Rallye-WM: Polen | 26.06.2009
Loeb: "Crash war unvermeidbar!"
Sébastien Loeb sorgt mit weiterem Abflug für Staunen im Servicepark. Hirvonen führt vor Latvala und Sordo. Harrach wahrscheinlich in Problemen.
Michael Noir Trawniczek
Bei schwerer Bewölkung, aber trockenen Bedingungen wurden am Freitagmorgen die ersten „echten“ Sonderprüfungen der Polen-Rallye absolviert. Weil es in der Nacht geregnet hatte, war der Schotter noch nass. So rechneten die Experten damit, dass sich der Zustand der Prüfungen rasch verschlechtern wird.
Noch vor dem Start der ersten Prüfung, der 12,09 Kilometer langen SP 2 „Grabowka“ erklärte eine Citroen-Sprecherin, man habe am C4 von Sébastien Loeb einen schadhaften Kühler ausmachen und diesen austauschen können. Doch als Loeb ins Ziel der SP 2 kam, berichtete der Weltmeister von erneuten Überhitzungsproblemen. Loeb erklärte knapp: „Das Problem ist anders als gestern – jetzt geht die Temperatur runter, wenn wir stehen bleiben, gestern ist sie gestiegen. Wir müssen das checken.“
Und auch Teamkollege Dani Sordo zeigte sich besorgt: „Die Straßen sind wirklich schnell, aber vielleicht bekommen wir Probleme mit der Motor-Temperatur, die ist wirklich sehr, sehr hoch!“
Trotz der Besorgnis der Citroen-Piloten konnten diese an der Spitze mithalten, auch wenn Mikko Hirvonen als Bestzeithalter um fünf Zehntelsekunden schneller als Loeb fahren sowie Latvala sich als Dritter knapp vor Sordo einreihen konnte.
Hirvonen zeigte großen Gefallen an den schnellen Schotterstraßen – der Ford-Pilot geriet ins Schwärmen: „Es ist fantastisch – und so schnell! Es ist schon eine Zeit her, dass wir solchermaßen weite Sprünge hatten. Ich war an manchen Stellen ein bisschen vorsichtig, aber damit ist jetzt Schluss, von jetzt an fahre ich Vollgas!“
Teamkollege Jari Matti Latvala erklärte: „Die Straße ist bereits zerfurcht – daher denke ich, dass es ein Vorteil ist, als erstes Fahrzeug raus zu fahren. Wir hatten keine Probleme, aber vielleicht habe ich noch ein bisschen geschlafen? Vielleicht hätte ich etwas schneller fahren können!“
Hinter den Werkspiloten von Ford und Citroen konnte Petter Solberg in seinem privaten Citroen Xsara WRC die fünftschnellste Zeit markieren. Der Norweger erklärte: „Die Strecke ist sehr schnell und ich verliere wahrscheinlich ein bisschen an Zeit, so wie ich es erwartet habe – aber wir werden sehen, ich versuche noch härter zu puschen.“
Die sechstschnellste Zeit konnte Andreas Mikkelsen im Skoda Fabia WRC markieren, dahinter reihten sich Citroen Junior Evgeny Novikov, Stobart-Pilot Henning Solberg und Sébastien Ogioer im zweiten Junioren-C4 ein.
SP 3: Platz 7 für Holowczyc
Auf der 11,34 km langen SP 3 „Pianki“ konnte Hirvonen mit einer weiteren Bestzeit die Führung übernehmen, doch Loeb lag insgesamt nur drei Zehntelsekunden hinter dem Finnen zurück. Der Franzose berichtete, dass die Probleme mit der erhöhten Motorentemperatur nun verschwunden seien. Auch Sordo zeigte sich unbesorgt.
Latvala fuhr die drittschnellste Zeit vor dem überraschend starken Novikov, der damit auf den fünften Gesamtrang vorrücken konnte.
Hinter Andreas Mikkelsen konnte der polnische Lokalmatador Krzysztof Holowczyc im Stobart Ford die siebtschnellste Zeit markieren, mit nur 8,4 Sekunden Rückstand auf Hirvonen – womit der 47-jährige auf Rang zehn der Gesamtwertung vorrücken konnte.
SP 4: Loeb trifft Baumstumpf
Auf der mit 33,17 Kilometern längsten Wertungsprüfung des ersten Tages, der SP 4 „Paprotki“ passierte es dann: Sébastien Loeb stoppte 1,2 Kilometer nach dem Start der Prüfung.
Mikko Hirvonen berichtete Kopf schüttelnd im Zielraum der vierten Prüfung: „Loeb ist rund1,2 Kilometer nach dem Start von der Strecke abgekommen. Das ist strange, wirklich wahr!“
Loeb sorgt für Verwunderung: Zuerst die beispiellose Siegesserie, dann nur Platz vier in Sardinien, als er nach einem Reifenschaden ohne Anschnallen weiter fuhr und deshalb zwei Strafminuten aufgebrummt erhielt. Bei der Akropolis-Rallye dann der Abflug bei hohem Tempo – und jetzt schon wieder ein Crash!
