
Rallye-WM: Neuseeland | 11.05.2010
„Es war bei den letzten Rallyes schwierig…“
Warum es bei Henning Solberg und Ilka Minor zuletzt nicht wunschgemäß lief. Warum Latvala schneller als Hirvonen ist und Sordo zunehmend verblasst…
Michael Noir Trawniczek
Fotos: Stobart Motorsport, Photo4
Ilka, die Neuseeland-Rallye hatte es in sich – so ein spannendes Finish haben viele noch nie gesehen. Wie war das bei dir und Henning – habt ihr etwas von der Spannung mitbekommen?
Für uns war es sehr überraschend, als wir ins Ziel gekommen sind, dass am Ende noch der Jari Matti [Latvala, d. Red.] gewonnen hat - aber ich habe mich darüber irrsinnig gefreut. Er selbst hat es auch nicht gewusst, weil am letzten Tag die Splitzeiten in den Autos nicht so richtig funktioniert haben, wir hatten in den Autos keine wirklichen Informationen. Aber dieser Sieg von Jari Matti war echt gut.
Bei euch lief es weniger gut – das Ziel „Best of the Rest“ habt ihr bei den letzten Rallyes nicht erreicht.
Nein. Das schmerzt auch ein bisschen. Aber in Neuseeland hatten wir von Anfang an Probleme – mit der Hinterachse, wir hatten überhaupt keinen Grip. Wir haben es einfach nicht unter Kontrolle bekommen.
Denn das Problem bei dieser Rallye war, dass du an allen drei Tagen mittags kein normales Service hattest, sondern nur ein Remote-Service außerhalb von der Servicezone, ungefähr 150 Kilometer davon entfernt. Und in diesem Remote-Service kannst du nur Dinge verwenden, die du in deinem Auto mitführst. Da können zwar die Mechaniker an deinem Auto arbeiten, aber du kannst nicht wirklich etwas tauschen, nur was du im Auto hast – und das sind halt Stabilisatoren und ähnliches Kleinzeug.
Wir haben am Freitagabend das hintere Differenzial getauscht, weil wir dachten, es liegt daran – doch am Samstagmorgen fuhren wir raus und das Problem war immer noch da. Wir sind eben bis zum Schluss nicht drauf gekommen, was es ist. Das Heck ist andauernd gekommen.
Hatten die anderen Ford-Piloten auch dieses Problem?
Nein. Es muss irgendein Hund speziell in dem Auto gewesen sein. Die Autos sind ja von der Türkei recht spät zurückgekommen, wegen der Flugprobleme, sie waren nur zwei Tage in der Werksstatt. Es gab nur zwei Tage Revisionszeit, dann ging es wieder in den Container, in die Flugfracht. Und da dürfte irgendetwas nicht so gelaufen sein, wie es laufen hätte sollen.
Wir hatten auch ein ziemliches Spiel in der Lenkung. Das ist halt auch nicht wirklich witzig, wenn du mit 200 km/h auf eine Kurve zufährst und du weißt nicht, ob das Ding richtig einlenken wird. Da war der Henning dann halt schon sehr vorsichtig – und das macht dann nicht wirklich Spaß.
Kann ich mir vorstellen. Ein anderes Thema: Latvala hat die Rallye mit viel Glück gewonnen, doch er war auch das gesamte Wochenende schneller als Mikko Hirvonen. Ich habe mir unlängst erlaubt, in einem Kommentar zu hinterfragen, ob Hirvonen wirklich der beste Mann für das Nr. 1-Cockpit von Ford ist oder ob ein Petter Solberg eher der Aufgabe gewachsen wäre. Wie ist deine Meinung dazu?
Meine persönliche Meinung ist: Ich glaube, dass Jari Matti der schnellere ist, im Vergleich zu Mikko. Und ich glaube, dass man den Jari Matti ein bisschen forcieren sollte. Ich glaube einfach, dass Jari Matti von den zwei Finnen bei Ford der bessere Fahrer ist.
Und die Autos? Ist der C4 dem Focus überlegen?
