CLASSIC

  • Motorline auf Facebook
  • Motorline auf Twitter
Planai Classic 2008

Gespräch mit Rauno Aaltonen

Planai Classic-Stargast Rauno Aaltonen spricht über Schnell- und Gleichmäßigkeitsfahren, über Fahrzeugentwicklung und verschiedene Mentalitäten und warum es immer noch wichtig ist, ein Mensch zu bleiben.

von Michael Noir Trawniczek, Fotos: Markus Kucera

Die Planai Classic 2008 ist nicht Ihre erste Gleichmäßigkeits-Rallye...

Ich nehme seit Ende der Achtzigerjahre, Anfang der Neunzigerjahre an Gleichmäßigkeitsfahrten teil - auch hier in Gröbming. Da bin ich immer, jedes Jahr. Also entweder Ennstal Classic oder Panai Classic. Und sonst in Österreich die 1000 Minuten Rallye, das ist in Krems. Oder die Österreichische Internationale Alpenfahrt in Bad Kleinkirchheim. Diese Rallyes fahre ich hauptsächlich in Österreich.

Ist es nicht hart für einen Rennfahrer, auf Gleichmäßigkeit zu fahren?

Es ist nicht hart, aber es ist schwierig. Denn das Gleichmäßigkeitsfahren ist eine andere Sportart. Man muss zum Beispiel einen exakt genauen Abstand zum Straßenrand halten - unsere Entfernungsmessgeräte geben ansonsten eine andere Entfernung an als der Veranstalter. Weil wir ja pro Hundertstelsekunde Abweichung einen Strafpunkt bekommen. Man darf also eine Kurve nicht abkürzen - man muss exakt jene Linie fahren, die man denkt, dass der Veranstalter gewählt haben könnte. Das ist schon schwierig.

Aber Sie haben schon den Ehrgeiz, hier eine gute Platzierung zu holen, nicht wahr?

Ja, aber das ist nicht der Ehrgeiz, zu gewinnen. Es ist der Ehrgeiz, den Mann zu schlagen, den man jeden Morgen beim Rasieren im Spiegel sieht. Dass man also eine perfekte Konzentration an den Tag legt. Dass man keine Fehler macht. Dass man präzise arbeitet. Und ob es jetzt darum geht, möglichst schnell oder möglichst gleichmäßig zu fahren - beides sind Ziele. Unterschiedliche Ziele - und beides ist schwer.

Welches ist schwerer zu erreichen?

Eigentlich ist es schwieriger, wenn man richtig schnell fahren muss. Denn da geht man auch in diesen Risikobereich hinein, da gibt es dann auch unbekannte Faktoren - Glätte auf der Straße und so weiter. Da muss man trotzdem so fahren, dass man keine Unfälle baut. Das ist schon schwieriger, härter.

Hier bei der Planai Classic geht es rein um eine mentale Konzentration. Wir fahren ja nicht Tacho, sondern mit einem Drehzahlmesser. Der ist genauer als ein Tacho - da muss man nur wissen, welche Motordrehzahl in welchem Gang welcher Geschwindigkeit entspricht.

Ein fahrender Ingenieur also...

Ja, so könnte man das sagen.

Sie haben ja auch schon sehr viel in der Fahrzeugentwicklung und Abstimmung gearbeitet, Sie sind auch als Fahrinstruktor tätig...

Ja, ich habe viele Berufe. Ich bin wohl der einzige Mensch auf der Welt, der für so viele verschiedene Nationen Entwicklung betrieben hat. Ich habe für Japaner gearbeitet, dann - wenn man vom Osten nach Westen geht - kommen die Italiener, dann Deutsche, Franzosen, dann kommt England und auch Schweden.

Und jede Nation hat eine andere Einstellung. Jede Nation behandelt ein Problem anders. Und wenn ich alle Seiten gesehen und erlebt habe, dann ist es für mich natürlich einfacher. Denn ich habe die Methoden und auch die Lösungen gesehen - über vierzig Jahre hinweg.

Ich nehme einmal an, dass es mit den Japanern besonders schwierig ist, oder?