Loeb erklärte später: "Unter einer Sandschicht war ein Baumstumpf versteckt, den wir getroffen haben. Der Einschlag war nicht wirklich hart - aber hart genug, um die Radaufhängung zu zerstören. Der Baumstumpf war nicht erkennbar, der Crash war unvermeidbar! Ob wir morgen unter Superally weiterfahren können, ist noch nicht sicher."
Hirvonen liegt nur noch sieben Punkte hinter Loeb – möglicherweise übernimmt er an diesem Wochenende die WM-Führung! Wer hätte das gedacht?
Hirvonen führt nach den ersten vier Prüfungen der Polen-Rallye jedenfalls 2,4 Sekunden vor seinem Teamkollegen Latvala, der auf der vierten Prüfung, der letzten vor dem Mittagsservice die Bestzeit markieren konnte.
Auf Rang drei liegt Dani Sordo im einzig verbliebenen Werks-Citroen, der Spanier liegt 14,7 Sekunden zurück. Er erklärte im Zielraum der SP 4: „Ich habe in einer Haarnadelkurve etwas Zeit verloren, aber sonst ist alles okay. Es tut mir so leid für Séb – das ist wirklich ein großes Pech. Der Druck wird jetzt natürlich größer.“
Großes Pech hatte auch Citroen Junior Evgeny Novikov, der sich nach einem heftigen Crash mit einem völlig zerstörten C4 ins Ziel schleppte. Schwerer Aufhängungsschaden., schwerer Kühlerschaden. Geknickt erklärte der junge Russe: „Ich hatte einen heftigen Abflug nur wenige Kilometer vor dem Ziel.“ Nach dem Zielraum sah es so aus, als könnte es Novikov ins Service schaffen, doch dann blieb er erneut stehen – es ist unsicher, ob es der Junior zu seinen Mechanikern schaffen wird.
Freudig überrascht zeigte sich Andreas Mikkelsen, als ihm mitgeteilt wurde, dass er in seinem Skoda Fabia World Rally Car nicht nur die viertschnellste Zeit markieren sondern auch mit einem Rückstand von 34,1 Sekunden den vierten Gesamtrang einnehmen konnte. „Wirklich?“, reagierte der Norweger zunächst ungläubig, um dann zu berichten: „Ich habe gedacht, dass wir wegen der fehlenden PS mehr Zeit verlieren werden, aber das ist natürlich eine gute Nachricht.“
5,9 Sekunde hinter Mikkelsen liegt sein Landsmann Petter Solberg auf Rang fünf. Der Privatier leidet an der PS-Schwäche seines Xsara: „Ich fahre überall Vollgas, aber die Strecke ist zu schnell für mein Auto. Es ist wie immer auf den schnellen Passagen, dort verlieren wir viel Zeit.“
Mit 51,6 Sekunden Rückstand belegt Citroen Junior Sébastien Ogier den sechsten Gesamtrang, obwohl er nach SP 4 klagte: „Ich hatte einen Dreher.“ Die beiden Stobart-Piloten Henning Solberg und Matthew Wilson belegen die Ränge sieben und acht. Novikov wird mit 59 Sekunden Rückstand als Neunter geführt, doch er muss es ins Service schaffen. Auf Platz zehn rangiert der dritte Citroen Junior Conrad Rautenbach. Krzysztof Holowczyc liegt vor Mads Östberg auf Rang elf.
JWRC: Abring vor Kosciuszko
Bei den Junioren der JWRC tobte ein harter Kampf um die Führung. Nach SP 2 lag Kevin Abring im Renault Clio R3 in Führung, vor Martin Prokop im Citroen C2 Super 1600 und Michal Kosciuszko im Suzuki Swift S1600.
Auf SP 3 holte Kosciuszko zum Gegenschlag aus, übernahm die Führung – allerdings lag Abring nur drei Zehntelsekunden zurück.
Auf SP 4 konnte Abring die Führung wieder zurück erobern – vor dem Mittagsservice führt er 2,5 Sekunden vor Kosciuszko sowie 14,1 Sekunden vor Prokop.
Harrach: Beinzindruckprobleme
Beppo Harrach und Andreas Schindlbacher markierten im Mitsubishi Lancer Evo IX auf SP 2 mit 1:10 Minuten Rückstand die 23. Gesamtzeit. Auf SP 3 belegte das österreichische Duo mit 1:17 Minuten Rückstand Platz 27. Nach SP 3 belegte man den guten 25. Gesamtrang – doch auf SP 4 gab es ein Problem mit dem Benzindruck. Man beschloss, die Rallye aufzugeben.
Ab 14.01 Uhr werden die drei Prüfungen vom Vormittag ein weiteres Mal befahren.