Citroen hat gegen Ende 2009 vielleicht doch ein bisschen mehr am C4 gearbeitet, als es Ford beim Focus getan hat. Dadurch haben sie vielleicht einen kleinen Vorsprung, aber man kann das nicht wirklich einschätzen.
Meiner Meinung nach spielt der Loeb mit allen. Zum Beispiel ist er in Neuseeland am ersten Tag raus geflogen, mit 1,5 Minuten Zeitverlust – und dann fährt er am nächsten Tag um 20 Sekunden schneller als alle anderen. Diese 20 bis 25 Sekunden - das ist es, was der Loeb normalerweise schneller als der Rest fahren kann, da fährt er dann seine hundert Prozent. Und ansonsten fährt er einfach nur mit den anderen mit. Er ist halt im Moment ganz einfach der Beste. Und es gibt derzeit niemanden, der ihm wirklich das Wasser reichen kann.
Petter Solberg wird in dieser Konstellation als Citroen-Kunde einfach nicht gewinnen dürfen, oder?
Ja, er kann schon einmal vorne weg fahren – aber dann kommt sicher jemand und sagt: ‚Du pass auf, lass den Loeb vor!’
Euer Teamkollege Matthew Wilson konnte sich die letzten drei Rallyes vor euch platzieren – da sollte normalerweise der Henning Solberg schon in einer anderen Liga fahren….
Normalerweise schon – es war diesmal halt auch schlecht für unser Herz, dass wir da hintennach gefahren sind. Aber okay, da kannst du nichts machen – wenn der Hund drinnen ist, dann ist er drinnen – und dann ist er aber auch im Kopf drinnen.
Ich sage einmal: Am Ende waren es 50 Prozent das Auto und 50 Prozent waren in Hennings Kopf, sodass er einfach kein Gefühl mehr hatte. Er hat nicht gewusst: Kann ich es jetzt oder kann ich es nicht? Dann fährst du einfach hintennach und Henning ist jemand, der sehr viel mit dem Kopf macht.
Besteht da die Gefahr, dass man diese Zweifel verschleppt? In die nächste Rallye?
Nein, das glaube ich nicht.
Das heißt: Ihr bleibt bei eurem Ziel? Best of the Rest?
(lacht) Das müssen wir haben – denn sonst brauchen wir gar nicht erst zu fahren. (denkt nach)
Es ist halt leider bei den letzten Rallyes nicht so gelaufen, aber es war auch schwierig – in Jordanien mit dem Reifenschaden, in der Türkei haben wir gleich auf der ersten Prüfung den Baumstumpf getroffen, in Neuseeland der Hund im Auto – es ist bis jetzt nicht so gelaufen, wie wir uns das vorgestellt haben.
Gibt es Druck vom Sponsor? …weniger, oder?
Nein, den gibt es nicht.
Man plant ja immer sehr weit voraus – gibt es schon Pläne für 2011? Da kommen ja die S2000-Boliden...
Ja, genau – wobei S2000 heißen sie dann ja nicht mehr, denn das werden ja Autos mit 1600 Kubikzentimetern Hubraum und Turboaufladung.
Klar, die neuen World Rally Cars…
Genau. Hennings Plan ist auf jeden Fall, mit einem neuen WRC zu fahren. Aber wie weit dieser Plan fortgeschritten ist, weiß ich nicht, da bin ich auch nicht involviert. Wenn er mir etwas erzählt, dann erzählt er mir etwas - und wenn nicht, dann nicht.
Henning Solberg ist eher ein schweigsamer Typ, oder?
Schon, ja.
Aber das bist du ja gewöhnt – Manfred Stohl ist im Auto ja auch nicht der große Entertainer, arbeitet sehr konzentriert...
Genau. Und ich habe natürlich auch noch das Problem, dass ich nicht der Typ bin, der viele Fragen stellt. Das ist auch sinnlos – ich mache meinen Job und ich habe eine Freude dabei und dann denke ich mir: Wenn er mir etwas sagen will, dann wird er es tun. Ich mag auch dieses Stochern nicht – ich mag es persönlich auch nicht, wenn mich jemand durchlöchert. Deshalb tue ich es auch nicht.