Es ist besonders schwierig wegen der Kommunikation - denn in der japanischen Sprache gibt es ja das Wort 'Nein' nicht. Wenn ich einen Vorschlag mache, dann weiß ich nie, ob sie das richtig verstanden haben. Wenn ich frage: 'Haben Sie das verstanden?' antworten sie immer 'Yes, yes' und ich habe keine Ahnung ob die das wirklich verstanden haben. Das war das größte Problem - die Verständigung.

Die Japaner haben ja auch gerade sowohl in der Formel 1 als auch in der Rallye-WM ihre Probleme - glauben Sie, dass dies mit schuld sein könnte?

Die Japaner hatten ja ab den Siebzigerjahren den Datsun 240 Z - ich habe das Auto für sie entwickelt, das war eine Arbeit über drei Jahre, das war damals dann das weltbeste Langstrecken-Rallyeauto. In den Achtzigerjahren kam dann Toyota - die waren total überlegen. Nur: Sie hatten deutsche Ingenieure, das Auto wurde in Köln gebaut. Mitte der Neunzigerjahre kam Mitsubishi - da war der Chefingenieur ein Freund von mir aus Finnland, der wohnt dreißig Kilometer von mir entfernt.

Man sieht also: Die Japaner hatten immer nur dann Erfolge, wenn sie erfahrene Europäer an Bord hatten. Das hat nichts mit Intelligenz zu tun -.da geht es um die Kommunikation. Weil die Japaner wichtige Dinge anders erfahren als es in Europa üblich ist - der Europäer redet mit seinen Freunden, der Japaner liest es in der Zeitung. Es geht um Kommunikation.

Und bei den technischen Lösungen - die Engländer wollten damals zum Beispiel nur steinharte Fahrwerke haben. Die meinten, dass Komfort und Bequemlichkeit egal sind. Ich habe damals versucht, sie zu überzeugen, ich habe gesagt: 'Nur ein Rad, dass sich bewegt, kann der Straße folgen. Ein springendes Rad kann weder bremsen, beschleunigen oder lenken!'. Aber das haben die Engländer nicht verstanden. Der Mini Cooper beispielsweise ist damals gesprungen. Der heutige Mini, der neue, ist viel weicher und bequemer.

Dann gibt es noch die elektronischen Fahrhilfen...

Die elektronischen Fahrhilfen machen es einfacher für die Ingenieure, denn das mechanische Fahrwerk als solches braucht dann nicht mehr so perfekt zu sein. Man kann die mechanischen Fehler durch ein Elektronikprogramm verbessern. Jedes System ist anders - wie bei den Schuhen: alle heißen Schuhe, doch sie sind alle anders. Und einige sind gut und andere sind schlecht. So ist das auch bei Stabilisierungssystemen. Es gibt gute und schlechte.

Aber als Fahrer...

Als sportlicher Fahrer muss man sagen, dass fast alle Systeme zu sehr zurückhalten. Man sagt in Finnland: 'Wenn man im Monat Juli ein Blatt Din A4 Papier unter die Vorderachse stellt, kann man den Motor nicht mehr starten - weil der Computer glaubt, es ist Winter und gefährlich - und da soll man ja nicht fahren.' (lacht).

Das ist natürlich nur ein Spruch - aber ist sehr oft so, besonders im Tiefschnee, dass diese Autos nicht mehr vorwärts kommen. Denn die Systeme erlauben zu wenig Schlupf. Und im Tiefschnee muss man aber einen gewissen Schlupf haben. Auf Eis hingegen darf man keinen Schlupf haben.

Und im Wettkampf - da haben Sie ja sicher auch an Fahrhilfen mitgearbeitet. Zugleich sagen viele Fahrer und auch Fans, dass diese Hilfen wegfallen sollten, manche würden am liebsten wieder nur mit Heckantrieb fahren, sodass also die Kunst des Fahrens wieder mehr in den Vordergrund rückt. Sind Sie da als Entwickler und Fahrer zwiegespalten?

