
Ennstal-Classic 2019 | 31.07.2019
Mit Strietzel Stuck im Porsche 356 2000 GT
Wir durften bei der Ennstal-Classic mit dem nur zwei Mal gebauten Porsche 356 B 2000 GS Carrera GT mitfahren. Am Steuer saß Hans-Joachim Stuck.
mid/rubö; Fotos: Porsche
Hans-Joachim Stuck ist ein Schelm, ein Schalk, ein Lausbub. Und er hört auf Strietzel. Dass er langsam auf die 70 zugeht, merkt man ihm überhaupt nicht an. "Das macht immer noch Spaß, das hört hoffentlich nicht auf", grinst er, als er im Tunnel einen Gang runterschaltet und sich über das Brüllen der Auspuffanlage und die Fehlzündungen freut. "Man kann dieses Auto sogar fahren hören".
Man hört: Autofahren ist Hans-Joachim Stucks große Leidenschaft. Ehemaliger Formel-1-Rennfahrer, Gewinner der 24 Stunden von Le Mans, Deutscher Tourenwagen-Meister. So viele Erfolge haben nicht allzuviele deutsche Rennfahrer aufzuweisen. Seit 2011 ist er für den Volkswagen Konzern tätig. "Hans-Joachim Stuck, Konzern Kommunikation, Repräsentant Motorsport" steht auf seiner Visitenkarten. Man könnte auch sagen: Der Strietzel Stuck ist Markenbotschafter.
Und heute gilt seine Botschaft der Vergangenheit. Einer Porsche-Renn-Legende. Der 356 B 2000 GS Carrera GT ist besser unter seinem Spitznamen Dreikantschaber bekannt - wegen seiner keilförmigen Nase und dem abrupten Abbruch der Dachlinie. Der für Renneinsätze modifizierte 356er wiegt dank Alu-Leichtbauweise um 195 Kilogramm weniger als das Original. Und damit nur 820 Kilo. Das machte den GT (Baujahr 1963) pfeilschnell. 155 PS aus einem Zweiliter-Vierzylinder Boxer-Motor beschleunigen den Rennwagen auf 235 Stundenkilometer.
Anno 1963 schaffte Pilot Herbert Linge mit diesem Porsche als erster GT-Fahrer überhaupt die Nürburgring-Nordschleife in weniger als zehn Minuten. Und jetzt ist die Legende wieder auf der Straße. "Magst auch einen Polster?", fragt der Wahlösterreicher Stuck kurz vor dem Start zur Ennstal Classic in Gröbming, bei der Fahrer aus 18 Nationen antreten und deutet auf ein grünes Sitzkissen. Dankend lehne ich ab, bloß kein Schwäche zeigen, wenn man schon mit einem der größten deutschen Rennfahrer in einem Auto sitzt. Was heißt hier sitzt, man liegt mehr. Allerdings ziemlich hart. Wenn das bloß mal kein Fehler war. Das mit dem Kissen.
Mit Startnummer 128 gehen wir ins Rennen. Was heißt Rennen, hier geht es mehr ums Ankommen und dann sind da noch die ganzen Sonderprüfungen. Einen Durchschnitt von Tempo 40 halten oder auf die Sekunde über eine Ziellinie fahren. "Am besten du zählst die letzten 30 Sekunden runter, den Rest mach ich", sagt Stuck. Und tatsächlich rollen wir mit der letzten Sekunde über das Ziel. Wow, der Mann kann ja nicht nur schnell sein.
Die Legende Stuck ist herrlich unkompliziert. Er ist sofort beim Du, man tratscht, sofern es der an ein kleines Kanonenrohr erinnernde Monsterauspuff erlaubt und irgendwie hat man nach einer halben Stunde das Gefühl, sich schon lange zu kennen. Eine Schicksalsgemeinschaft, die sich mit einem nur zwei Mal gebauten Carrera unter 234 weiteren Oldtimer-Legenden von insgesamt 49 Marken behaupten will.
Tankstopp, kalte Cola, Stuck holt sich eine Tüte Gummibärchen. Dann geht es weiter durch die atemberaubende Kalkalpen-Landschaft des Gesäuses, mittlerweile sogar ein Nationalpark. Mit Krach und Karamba. Bei Stuck ist man gerne Beifahrer. Die Kurven nimmt er so exakt wie ein Chirurg das Messer vor dem entscheidenden Schnitt. "Von Dir stammt doch der Satz: Jede Kurve hat einen Lenkwinkel", frage ich. Stuck grinst und zirkelt in die nächste Rechts-Links-Kombination. Das fühlt sich gut an, das ist Studium ganz nah am Objekt. Und ja es stimmt: Rein in die Kurve, Lenken, raus aus der Kurve, Gas geben. So einfach kann Autofahren sein.
Und so vergehen die Stunden wie im sprichwörtlichen Flug. Gelegentlich machen wir eine Pause. Zum Beispiel auf dem Hauptplatz von Steyr, nachdem wir den Porsche-Berg hinuntergefahren sind. Hans-Joachim Stuck ist einfach eine Legende. Sobald er aussteigt, wird er von Fans umringt. Von Jung und Alt, von Frau und Mann. Er badet in der Menge. Hier ein Autogramm, da ein Selfie, hier ein Foto, da ein kleines Video. Stuck für Stuck kämpft sich Strietzel durch die Menge, um einen Schluck Kaffee zu kriegen, bevor es weiter geht auf dem 451 Kilometer langen Teilstück, das zu bewältigen ist.
Hier in Steyr, kurz vor dem Ensteigen, vermeldet das "Popometer" (O-Ton Stuck), dass es doch nicht mehr geht. "Steht das Angebot mit dem Polster noch", frage ich und verweise auf das malträtierte Hinterteil. Ein kurzes Grinsen, dann schiebt er sein zweites Sitzkissen herüber. Brüllend startet der Renn-Carrera wieder auf die Straßen. Porsche-Feeling pur. Und das mit einen Lenkwinkel für jede Kurve, das machen wir künftig auch so. Mit dem Ausgang des Rennens haben wir übrigens nur wenig zu tun. Was den Fahrspaß angeht, aber haben wir sicher einen Platz auf dem Podest verdient.