Kann man sich das so vorstellen, dass in eurem Auto auf den Verbindungsetappen dann auch einfach einmal geschwiegen wird?
Hin und wieder schon. Hin und wieder haben wir einen Spaß – aber meistens schweigen wir.
Man muss ja auch nicht andauernd reden...
Genau.
Die nächste Rallye ist Portugal – wie schätzt du dort eure Chancen ein?
Ich glaube, dass dem Henning die Prüfungen in Portugal wieder besser liegen werden. Und ich hoffe, dass wir da keine Probleme mehr haben. Sie tauschen jetzt alle Teile aus, die Lenkung und die Differenziale. Wir werden auf jeden Fall wieder genauso motiviert rangehen und dann halt schauen, wie es wird. Wir hatten ja auch einige Lichtblicke, da sind wir gute Zeiten gefahren.
In der Türkei sogar eine viertschnellste Zeit.
Genau. Oder wir hatten gute Splitzeiten und dann hatten wir wieder einen Reifenschaden. Die Türkei-Rallye ist ihm eigentlich gut gelegen – aber wenn du schon in der ersten Prüfung draußen bist…
…geht ein bisschen die Motivation verloren, oder?
Genau.
Und vorn an der Spitze- was erwartest du da?
Loeb. Ogier. Solberg.
Citroen Junior Sébastien Ogier ist derzeit viel mehr präsent als Dani Sordo, der zweite Werkspilot. Sordo verblasst.
Naja, den Sordo lassen sie verblassen. Die Franzosen wollen einfach diesen zweiten Franzosen drinnen haben…
Thema Taktik. Man stempelt jetzt zwar nicht mehr falsch, um einen Piloten als ersten Wagen auf die Strecke zu bekommen - aber es wird durchaus noch vermieden, dass ein Loeb oder Hirvonen an einem Freitag oder Samstag in Führung liegt, sodass er nicht ‚Straßen fegen’ muss. Dafür hat man ja die Ogiers und die Latvalas dieser Welt, oder?
Ja., genau. Man hat auch gesehen, wie schlecht es dem Petter am zweiten Tag ging, als er als erstes Auto fahren musste. Da hat er mit den Zeiten einfach nicht mehr mithalten können. Es war auch total schwierig – und zwar auch nach der ersten vollen Runde, weil die hinteren Autos wieder eine ganz andere Linie fahren und das erste WRC dann wieder die richtige Linie ziehen muss. Es war in beiden Durchgängen total beschissen für das erste Auto. Oder eigentlich für die ersten paar Autos.
Welche Regel in punkto Startreihenfolge würdest du bevorzugen?
Ich würde es wieder so machen, wie es früher war. Die Top 15 in gestürzter Reihenfolge – da hat es nie eine Diskussion gegeben. Und jetzt wird diskutiert und Blödsinn gemacht. Wenn man es einfach so lassen hätte, wie es früher war, dann hätte heute keiner ein Problem.
Man wollte mehr Spannung erzeugen – nur hat man dank der Taktik noch weniger Spannung…
In Wirklichkeit hat man nur Ärger erzeugt.
Stimmt es, dass man beinahe keine Autos mehr hat – sowohl bei Ford als auch Citroen – weil man bereits für die Saison 2011 auf die neuen WRCs umstellt?
Nicht nur weil man schon die neuen WRCs baut, sondern weil man die alten WRCs einfach auch zeitgerecht abstoßen möchte. Denn was machst du im nächsten Jahr mit diesen Autos? Die gibt es dann einfach nicht mehr. Da werden sie nicht viele Autos behalten, wenn man sie im nächsten Jahr nicht mehr gebrauchen kann. Wir fahren mit unserem Auto auch die ganze Saison. Wir haben also nur ein Auto zur Verfügung.
Nach einem heftigen Crash hättet ihr dann kein Auto mehr?
Ich weiß nicht, ob der Henning dann noch irgendeines herzaubern könnte. Keine Ahnung – wenn wir Pech hätten, dann könnten wir nicht mehr weiterfahren.