Erstens: Automobilsport dient dazu, dass man technische Neuigkeiten erproben kann, dass man den Horizont erweitern kann. Da geht es um die Frage: Was könnte man verbessern, damit der normale Mensch sicherer fährt? Und das ist ein Punkt, der es eigentlich zweckmäßig macht, dass die heutigen Rallyeautos mit elektronischen Fahrhilfen ausgerüstet sind. Das ist der eine Punkt.

Ich würde aber sehr gern als Fahrer null Elektronik haben - dann wäre es pures Fahren, es wäre schwieriger, gefährlicher, aber viel interessanter. Aber diese Zeit ist vorbei, das kommt nie wieder zurück - denn dieser andere Aspekt, die Entwicklung für den normalen Autofahrer, ist eigentlich wichtiger als unser persönlicher Spaß.

In der Rallye-WM gibt es halt keine Drifts mehr zu sehen...

Die modernen Rallyeautos sind wie Formel 1-Boliden - die sind uninteressant anzuschauen. Jetzt kommt in der Formel 1 ja ein neues Reglement - wir hoffen, dass die Formel 1 dann interessanter wird.

Im Rallyesport wäre eine Reduzierung der Fahrhilfen schon auch nützlich oder?

Ja, das ist richtig. Das Problem ist halt: Jene Werke, die gute Elektroniker haben, verfügen über große Vorteile - die wollen die Elektronik natürlich nicht über Bord werfen. Und es ist ein Verein, wo die Leute gemeinsam abstimmen, was gemacht wird. Ich weiß nicht, was da kommen wird.

Ich bin der Meinung, man sollte zuerst das Fahren lernen. Ich mache ja mit meinem Sohn in Finnland sehr viele Fahrlehrgänge - die sind nicht ausschließlich für das Fahren im Winter, die sind nicht für Fahrsicherheit - da geht es um die gesamte Automobilbeherrschung. Wenn man so einen Lehrgang bei mir bestreitet, wird das ganze Jahr abgedeckt, verschiedene Beläge und Witterungen - man lernt das alles. Wir sind die einzigen, die das machen - alle anderen sind entweder eine reine Rallyeschule, eine reine Rennfahrerschule oder eine reine Sicherheitsschule.

Ich bin der Meinung, man muss das ganze Gerät beherrschen, auf allen Belägen. Oder auch Antriebsarten - wir machen jeden Lahrgang sowohl mit Front- als auch mit Heckantrieb. Wenn der Mann dann mit Allradantrieb fährt - solche Dinge kann man mit einem Allradantrieb gar nicht lernen. Man muss zuerst mit Heck- und dann mit Frontantrieb fahren - damit man kapiert, worum es geht. Das kann man auf www.aaltonenmotorsport.com nachlesen.

Björn Waldegard hat gesagt, er wurde noch für das Fahren bezahlt - er wurde dafür bezahlt, zu siegen. Heute werden nur noch drei Fahrer in der WM wirklich bezahlt, die anderen zahlen ein - was sagen Sie zu dieser Entwicklung?

Die anderen verdienen auch Geld - aber zuerst müssen sie Sponsoren besorgen. Ich bin niemals zu einem Sponsor gegangen - denn wenn man einen Sponsor hat und man fährt für ein Werk, dann reicht die Zeit nicht für die Sponsoren, für deren Veranstaltungen und für das Testen des Autos. Deswegen habe ich immer gesagt: Das Werk kümmert sich um die Sponsoren, das Geld läuft vom Sponsor zum Werk und dann vom Werk zu mir. So habe ich das damals gemacht.

So sollte es eigentlich sein.

Ja, aber auch damals gab es wenige Leute, die es so machen konnten.

Das Problem heute ist, dass der Sport so ungemein teuer wurde...

Ja, das ist sicher einer der Gründe. Und es ist wie überall in der Welt: Es geht um Angebot und Nachfrage.

Ein Blick auf die Rallye-WM: Glauben Sie, dass irgendjemand den Sébastien Loeb schlagen kann?

