen Werkteams gemeinsam mit Sepp Haider und in der Folge auch mit Franz Wittmann ein gefragter Mann. Im Duo waren sie als Schotter- oder Eisspione fast unschlagbar und hatten die Aufgabe, vor jeder Sonderprüfung der Profis deren Aufzeichnungen zu kontrollieren und gegebenenfalls Änderungen und auch Reifenempfehlungen abzugeben. Da hieß es immer zeitig aufzustehen, denn eine Stunde vor dem Start war das letzte private Befahren möglich. Zu den prominentesten „Kunden“ zählte Walter Röhrl, aber Pattermann war auch für Lancia, Toyota oder Peugeot im Einsatz. Am interessantesten waren die Aufzeichnungen eines Walter Röhrl, der gemeinsam mit seinem Co-Piloten Christian Geistdörfer eine höchst persönliche Diktion des „Aufschriebes" hatten.

Jede Angabe wurde kontrolliert, abgesegnet oder auch korrigiert – und selbst ein Walter Röhrl hörte auf Pattermann's Angaben und nahm auch dessen Reifenempfehlungen gerne zur Kenntnis. Für einen Mann wie Jörg eine extrem wertvolle Erfahrung, war doch der Reifenhandel sein tägliches Brot. Und was man in der Praxis lernt, ist noch immer unbezahlbar. Aber zurück zum neuen Duo Grissmann/Pattermann und der Erkenntnis von Jörg, dass sein neuer Rallyepilot kein Freund von Besichtigungsfahrten ist. Das rächte sich schon beim ersten gemeinsamen Einsatz in San Remo 1983: Ausfall in der 43. Sonderprüfung und bis dahin nie in den Top 20.

Röhrl hatte den Tiroler aber irgendwie ins Herz geschlossen, liebte seinen Wortwitz und für das Skifahren war der Regensburger ohnedies stets zu begeistern. Und so kam es, dass Grissmann für die Rallye Portugal 1985 nicht nur Röhrls Quattro des Vorjahres übernahm, sondern auch die Trainingsaufzeichnungen, um danach selbst die Besichtigungsfahrten vorzunehmen. Nachdem das Duo Grissmann/Pattermann zuvor bei der Jänner-Rallye Gesamtzweite geworden waren, hinter Wilfried Wiedner, aber vor Zitta, Haider und Georg Fischer, vertraute man in Ingolstadt auf die Fürsprache Röhrl`s und das zweifellos vorhandene Talent des ehemaligen Skistars.

In Estoril, nahe der Formel 1 Strecke, gab es die Asphaltsonderprüfungen Lagoa Azul, Peninha und Sintra. Insgesamt 22 km lang waren sie jeweils 3x zu befahren. Nach der ersten Runde, die Grissmann mit einen „passt scho" eher gelangweilt absolviert hatte, wurde die erste Schotterprüfung befahren. SP Gradil war gerade mal 6,5 km lang, als Werner den Jörg fragend ansah: “wüvü Sonderprüfungskilometer haum ma insgesaumt?" Jörg zückte das Roadbook und meinte launisch „730 Kilometer!" Grissmann stöhnte nur kurz, meinte aber dann spontan und hell erfreut: „da Schrieb vom Walter ( Röhrl) passt scho, foa ma wieda ham". Besagter „Schrieb" von Röhrl war natürlich exakt auf den Doppelweltmeister ausgelegt und nicht einfach nur umfangreich, sondern glatt einen ganzen Ordner dick.

Tatsächlich fuhr Grissmann eine fast fehlerfreie Rallye. Ich erinnere mich noch sehr gut, als in einer Servicezone Röhrl zu Grissmann kam und sagte: „Hör genau auf den Jörg, mit dem tät ich sofort fahren, wenn ich ned den Christian scho hätt ... passt dir der Schrieb?“ Und Werner nickte begeistert, lag er doch zur Halbzeit an toller 5. Stelle. Wittmann war in der 22. Prüfung wegen einem Getriebeschaden ausgefallen. Nur zwei Prüfungen später erwischte es mit Georg Fischer auch den zweiten Österreicher. Überhaupt schafften es von 92 Gestarteten nur 28 ins Ziel! Aber noch standen die „Klassiker" der Portugalrallye auf dem Programm: Fafe mit dem Sprung in eine Menschenmauer, Viseu und vor allem die mehr als 56 km lange Sonderprüfung Arganil.

Um acht Uhr früh machten wir uns auf den Weg zur berühmtesten Kuppe Portugals und mit uns gut und gerne 20.000 Menschen. Man hatte uns als TV-Team weit den Berg hinauf fahren lassen, dennoch stand ein ordentlicher Marsch an: rund drei Kilometer bergauf, samt Kamera, Stativ und Tonbandgerät. Aber dieser Drehpunkt war ein absolutes „MUSS" in der Berichterstattung – Zeitlupenaufnahmen waren Pflicht. Schon kurz nach dem Start der gut zehn Kilometer langen Prüfung standen tausende Fans, oft hautnah, an der Strecke und ich dachte mir oft, dass so mancher einen Sicherheitsdeal mit dem lieben Gott haben müsste …

Etwas außer Atem hatten wir endlich unseren Drehpunkt erreicht – und es war wie die Jahre zuvor! Die Kuppe wie eine Sprungschanze, darunter eine unübersehbare Menschenmenge, die selbst von der Polizei kaum zurückzudrängen war. Sirenen vom Vorausauto waren zu hören, auch das Auto mit der Startnummer 0 hob über die Kuppe ab, dann der Führende Timo Salonen im Peugeot und vorbildlicher Haltung, Miki Biasion im Lancia 037 eine Augenweide (der Sprung ging über 50 Meter weit als sich die Menschenmasse teilte) und dann das unüberhörbare Pfeifen des Turbos im Audi Quattro Sport. Deutsche Fahnen wurden geschwenkt, als Walter Röhrl geschmeidig über die Kuppe kam. Dann Stig Blomquist – mit Abstand zu Röhrl, aber mit Brachialgewalt und Getöse – er landete der Quattro ein wenig schwankend, aber doch sehr sicher.

Dahinter Werner Grissmann im älteren Model, dem Quattro A2 und schon kurz nach dem Start hatte der Tiroler zu Pattermann gestöhnt: „Bischt du deppat, wüvül Leit sandn do, di stengan jo mittn auf da Stroßn !“ Und dann hörte er bald die Ansage „150 links voll über Kuppe" und Grissmann hob ab. Der Quattro stieg Richtung Himmel. Als er sich langsam wieder dem Boden näherte, sah der atemlose Grissmann die Meute unter sich und schrie auf: „Du Sau, i bin do net da Armin Kogler (Anm.: österreichischer Skispringer und Weltcupsieger). Es war wohl das erste Mal, dass Werner daran dachte, vielleicht doch mehr zu trainieren. Und Jörg lächelte verschmitzt und meinte nur: „Aber die Landung war tadellos!“

Es wurde die beste Platzierung des Werner „Grizzly" Grissmann bei einem Weltmeisterschaftslauf. In San Remo gab es noch einen achten Gesamtrang und nach Monte Carlo 1986 beendete der Rauchfangkehrermeister aus Lienz seine Rallyekarriere. Aber Jörg Pattermann konnte noch lange nicht in Pension gehen, es warteten noch die erfolgreichsten Jahre, sechs Meistertitel und 1987 das erste Jahr mit Franz Wittmann im Lancia.

Aber das ist eine andere Geschichte …

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