Ja, es gibt sogar zwei Finnen, die sehr begabt sind: Mikko Hirvonen und Jari Matti Latvala. Die verfügen zwar nicht über die Erfahrung eines Sébastien Loeb - denn die Erfahrung ist im Rallyesport wesentlich. In der Formel 1 konnte Kimi Räikkönen bereits nach wenigen Monaten Poleposition fahren, das ist im Rallyesport völlig unmöglich.

Der Rallyefahrer muss ja so viel mehr wissen als ein F1-Pilot. Da geht es um die Technik, um die Meteorologie, um die Sonderprüfungen - all das muss er wissen, und deshalb hat der Loeb da natürlich einen großen Vorsprung. Er ist schon lange im Sport vertreten und er ist ein super Mensch! Er ist momentan der Beste - weil der Marcus Grönholm aufgehört hat. Wir in Finnland finden es schade, dass er nicht mehr fährt. Denn er war immer gut. Und er ist ein feiner Mensch - wie auch der Loeb. Da gibt es auch Freundschaften.

In der Formel 1 ist das anders...

Ja, da geht es mehr um Narzissmus. Man muss in der Formel 1 das eigene Ego in den Vordergrund stellen. Denn nur solche Menschen werden in der heutigen Welt geschätzt. Egal wie er wirklich ist als Mensch - er muss sich so benehmen. Wegen der Fans.

Ich fand Alex Wurz sehr sympathisch - er hat zum Beispiel in diesem Jahr als einziger sich getraut, auch einmal die Tagsform anzusprechen, dass es in der Formel 1 eben auch sein kann, dass man einmal einen schlechten Tag erwischt und man deshalb einfach einmal zwei Zehntelsekunden verlieren kann. Was in der Formel 1 ja eher als 'uncool' angesehen wird...

Ich mag den Alexander Wurz auch sehr gerne. Und ich persönlich bin der Meinung, dass dieses amerikanische Wort 'cool' das schlechteste Wort aller Zeiten ist. Denn es ist nicht menschlich. Der Alex Wurz ist ein Mensch - und das ist wichtig.

Zur Planai-Classic Website

News aus anderen Motorline-Channels:

Planai Classic 2008

Weitere Artikel:

Beschützt sei, was man liebt

Oldtimer - Was kostet eine gute Versicherung?

Oldtimer sind mehr als nur Fahrzeuge, sie sind oft liebevoll gepflegte Sammlerstücke mit hohem emotionalem und materiellem Wert. Eine passende Versicherung ist daher unerlässlich, um diesen besonderen Besitz zu schützen.

11. Rallye Historiale in Brunn am Gebirge

Bruno und das alte Eisen

Der Österreichische Motor Veteranen Verband organisierte am 29. September die Historiale, Start und Ziel waren im Bruno, dem Veranstaltungszentrum von Brunn am Gebirge.

Der HTC-Termin 2024 steht bereits fest

Die Höllental Classic 2023 ist Geschichte

Blicken wir zurück auf eine der schönsten und bestorganisiertesten Oldtimer-Rallyes in Österreich. Die HTC 2023 wurde am 30. Juni und am 1. Juli abgehalten – ein später Nachbericht.

Theorie und wilde Wahrheit

Video: Project Tawny, Teil 6

Heute ist der große Moment: Nach letzten Restarbeiten soll der Elan das erste Mal anspringen. Wie groß die Unterschiede zwischen Theorie und Praxis aber sein können, kam im Laufe der Startversuche immer mehr ans Tageslicht.

Trotz Wetterkapriolen auch heuer ein Highlight

Ennstal-Classic 2023: Die Zusammenfassung

Ein neues Reglement, das noch mehr Spannung versprach, ein Wiederholungssieger, mit dem zu rechnen war und Wetterkapriolen, die es den Teilnehmern schwer machten, erfolgreich durchzukommen. Das waren die Ingredienzien der 31. Auflage der Ennstal-Classic 2023.

Wenn zwei sich helfen

Helden auf Rädern: Renault Alliance

Optisch knapp am 9 dran, war der Renault Alliance nicht nur ein völlig anderes Auto. Eigentlich war er nicht einmal ein französisches. Und es rettete einen Konzern, wenn auch nur kurz.